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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Szenische Ausstattung

So erinnere ich mich, daß für dasselbe Stück, dessen Figurinen oben erwähnt
worden sind, für teures Geld ein mit Elfenbeinarabesken eingelegter Ebenholz-
fchrank erworben worden war, der dem Publikum schon vor der Generalprobe
in zahlreichen Zeitungsartikeln als ein non plus Ultra von kunstvoller Arbeit
und bestem Geschmack aus dem letzten Drittel des sechzehnten Jahrhunderts
angepriesen wurde.- Der Onkel Sarcey war natürlich der erste, der ihn zum
Teufel wünschte und den Mut hatte, das zu sagen. Gegen den Schrank an sich
habe er ja nichts, er sei wunderschön, und das Musee de Cluny werde gut tun,
ihn zu kaufen: aber wenn er in das Haus Molieres gehe, um seine Sorgen zu
vergessen -- und das tat der brave Herr Abend für Abend, ohne daß er deren
gerade viele zu vergessen gehabt Hütte --, so wolle er ein gutgespieltes Stück
und keine Schränke sehen. Schränke habe er zu Hause mehr als genug, sich
daran satt zu sehen. Das beste bei der Sache war, daß er sein desfallsiges Thcater-
feuilletvn im Temps. der damals noch nicht so verbissen war wie jetzt, so ge¬
schickt verfaßt hatte, daß der teure Schrank bei den den Ausschlag gebende"
Habitues sofort unpopulär und, statt länger als Requisit verwandt zu werden,
an einen Antiquitätenhändler verkauft wurde; natürlich ohne Verlust, denn er
war ja aus <z6Ikbrit>6 geworden. Der Onkel hatte recht gehabt: das Stück nahm
sich , auch ohne Schrank ganz gut aus, und Hunderte von Kunstsnobs, die sich
ihre Kalbsaugen an dem teuern Schranke ausgeguckt hätten, konnten nun ohne
ihre Aufmerksamkeit von der Hauptsache ablenkende Zerstreuung dem Gang der
Handlung folgen.

Damit soll nicht gesagt sein, daß man sich das Piccolominische Zimmer
zum Muster nehmen soll, wo sich das von zwei Stühlen flankierte und mit der
Kassette besetzte Tischchen inmitten des großen weißgetünchten Raums recht
verwaist vorkommen mußte, aber Komfort und Pracht können auch augedeutet
werde", ohne daß man sie zur Hauptsache zu machen braucht. Gegen den historische"
Schrank hätte auch niemand etwas einzuwenden gehabt, wenn er im Hintergrunde
zwischen zwei Türen von einem geschickten Äveorawur -- abkonterfeit worden
wäre. Es ist Sache des Theatermalers, daß er durch die Art. wie er das
Zimmer schmückt, das Herumstehen von Möbeln an den Wänden, das Aufhängen
von Bildern und dergleichen entbehrlich und geradezu unmöglich macht.

Und nun gar erst die modernen Möbel, die man mitten in der architektonischen
Pracht des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts als stilgerecht ansehen soll!
Goldfarbenlackierte sogenannte Salonstühle, die der Regisseur um der Goldfarbe
willen in den Sälen der "guten" Queen Beß aufzustellen wagt, und ein Monstrum,
das mau. wenn sich Ausschreitungen wie die der Kirchen- und Bilderstürmer
an Theatern und deren Gerät vergreifen könnten, mit eigner Hand in den
Feuerbrand zu zerren und zu schleudern versucht wäre: der mit einem Teppich
bedeckte Voltigierkasten, der uns als antikes wie mittelalterliches, westliches wie
morgenländisches Ruhebett serviert wird, und auf dem sich selbst der abgehärtetste
Vagabund nicht Wohlbefinden konnte. Für die ideal gekleidete Fürstin Eboli wird
er mit einem roten Vorhang überdeckt; ganz ohne Überzug, in seiner Strohsack-


Szenische Ausstattung

So erinnere ich mich, daß für dasselbe Stück, dessen Figurinen oben erwähnt
worden sind, für teures Geld ein mit Elfenbeinarabesken eingelegter Ebenholz-
fchrank erworben worden war, der dem Publikum schon vor der Generalprobe
in zahlreichen Zeitungsartikeln als ein non plus Ultra von kunstvoller Arbeit
und bestem Geschmack aus dem letzten Drittel des sechzehnten Jahrhunderts
angepriesen wurde.- Der Onkel Sarcey war natürlich der erste, der ihn zum
Teufel wünschte und den Mut hatte, das zu sagen. Gegen den Schrank an sich
habe er ja nichts, er sei wunderschön, und das Musee de Cluny werde gut tun,
ihn zu kaufen: aber wenn er in das Haus Molieres gehe, um seine Sorgen zu
vergessen — und das tat der brave Herr Abend für Abend, ohne daß er deren
gerade viele zu vergessen gehabt Hütte —, so wolle er ein gutgespieltes Stück
und keine Schränke sehen. Schränke habe er zu Hause mehr als genug, sich
daran satt zu sehen. Das beste bei der Sache war, daß er sein desfallsiges Thcater-
feuilletvn im Temps. der damals noch nicht so verbissen war wie jetzt, so ge¬
schickt verfaßt hatte, daß der teure Schrank bei den den Ausschlag gebende»
Habitues sofort unpopulär und, statt länger als Requisit verwandt zu werden,
an einen Antiquitätenhändler verkauft wurde; natürlich ohne Verlust, denn er
war ja aus <z6Ikbrit>6 geworden. Der Onkel hatte recht gehabt: das Stück nahm
sich , auch ohne Schrank ganz gut aus, und Hunderte von Kunstsnobs, die sich
ihre Kalbsaugen an dem teuern Schranke ausgeguckt hätten, konnten nun ohne
ihre Aufmerksamkeit von der Hauptsache ablenkende Zerstreuung dem Gang der
Handlung folgen.

Damit soll nicht gesagt sein, daß man sich das Piccolominische Zimmer
zum Muster nehmen soll, wo sich das von zwei Stühlen flankierte und mit der
Kassette besetzte Tischchen inmitten des großen weißgetünchten Raums recht
verwaist vorkommen mußte, aber Komfort und Pracht können auch augedeutet
werde», ohne daß man sie zur Hauptsache zu machen braucht. Gegen den historische»
Schrank hätte auch niemand etwas einzuwenden gehabt, wenn er im Hintergrunde
zwischen zwei Türen von einem geschickten Äveorawur — abkonterfeit worden
wäre. Es ist Sache des Theatermalers, daß er durch die Art. wie er das
Zimmer schmückt, das Herumstehen von Möbeln an den Wänden, das Aufhängen
von Bildern und dergleichen entbehrlich und geradezu unmöglich macht.

Und nun gar erst die modernen Möbel, die man mitten in der architektonischen
Pracht des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts als stilgerecht ansehen soll!
Goldfarbenlackierte sogenannte Salonstühle, die der Regisseur um der Goldfarbe
willen in den Sälen der „guten" Queen Beß aufzustellen wagt, und ein Monstrum,
das mau. wenn sich Ausschreitungen wie die der Kirchen- und Bilderstürmer
an Theatern und deren Gerät vergreifen könnten, mit eigner Hand in den
Feuerbrand zu zerren und zu schleudern versucht wäre: der mit einem Teppich
bedeckte Voltigierkasten, der uns als antikes wie mittelalterliches, westliches wie
morgenländisches Ruhebett serviert wird, und auf dem sich selbst der abgehärtetste
Vagabund nicht Wohlbefinden konnte. Für die ideal gekleidete Fürstin Eboli wird
er mit einem roten Vorhang überdeckt; ganz ohne Überzug, in seiner Strohsack-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/329>, abgerufen am 24.07.2024.