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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Houat und Hoedik aus den Fluten. Nur wenigen wird ihr Name, noch wenigern
aber bekannt sein, daß diese Eilande bis vor ganz kurzer Zeit eine ganz eigen¬
tümliche Verfassung besaßen. Der Priester, der rsotsur, jeder Insel war ihr ab¬
soluter Herr, übte Polizei und Gerichtsbarkeit, ja Schankrecht und Kramhandel
aus, und erst mit der Trennung von Kirche und Staat ist die eigenartige politische
Stellung dieser Jliens geschwunden und ihr Sonderrecht der Verwaltungsschablone
eingeordnet worden. Ein verschlossenes, oft hartes, aber treues und frommes Volk
hat sich dort in der ununterbrochnem Überlieferung der Jahrhunderte erhalten,
nicht ohne freilich auch heidnische Reste aus Urzeiten in sein katholisches Kirchentum
mit hinüberzuretten. Die Leute sprechen die auf dem Festlande nicht mehr ge¬
läufige bretonische Sprache, und das zieht noch einen neuen Ring um ihre Abge¬
schlossenheit. In diesen Kreis tritt bei Clara Hohrath ein junger Priester als
Beherrscher der Insel Hoedik. Durch Güte und Festigkeit ebenso wie durch sein
männliches und mutiges Wesen gewinnt er zuerst die Frauen, dann die Männer
dieser seebefahrnen, den Wellenkampf gewohnten, wortkargen Bevölkerung. Seine
Hand ist mild, wenn es gilt, zu Unrecht Verfemte wieder in die Arme der christ¬
lichen Gemeinschaft ziehen, und sie ist hart, wenn liederliches Wesen, unbesonnene
Leidenschaftlichkeit dem schlichten Leben dieser Menschen ferngehalten werden sollen.
Aber sie vergreift sich in einer entscheidenden Stunde: der Rekteur will am hohen
Volksfest den alten Heiligen entthronen, den sie am Hünengrab verehren, den die
Nachkommen einer für zauberkräftig gehaltnen Sippe betreuen, dem in der Kirche
selbst ein rohes, angeblich wundertätiges Bild errichtet ist -- und der doch in
keinem Heiligenkalender steht, sondern ein heidnischer Götze ist, von wilden Sagen
umflossen, notdürftig der Kirchenlehre eingefügt. Aber da erlebt er, der sich schon
sicher in der Liebe seiner Untertanen wohnen glaubte, die große Enttäuschung: sie
folgen ihm nicht, sie lassen sich diesen Heiligen nicht entreißen. Er selbst führt
das Holzbild in die Kirche zurück, belehrt, daß er diesen Armen den alten Herzens¬
trost nicht rauben darf, aber auch innerlich wankend geworden an seinem Priester¬
beruf. Und da nun trotz seiner und seiner Notabeln Einspruch der Insel die alten
Rechte genommen und die neuen Ordnungen der französischen Republik aufgezwungen
werden, zieht er die Soutane aus, bleibt aber als ein tapfrer Genosse der alten
Meerfahrer unter ihnen, immer noch als Vorbild und Berater geehrt, ihnen immer
noch von der Weihe eines unzerstörbaren Priestertums umgeben. Und dies letzte
empfindet er so stark, daß er seinen Jliens zuliebe die tief geliebte Frau nicht an
sich fesseln will, die einstige, nun durch die Aufhebung ihres Ordens freigewordne
Schulschwester -- auf einer stürmischen Fahrt findet er mit ihr ein kurzes, dem
Sturme abgernngnes Glück und ein gemeinsames Grab im Ozean.

Dieser Schluß ist nicht ganz zwingend, man mochte den beiden nach allem
von ihnen Erlebten und Bezwungnen die Kraft zutrauen, gemeinsam und doch in
ungeminderter erzieherischer Wirksamkeit ihr Leben unter den ihnen ans Herz ge-
wachsnen Jnselleuteu zu führen. Sonst aber ist das Werk, Clara Hosraths reifste
Schöpfung, voll von Schönheit und Glanz. Es zieht uns ganz in den fremd¬
artigen Kreis seiner Menschen, zeichnet jeden mit seiner Gebärde und läßt um den
Helden das ganze Volk leben und leiden. Jede idyllische Schönfärberei, jede über¬
treibende Tendenz ist vermieden, diese Bretonen sind echte Menschen, deren Roheit
uns nicht verschwiegen wird, deren feste, ob auch oft aus seltsamen Quellen rinnende
Frömmigkeit sie aber über ihr Handwerk und ihre oft ausbrechenden niedern In¬
stinkte hinweghebt. In einer Fülle einzelner feiner Beobachtungen hat Clara
Hohrath diese eigne Welt lebendig gemacht, und wirklich klingt, wie der Titel des
schönen Buches das ausspricht, das Lied des Meeres überall mit hinein, gibt
einmal den tiefern Grundakkord der Geschehnisse, ein andermal die Dominante über


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Houat und Hoedik aus den Fluten. Nur wenigen wird ihr Name, noch wenigern
aber bekannt sein, daß diese Eilande bis vor ganz kurzer Zeit eine ganz eigen¬
tümliche Verfassung besaßen. Der Priester, der rsotsur, jeder Insel war ihr ab¬
soluter Herr, übte Polizei und Gerichtsbarkeit, ja Schankrecht und Kramhandel
aus, und erst mit der Trennung von Kirche und Staat ist die eigenartige politische
Stellung dieser Jliens geschwunden und ihr Sonderrecht der Verwaltungsschablone
eingeordnet worden. Ein verschlossenes, oft hartes, aber treues und frommes Volk
hat sich dort in der ununterbrochnem Überlieferung der Jahrhunderte erhalten,
nicht ohne freilich auch heidnische Reste aus Urzeiten in sein katholisches Kirchentum
mit hinüberzuretten. Die Leute sprechen die auf dem Festlande nicht mehr ge¬
läufige bretonische Sprache, und das zieht noch einen neuen Ring um ihre Abge¬
schlossenheit. In diesen Kreis tritt bei Clara Hohrath ein junger Priester als
Beherrscher der Insel Hoedik. Durch Güte und Festigkeit ebenso wie durch sein
männliches und mutiges Wesen gewinnt er zuerst die Frauen, dann die Männer
dieser seebefahrnen, den Wellenkampf gewohnten, wortkargen Bevölkerung. Seine
Hand ist mild, wenn es gilt, zu Unrecht Verfemte wieder in die Arme der christ¬
lichen Gemeinschaft ziehen, und sie ist hart, wenn liederliches Wesen, unbesonnene
Leidenschaftlichkeit dem schlichten Leben dieser Menschen ferngehalten werden sollen.
Aber sie vergreift sich in einer entscheidenden Stunde: der Rekteur will am hohen
Volksfest den alten Heiligen entthronen, den sie am Hünengrab verehren, den die
Nachkommen einer für zauberkräftig gehaltnen Sippe betreuen, dem in der Kirche
selbst ein rohes, angeblich wundertätiges Bild errichtet ist — und der doch in
keinem Heiligenkalender steht, sondern ein heidnischer Götze ist, von wilden Sagen
umflossen, notdürftig der Kirchenlehre eingefügt. Aber da erlebt er, der sich schon
sicher in der Liebe seiner Untertanen wohnen glaubte, die große Enttäuschung: sie
folgen ihm nicht, sie lassen sich diesen Heiligen nicht entreißen. Er selbst führt
das Holzbild in die Kirche zurück, belehrt, daß er diesen Armen den alten Herzens¬
trost nicht rauben darf, aber auch innerlich wankend geworden an seinem Priester¬
beruf. Und da nun trotz seiner und seiner Notabeln Einspruch der Insel die alten
Rechte genommen und die neuen Ordnungen der französischen Republik aufgezwungen
werden, zieht er die Soutane aus, bleibt aber als ein tapfrer Genosse der alten
Meerfahrer unter ihnen, immer noch als Vorbild und Berater geehrt, ihnen immer
noch von der Weihe eines unzerstörbaren Priestertums umgeben. Und dies letzte
empfindet er so stark, daß er seinen Jliens zuliebe die tief geliebte Frau nicht an
sich fesseln will, die einstige, nun durch die Aufhebung ihres Ordens freigewordne
Schulschwester — auf einer stürmischen Fahrt findet er mit ihr ein kurzes, dem
Sturme abgernngnes Glück und ein gemeinsames Grab im Ozean.

Dieser Schluß ist nicht ganz zwingend, man mochte den beiden nach allem
von ihnen Erlebten und Bezwungnen die Kraft zutrauen, gemeinsam und doch in
ungeminderter erzieherischer Wirksamkeit ihr Leben unter den ihnen ans Herz ge-
wachsnen Jnselleuteu zu führen. Sonst aber ist das Werk, Clara Hosraths reifste
Schöpfung, voll von Schönheit und Glanz. Es zieht uns ganz in den fremd¬
artigen Kreis seiner Menschen, zeichnet jeden mit seiner Gebärde und läßt um den
Helden das ganze Volk leben und leiden. Jede idyllische Schönfärberei, jede über¬
treibende Tendenz ist vermieden, diese Bretonen sind echte Menschen, deren Roheit
uns nicht verschwiegen wird, deren feste, ob auch oft aus seltsamen Quellen rinnende
Frömmigkeit sie aber über ihr Handwerk und ihre oft ausbrechenden niedern In¬
stinkte hinweghebt. In einer Fülle einzelner feiner Beobachtungen hat Clara
Hohrath diese eigne Welt lebendig gemacht, und wirklich klingt, wie der Titel des
schönen Buches das ausspricht, das Lied des Meeres überall mit hinein, gibt
einmal den tiefern Grundakkord der Geschehnisse, ein andermal die Dominante über


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[0299] Maßgebliches und Unmaßgebliches Houat und Hoedik aus den Fluten. Nur wenigen wird ihr Name, noch wenigern aber bekannt sein, daß diese Eilande bis vor ganz kurzer Zeit eine ganz eigen¬ tümliche Verfassung besaßen. Der Priester, der rsotsur, jeder Insel war ihr ab¬ soluter Herr, übte Polizei und Gerichtsbarkeit, ja Schankrecht und Kramhandel aus, und erst mit der Trennung von Kirche und Staat ist die eigenartige politische Stellung dieser Jliens geschwunden und ihr Sonderrecht der Verwaltungsschablone eingeordnet worden. Ein verschlossenes, oft hartes, aber treues und frommes Volk hat sich dort in der ununterbrochnem Überlieferung der Jahrhunderte erhalten, nicht ohne freilich auch heidnische Reste aus Urzeiten in sein katholisches Kirchentum mit hinüberzuretten. Die Leute sprechen die auf dem Festlande nicht mehr ge¬ läufige bretonische Sprache, und das zieht noch einen neuen Ring um ihre Abge¬ schlossenheit. In diesen Kreis tritt bei Clara Hohrath ein junger Priester als Beherrscher der Insel Hoedik. Durch Güte und Festigkeit ebenso wie durch sein männliches und mutiges Wesen gewinnt er zuerst die Frauen, dann die Männer dieser seebefahrnen, den Wellenkampf gewohnten, wortkargen Bevölkerung. Seine Hand ist mild, wenn es gilt, zu Unrecht Verfemte wieder in die Arme der christ¬ lichen Gemeinschaft ziehen, und sie ist hart, wenn liederliches Wesen, unbesonnene Leidenschaftlichkeit dem schlichten Leben dieser Menschen ferngehalten werden sollen. Aber sie vergreift sich in einer entscheidenden Stunde: der Rekteur will am hohen Volksfest den alten Heiligen entthronen, den sie am Hünengrab verehren, den die Nachkommen einer für zauberkräftig gehaltnen Sippe betreuen, dem in der Kirche selbst ein rohes, angeblich wundertätiges Bild errichtet ist — und der doch in keinem Heiligenkalender steht, sondern ein heidnischer Götze ist, von wilden Sagen umflossen, notdürftig der Kirchenlehre eingefügt. Aber da erlebt er, der sich schon sicher in der Liebe seiner Untertanen wohnen glaubte, die große Enttäuschung: sie folgen ihm nicht, sie lassen sich diesen Heiligen nicht entreißen. Er selbst führt das Holzbild in die Kirche zurück, belehrt, daß er diesen Armen den alten Herzens¬ trost nicht rauben darf, aber auch innerlich wankend geworden an seinem Priester¬ beruf. Und da nun trotz seiner und seiner Notabeln Einspruch der Insel die alten Rechte genommen und die neuen Ordnungen der französischen Republik aufgezwungen werden, zieht er die Soutane aus, bleibt aber als ein tapfrer Genosse der alten Meerfahrer unter ihnen, immer noch als Vorbild und Berater geehrt, ihnen immer noch von der Weihe eines unzerstörbaren Priestertums umgeben. Und dies letzte empfindet er so stark, daß er seinen Jliens zuliebe die tief geliebte Frau nicht an sich fesseln will, die einstige, nun durch die Aufhebung ihres Ordens freigewordne Schulschwester — auf einer stürmischen Fahrt findet er mit ihr ein kurzes, dem Sturme abgernngnes Glück und ein gemeinsames Grab im Ozean. Dieser Schluß ist nicht ganz zwingend, man mochte den beiden nach allem von ihnen Erlebten und Bezwungnen die Kraft zutrauen, gemeinsam und doch in ungeminderter erzieherischer Wirksamkeit ihr Leben unter den ihnen ans Herz ge- wachsnen Jnselleuteu zu führen. Sonst aber ist das Werk, Clara Hosraths reifste Schöpfung, voll von Schönheit und Glanz. Es zieht uns ganz in den fremd¬ artigen Kreis seiner Menschen, zeichnet jeden mit seiner Gebärde und läßt um den Helden das ganze Volk leben und leiden. Jede idyllische Schönfärberei, jede über¬ treibende Tendenz ist vermieden, diese Bretonen sind echte Menschen, deren Roheit uns nicht verschwiegen wird, deren feste, ob auch oft aus seltsamen Quellen rinnende Frömmigkeit sie aber über ihr Handwerk und ihre oft ausbrechenden niedern In¬ stinkte hinweghebt. In einer Fülle einzelner feiner Beobachtungen hat Clara Hohrath diese eigne Welt lebendig gemacht, und wirklich klingt, wie der Titel des schönen Buches das ausspricht, das Lied des Meeres überall mit hinein, gibt einmal den tiefern Grundakkord der Geschehnisse, ein andermal die Dominante über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/299>, abgerufen am 04.07.2024.