Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor

und vielseitig erwogen, oft zur Verzweiflung seiner Mitarbeiter. Und wie
eine nahe Verwandtschaft zu bestehn scheint zwischen dem Enthusiasten und dem
Idealisten, so konnte man bei näherer Kenntnis wirklich nicht umhin, Althoff
auch als Idealisten durchaus anzuerkennen. Doch die Art, wie sich sein
Idealismus nun mit einem sehr stark ausgeprägten Realismus zusammenfand,
ist das eigentümlichste an der ganzen Persönlichkeit gewesen.

Zunächst waren seine Ziele niemals vage, sondern immer fest umschrieben;
allerdings lagen sie auch nicht auf rein geistigem Gebiet. Wenn man es bald
nach seinem Tode aussprechen hörte, daß im preußischen Kultusministerium
vielleicht seit Wilhelm vou Humboldt keine so bedeutend angelegte und ein¬
flußreiche Persönlichkeit zu finden gewesen sei, so liegt denn doch die Geistesart
und Betütigungsweise dieses Modernen von jenem großen Vertreter des
Humanitätsideals himmelweit ab. Die großen Ziele und die große" Leistungen
Althoffs waren zumeist: Begründung und Neuorganisation bedeutender und
kostspieliger wissenschaftlicher Institute oder Unternehmungen, Beschaffung
großer Geldmittel für deren vollkommnere Ausgestaltung und Ausstattung,
Hebung der höchsten Bildungsanstalten durch zum Teil gewaltige Erhöhung
ihres Haushalts, Durchsetzung günstigerer Besoldungsnormen für ganze Kate¬
gorien von Beamten, weitgreifende Neuregulierung großer Gebiete und ähn¬
liches, was alles mit sehr bestimmten Ziffern und Aufzählungen belegt werden
könnte. Sicher wäre es sehr unrecht, das Maß von Begeisterung zu unter¬
schätzen, das den Mann erfüllen mußte, um ihm unter den größten entgegen¬
stehenden Hemmnissen die Ausdauer zur endgiltigen Verfolgung solcher Ziele
einzuflößen, und das Verdienst des Erreichten ist um so unzweifelhafter, weil
es eben konkrete Ziele waren. Aber ohne zugleich in einem eminenten Grade
Realist zu sein, konnte er dergleichen nicht verwirklichen.

Vielleicht ist es am richtigsten, in den Vordergrund seiner Charakteristik
noch etwas andres zu stellen als Enthusiasmus, Idealismus, Realismus:
nämlich die Aktivität, das ihn immer ganz erfüllende Bedürfnis der Betätigung,
und zwar der Betätigung seiner ganz persönlichen Kräfte, also durchaus
niemals auf Wegen der bloßen Routine (was noch gar keine Aktivität in
Höheren Sinne heißen könnte), sondern so daß neue Zielsetzung immer mit neuer
Bemühung zusammenkam. Freilich, dieses Aktivitütsbedürfnis befriedigte sich
"icht durch Betätigung bloß seiner eignen Kraft, namentlich nicht seiner bloßen
Arbeitskraft, die an sich ungeheuer war (wie er denn zwischen zwei möglichst
massiven Mahlzeiten, einer am Morgen und einer andern am Abend, vielleicht
erst spät am Abend, regelmüßig einen vollen Arbeitstag hinzubringen pflegte
und kaum begriff, wie andre zwischendurch auch einmal die Arbeit unterbrechen
könnten, um eine Mahlzeit einzunehmen). Er hatte vielmehr immer das Be¬
dürfnis, seine eignen Organe gewissermaßen zu vervielfältigen, alle erreichbaren
und irgendwie willig zu machenden Kräfte zur Mitarbeit an den von ihm ge¬
wühlten Aufgaben heranzuziehen, und in, Puukt des Willigmachens leistete er


Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor

und vielseitig erwogen, oft zur Verzweiflung seiner Mitarbeiter. Und wie
eine nahe Verwandtschaft zu bestehn scheint zwischen dem Enthusiasten und dem
Idealisten, so konnte man bei näherer Kenntnis wirklich nicht umhin, Althoff
auch als Idealisten durchaus anzuerkennen. Doch die Art, wie sich sein
Idealismus nun mit einem sehr stark ausgeprägten Realismus zusammenfand,
ist das eigentümlichste an der ganzen Persönlichkeit gewesen.

Zunächst waren seine Ziele niemals vage, sondern immer fest umschrieben;
allerdings lagen sie auch nicht auf rein geistigem Gebiet. Wenn man es bald
nach seinem Tode aussprechen hörte, daß im preußischen Kultusministerium
vielleicht seit Wilhelm vou Humboldt keine so bedeutend angelegte und ein¬
flußreiche Persönlichkeit zu finden gewesen sei, so liegt denn doch die Geistesart
und Betütigungsweise dieses Modernen von jenem großen Vertreter des
Humanitätsideals himmelweit ab. Die großen Ziele und die große» Leistungen
Althoffs waren zumeist: Begründung und Neuorganisation bedeutender und
kostspieliger wissenschaftlicher Institute oder Unternehmungen, Beschaffung
großer Geldmittel für deren vollkommnere Ausgestaltung und Ausstattung,
Hebung der höchsten Bildungsanstalten durch zum Teil gewaltige Erhöhung
ihres Haushalts, Durchsetzung günstigerer Besoldungsnormen für ganze Kate¬
gorien von Beamten, weitgreifende Neuregulierung großer Gebiete und ähn¬
liches, was alles mit sehr bestimmten Ziffern und Aufzählungen belegt werden
könnte. Sicher wäre es sehr unrecht, das Maß von Begeisterung zu unter¬
schätzen, das den Mann erfüllen mußte, um ihm unter den größten entgegen¬
stehenden Hemmnissen die Ausdauer zur endgiltigen Verfolgung solcher Ziele
einzuflößen, und das Verdienst des Erreichten ist um so unzweifelhafter, weil
es eben konkrete Ziele waren. Aber ohne zugleich in einem eminenten Grade
Realist zu sein, konnte er dergleichen nicht verwirklichen.

Vielleicht ist es am richtigsten, in den Vordergrund seiner Charakteristik
noch etwas andres zu stellen als Enthusiasmus, Idealismus, Realismus:
nämlich die Aktivität, das ihn immer ganz erfüllende Bedürfnis der Betätigung,
und zwar der Betätigung seiner ganz persönlichen Kräfte, also durchaus
niemals auf Wegen der bloßen Routine (was noch gar keine Aktivität in
Höheren Sinne heißen könnte), sondern so daß neue Zielsetzung immer mit neuer
Bemühung zusammenkam. Freilich, dieses Aktivitütsbedürfnis befriedigte sich
»icht durch Betätigung bloß seiner eignen Kraft, namentlich nicht seiner bloßen
Arbeitskraft, die an sich ungeheuer war (wie er denn zwischen zwei möglichst
massiven Mahlzeiten, einer am Morgen und einer andern am Abend, vielleicht
erst spät am Abend, regelmüßig einen vollen Arbeitstag hinzubringen pflegte
und kaum begriff, wie andre zwischendurch auch einmal die Arbeit unterbrechen
könnten, um eine Mahlzeit einzunehmen). Er hatte vielmehr immer das Be¬
dürfnis, seine eignen Organe gewissermaßen zu vervielfältigen, alle erreichbaren
und irgendwie willig zu machenden Kräfte zur Mitarbeit an den von ihm ge¬
wühlten Aufgaben heranzuziehen, und in, Puukt des Willigmachens leistete er


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314458"/>
          <fw type="header" place="top"> Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_558" prev="#ID_557"> und vielseitig erwogen, oft zur Verzweiflung seiner Mitarbeiter. Und wie<lb/>
eine nahe Verwandtschaft zu bestehn scheint zwischen dem Enthusiasten und dem<lb/>
Idealisten, so konnte man bei näherer Kenntnis wirklich nicht umhin, Althoff<lb/>
auch als Idealisten durchaus anzuerkennen. Doch die Art, wie sich sein<lb/>
Idealismus nun mit einem sehr stark ausgeprägten Realismus zusammenfand,<lb/>
ist das eigentümlichste an der ganzen Persönlichkeit gewesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_559"> Zunächst waren seine Ziele niemals vage, sondern immer fest umschrieben;<lb/>
allerdings lagen sie auch nicht auf rein geistigem Gebiet. Wenn man es bald<lb/>
nach seinem Tode aussprechen hörte, daß im preußischen Kultusministerium<lb/>
vielleicht seit Wilhelm vou Humboldt keine so bedeutend angelegte und ein¬<lb/>
flußreiche Persönlichkeit zu finden gewesen sei, so liegt denn doch die Geistesart<lb/>
und Betütigungsweise dieses Modernen von jenem großen Vertreter des<lb/>
Humanitätsideals himmelweit ab. Die großen Ziele und die große» Leistungen<lb/>
Althoffs waren zumeist: Begründung und Neuorganisation bedeutender und<lb/>
kostspieliger wissenschaftlicher Institute oder Unternehmungen, Beschaffung<lb/>
großer Geldmittel für deren vollkommnere Ausgestaltung und Ausstattung,<lb/>
Hebung der höchsten Bildungsanstalten durch zum Teil gewaltige Erhöhung<lb/>
ihres Haushalts, Durchsetzung günstigerer Besoldungsnormen für ganze Kate¬<lb/>
gorien von Beamten, weitgreifende Neuregulierung großer Gebiete und ähn¬<lb/>
liches, was alles mit sehr bestimmten Ziffern und Aufzählungen belegt werden<lb/>
könnte. Sicher wäre es sehr unrecht, das Maß von Begeisterung zu unter¬<lb/>
schätzen, das den Mann erfüllen mußte, um ihm unter den größten entgegen¬<lb/>
stehenden Hemmnissen die Ausdauer zur endgiltigen Verfolgung solcher Ziele<lb/>
einzuflößen, und das Verdienst des Erreichten ist um so unzweifelhafter, weil<lb/>
es eben konkrete Ziele waren. Aber ohne zugleich in einem eminenten Grade<lb/>
Realist zu sein, konnte er dergleichen nicht verwirklichen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_560" next="#ID_561"> Vielleicht ist es am richtigsten, in den Vordergrund seiner Charakteristik<lb/>
noch etwas andres zu stellen als Enthusiasmus, Idealismus, Realismus:<lb/>
nämlich die Aktivität, das ihn immer ganz erfüllende Bedürfnis der Betätigung,<lb/>
und zwar der Betätigung seiner ganz persönlichen Kräfte, also durchaus<lb/>
niemals auf Wegen der bloßen Routine (was noch gar keine Aktivität in<lb/>
Höheren Sinne heißen könnte), sondern so daß neue Zielsetzung immer mit neuer<lb/>
Bemühung zusammenkam. Freilich, dieses Aktivitütsbedürfnis befriedigte sich<lb/>
»icht durch Betätigung bloß seiner eignen Kraft, namentlich nicht seiner bloßen<lb/>
Arbeitskraft, die an sich ungeheuer war (wie er denn zwischen zwei möglichst<lb/>
massiven Mahlzeiten, einer am Morgen und einer andern am Abend, vielleicht<lb/>
erst spät am Abend, regelmüßig einen vollen Arbeitstag hinzubringen pflegte<lb/>
und kaum begriff, wie andre zwischendurch auch einmal die Arbeit unterbrechen<lb/>
könnten, um eine Mahlzeit einzunehmen). Er hatte vielmehr immer das Be¬<lb/>
dürfnis, seine eignen Organe gewissermaßen zu vervielfältigen, alle erreichbaren<lb/>
und irgendwie willig zu machenden Kräfte zur Mitarbeit an den von ihm ge¬<lb/>
wühlten Aufgaben heranzuziehen, und in, Puukt des Willigmachens leistete er</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor und vielseitig erwogen, oft zur Verzweiflung seiner Mitarbeiter. Und wie eine nahe Verwandtschaft zu bestehn scheint zwischen dem Enthusiasten und dem Idealisten, so konnte man bei näherer Kenntnis wirklich nicht umhin, Althoff auch als Idealisten durchaus anzuerkennen. Doch die Art, wie sich sein Idealismus nun mit einem sehr stark ausgeprägten Realismus zusammenfand, ist das eigentümlichste an der ganzen Persönlichkeit gewesen. Zunächst waren seine Ziele niemals vage, sondern immer fest umschrieben; allerdings lagen sie auch nicht auf rein geistigem Gebiet. Wenn man es bald nach seinem Tode aussprechen hörte, daß im preußischen Kultusministerium vielleicht seit Wilhelm vou Humboldt keine so bedeutend angelegte und ein¬ flußreiche Persönlichkeit zu finden gewesen sei, so liegt denn doch die Geistesart und Betütigungsweise dieses Modernen von jenem großen Vertreter des Humanitätsideals himmelweit ab. Die großen Ziele und die große» Leistungen Althoffs waren zumeist: Begründung und Neuorganisation bedeutender und kostspieliger wissenschaftlicher Institute oder Unternehmungen, Beschaffung großer Geldmittel für deren vollkommnere Ausgestaltung und Ausstattung, Hebung der höchsten Bildungsanstalten durch zum Teil gewaltige Erhöhung ihres Haushalts, Durchsetzung günstigerer Besoldungsnormen für ganze Kate¬ gorien von Beamten, weitgreifende Neuregulierung großer Gebiete und ähn¬ liches, was alles mit sehr bestimmten Ziffern und Aufzählungen belegt werden könnte. Sicher wäre es sehr unrecht, das Maß von Begeisterung zu unter¬ schätzen, das den Mann erfüllen mußte, um ihm unter den größten entgegen¬ stehenden Hemmnissen die Ausdauer zur endgiltigen Verfolgung solcher Ziele einzuflößen, und das Verdienst des Erreichten ist um so unzweifelhafter, weil es eben konkrete Ziele waren. Aber ohne zugleich in einem eminenten Grade Realist zu sein, konnte er dergleichen nicht verwirklichen. Vielleicht ist es am richtigsten, in den Vordergrund seiner Charakteristik noch etwas andres zu stellen als Enthusiasmus, Idealismus, Realismus: nämlich die Aktivität, das ihn immer ganz erfüllende Bedürfnis der Betätigung, und zwar der Betätigung seiner ganz persönlichen Kräfte, also durchaus niemals auf Wegen der bloßen Routine (was noch gar keine Aktivität in Höheren Sinne heißen könnte), sondern so daß neue Zielsetzung immer mit neuer Bemühung zusammenkam. Freilich, dieses Aktivitütsbedürfnis befriedigte sich »icht durch Betätigung bloß seiner eignen Kraft, namentlich nicht seiner bloßen Arbeitskraft, die an sich ungeheuer war (wie er denn zwischen zwei möglichst massiven Mahlzeiten, einer am Morgen und einer andern am Abend, vielleicht erst spät am Abend, regelmüßig einen vollen Arbeitstag hinzubringen pflegte und kaum begriff, wie andre zwischendurch auch einmal die Arbeit unterbrechen könnten, um eine Mahlzeit einzunehmen). Er hatte vielmehr immer das Be¬ dürfnis, seine eignen Organe gewissermaßen zu vervielfältigen, alle erreichbaren und irgendwie willig zu machenden Kräfte zur Mitarbeit an den von ihm ge¬ wühlten Aufgaben heranzuziehen, und in, Puukt des Willigmachens leistete er

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/111
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/111>, abgerufen am 24.07.2024.