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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor

Großes. Er wußte das ganze Gewicht seiner Person, gewissermaßen auch
seiner körperlichen Person, immer wieder denen aufzuerlegen, von denen er
Dienstleistungen verlangte. Man mochte noch so viel Unlust mitbringen, seinen
Wünschen zu entsprechen, er erlangte doch immer wieder die Zusage. Er
konnte sein Anliegen ohne künstliche Beredsamkeit doch äußerst eindringlich
machen, und sein Hauptmittel war offenbar, daß er selbst von der Wichtigkeit
überzeugt war.

Aber es gibt eben Herrennatnren, die andre in den Bann ihres Willens
zwingen. Und dieses Vermögen bewies er nicht bloß, wenn es galt, Mit¬
arbeiter zu werben, sondern mich materielle Förderer. Sehr beträchtliche, ja
mitunter erstaunlich hohe Geldspenden verlangte und erlangte er für seine guten
Zwecke: er forderte sie eben von Wohlhabenden so bestimmt und überzeugend,
daß er siegte. Übrigens hat er auch beim preußischen Finanzminister für die
Bedürfnisse seines Gebiets Erhöhungen der vorher üblichen Ansätze erzielt,
die wohl ohne Beispiel waren. Die Geldfragen schienen ihm während der
längsten Zeit seiner Amtsführung gar keine ernstlichen Sorgen zu machen: er
lachte dann über die Bedenken, die andre aussprachen. Durch die persönliche
Eindringlichkeit seines Ansuchens hat er auch von den verschiedensten politischen
Parteien die Zustimmung zu Ncgieruugsplänen erlangt, die durch die schönste
schriftliche oder rhetorische Darlegung von Gründen und Gesichtspunkten nicht
zu erreichen gewesen wäre. Er erschien, wie ganz zufällig, im Kreise etwa
der Landtagsabgeordneten einer Partei, während diese beim Essen saßen, ließ
sich ein Gedeck geben und setzte sich nebenan, um nach einiger Zeit die ganze
Gesellschaft durch originelle Reden gefesselt und nach einer weitern Zeit sie in
weinseliger Stimmung für seinen Plan gewonnen zu haben. Vor allem aber
wußte er außer den immerhin zahlreichen Beamten seines Ressorts eine Menge
andrer Kräfte in Dienst zu nehmen, solche, die sich nur irgendwie in einer
gewissen Abhängigkeit von ihm fühlen mochten, ihm Dank schuldig waren,
oder auch deren Sinn er durch pure Höflichkeit willig machte; es gab da um ihn
eine Art von Freigelassenen, die eben nicht seine Knechte waren, aber sich doch
aus einem Verhältnis der Unterordnung nicht herauswinden konnten; es gab
in seiner Ministerialabteilung neben den Räten und Hilfsarbeitern immer noch
manche Personen in der Eigenschaft von Arbeitshilfen, und beständig dirigierte
er und spornte an.

Er war Bureaukrat in einem ganz besonders vollen Sinn und doch zu¬
gleich so weit als möglich vom Typus des Bureaukraten entfernt; denn er
herrschte und bestimmte nicht durch seine Amtsautorität und nicht nach irgend¬
welchen fertigen Normen, er informierte sich in jedem Fall durch persönliches
Benehmen mit denen, die er für die Bestinformierten halten mußte, und zahlreich
flogen die Telegramme ins Land hinaus, durch die er solche Sachkundige zu
sich bat, abgesehn davon, daß er selbst viel reiste, nicht bloß um sich an Ort
und Stelle ein zuverlässiges Urteil über Verhältnisse und Bedürfnisse zu bilden,


Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor

Großes. Er wußte das ganze Gewicht seiner Person, gewissermaßen auch
seiner körperlichen Person, immer wieder denen aufzuerlegen, von denen er
Dienstleistungen verlangte. Man mochte noch so viel Unlust mitbringen, seinen
Wünschen zu entsprechen, er erlangte doch immer wieder die Zusage. Er
konnte sein Anliegen ohne künstliche Beredsamkeit doch äußerst eindringlich
machen, und sein Hauptmittel war offenbar, daß er selbst von der Wichtigkeit
überzeugt war.

Aber es gibt eben Herrennatnren, die andre in den Bann ihres Willens
zwingen. Und dieses Vermögen bewies er nicht bloß, wenn es galt, Mit¬
arbeiter zu werben, sondern mich materielle Förderer. Sehr beträchtliche, ja
mitunter erstaunlich hohe Geldspenden verlangte und erlangte er für seine guten
Zwecke: er forderte sie eben von Wohlhabenden so bestimmt und überzeugend,
daß er siegte. Übrigens hat er auch beim preußischen Finanzminister für die
Bedürfnisse seines Gebiets Erhöhungen der vorher üblichen Ansätze erzielt,
die wohl ohne Beispiel waren. Die Geldfragen schienen ihm während der
längsten Zeit seiner Amtsführung gar keine ernstlichen Sorgen zu machen: er
lachte dann über die Bedenken, die andre aussprachen. Durch die persönliche
Eindringlichkeit seines Ansuchens hat er auch von den verschiedensten politischen
Parteien die Zustimmung zu Ncgieruugsplänen erlangt, die durch die schönste
schriftliche oder rhetorische Darlegung von Gründen und Gesichtspunkten nicht
zu erreichen gewesen wäre. Er erschien, wie ganz zufällig, im Kreise etwa
der Landtagsabgeordneten einer Partei, während diese beim Essen saßen, ließ
sich ein Gedeck geben und setzte sich nebenan, um nach einiger Zeit die ganze
Gesellschaft durch originelle Reden gefesselt und nach einer weitern Zeit sie in
weinseliger Stimmung für seinen Plan gewonnen zu haben. Vor allem aber
wußte er außer den immerhin zahlreichen Beamten seines Ressorts eine Menge
andrer Kräfte in Dienst zu nehmen, solche, die sich nur irgendwie in einer
gewissen Abhängigkeit von ihm fühlen mochten, ihm Dank schuldig waren,
oder auch deren Sinn er durch pure Höflichkeit willig machte; es gab da um ihn
eine Art von Freigelassenen, die eben nicht seine Knechte waren, aber sich doch
aus einem Verhältnis der Unterordnung nicht herauswinden konnten; es gab
in seiner Ministerialabteilung neben den Räten und Hilfsarbeitern immer noch
manche Personen in der Eigenschaft von Arbeitshilfen, und beständig dirigierte
er und spornte an.

Er war Bureaukrat in einem ganz besonders vollen Sinn und doch zu¬
gleich so weit als möglich vom Typus des Bureaukraten entfernt; denn er
herrschte und bestimmte nicht durch seine Amtsautorität und nicht nach irgend¬
welchen fertigen Normen, er informierte sich in jedem Fall durch persönliches
Benehmen mit denen, die er für die Bestinformierten halten mußte, und zahlreich
flogen die Telegramme ins Land hinaus, durch die er solche Sachkundige zu
sich bat, abgesehn davon, daß er selbst viel reiste, nicht bloß um sich an Ort
und Stelle ein zuverlässiges Urteil über Verhältnisse und Bedürfnisse zu bilden,


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[0112] Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor Großes. Er wußte das ganze Gewicht seiner Person, gewissermaßen auch seiner körperlichen Person, immer wieder denen aufzuerlegen, von denen er Dienstleistungen verlangte. Man mochte noch so viel Unlust mitbringen, seinen Wünschen zu entsprechen, er erlangte doch immer wieder die Zusage. Er konnte sein Anliegen ohne künstliche Beredsamkeit doch äußerst eindringlich machen, und sein Hauptmittel war offenbar, daß er selbst von der Wichtigkeit überzeugt war. Aber es gibt eben Herrennatnren, die andre in den Bann ihres Willens zwingen. Und dieses Vermögen bewies er nicht bloß, wenn es galt, Mit¬ arbeiter zu werben, sondern mich materielle Förderer. Sehr beträchtliche, ja mitunter erstaunlich hohe Geldspenden verlangte und erlangte er für seine guten Zwecke: er forderte sie eben von Wohlhabenden so bestimmt und überzeugend, daß er siegte. Übrigens hat er auch beim preußischen Finanzminister für die Bedürfnisse seines Gebiets Erhöhungen der vorher üblichen Ansätze erzielt, die wohl ohne Beispiel waren. Die Geldfragen schienen ihm während der längsten Zeit seiner Amtsführung gar keine ernstlichen Sorgen zu machen: er lachte dann über die Bedenken, die andre aussprachen. Durch die persönliche Eindringlichkeit seines Ansuchens hat er auch von den verschiedensten politischen Parteien die Zustimmung zu Ncgieruugsplänen erlangt, die durch die schönste schriftliche oder rhetorische Darlegung von Gründen und Gesichtspunkten nicht zu erreichen gewesen wäre. Er erschien, wie ganz zufällig, im Kreise etwa der Landtagsabgeordneten einer Partei, während diese beim Essen saßen, ließ sich ein Gedeck geben und setzte sich nebenan, um nach einiger Zeit die ganze Gesellschaft durch originelle Reden gefesselt und nach einer weitern Zeit sie in weinseliger Stimmung für seinen Plan gewonnen zu haben. Vor allem aber wußte er außer den immerhin zahlreichen Beamten seines Ressorts eine Menge andrer Kräfte in Dienst zu nehmen, solche, die sich nur irgendwie in einer gewissen Abhängigkeit von ihm fühlen mochten, ihm Dank schuldig waren, oder auch deren Sinn er durch pure Höflichkeit willig machte; es gab da um ihn eine Art von Freigelassenen, die eben nicht seine Knechte waren, aber sich doch aus einem Verhältnis der Unterordnung nicht herauswinden konnten; es gab in seiner Ministerialabteilung neben den Räten und Hilfsarbeitern immer noch manche Personen in der Eigenschaft von Arbeitshilfen, und beständig dirigierte er und spornte an. Er war Bureaukrat in einem ganz besonders vollen Sinn und doch zu¬ gleich so weit als möglich vom Typus des Bureaukraten entfernt; denn er herrschte und bestimmte nicht durch seine Amtsautorität und nicht nach irgend¬ welchen fertigen Normen, er informierte sich in jedem Fall durch persönliches Benehmen mit denen, die er für die Bestinformierten halten mußte, und zahlreich flogen die Telegramme ins Land hinaus, durch die er solche Sachkundige zu sich bat, abgesehn davon, daß er selbst viel reiste, nicht bloß um sich an Ort und Stelle ein zuverlässiges Urteil über Verhältnisse und Bedürfnisse zu bilden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/112>, abgerufen am 24.07.2024.