Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Ver rote Hahn Was gibt es, Vater? Nichts, nichts, sagte der Bürgermeister abwehrend. Jnger trat näher, sie starrte abwechselnd auf den Vater und den Bürgermeister. Jnger wandte sich blitzschnell um und verschwand hinter der Hecke. Mutter! rief sie. Satan auch! fluchte der Bürgermeister. Dann winkte er Frederiksen zu sich heran. Der Kommissar kam die Treppe hinab, sehr höflich wie immer. Der graue Der Bürgermeister flüsterte: Frederiksen, Sie müssen nach Hause fahren; das Der Kommissar zuckte die Achseln. Ich habe die ausdrückliche Order, mich von Der Bürgermeister biß die Zähne zusammen. Vom Garten her kam nun die Frau Hilmer mit den Damen und ganz voran Der Hofjägermeister lief schleunigst auf seine Gnädige zu, die in einem Ab¬ Was gibts, Hilmer? fragte die Hausfrau. Sie stand jetzt neben dem Gutsbesitzer. Ach, weiter nichts, als die unglaubliche Unverschämtheit des Assessors. Er ver¬ Dann wandte sich Hilmer zu Frederiksen: Hören Sie, Herr -- wie Sie nun Der Bürgermeister trat zu Hilmer: Na na, ruhig, lieber Freund, das ist eine Was ist denn? fragte Hilmer, der noch nicht begriff. Assessor Richter will Sie verhaften lassen. Was sagen Sie! rief Hilmer außer sich. Mich! Wagt der Kerl Hand an Phe, pst! machte der Bürgermeister. Alle scharten sich um sie -- nur der Hofjägermeister und die Gnädige zogen Um Gottes willen, Bürgermeister, bat Frau Hilmer, Sie müssen es verhindern. Jnger hängte sich an den Arm des Bürgermeisters und flehte: Lieber Bürger¬ Seydewitz schwenkte auf dem Absatz herum und ging auf Hilmer zu. Herr Gutsbesitzer, sagte er, seien Sie nur ruhig, dies ist zu gemein. Der Ver rote Hahn Was gibt es, Vater? Nichts, nichts, sagte der Bürgermeister abwehrend. Jnger trat näher, sie starrte abwechselnd auf den Vater und den Bürgermeister. Jnger wandte sich blitzschnell um und verschwand hinter der Hecke. Mutter! rief sie. Satan auch! fluchte der Bürgermeister. Dann winkte er Frederiksen zu sich heran. Der Kommissar kam die Treppe hinab, sehr höflich wie immer. Der graue Der Bürgermeister flüsterte: Frederiksen, Sie müssen nach Hause fahren; das Der Kommissar zuckte die Achseln. Ich habe die ausdrückliche Order, mich von Der Bürgermeister biß die Zähne zusammen. Vom Garten her kam nun die Frau Hilmer mit den Damen und ganz voran Der Hofjägermeister lief schleunigst auf seine Gnädige zu, die in einem Ab¬ Was gibts, Hilmer? fragte die Hausfrau. Sie stand jetzt neben dem Gutsbesitzer. Ach, weiter nichts, als die unglaubliche Unverschämtheit des Assessors. Er ver¬ Dann wandte sich Hilmer zu Frederiksen: Hören Sie, Herr — wie Sie nun Der Bürgermeister trat zu Hilmer: Na na, ruhig, lieber Freund, das ist eine Was ist denn? fragte Hilmer, der noch nicht begriff. Assessor Richter will Sie verhaften lassen. Was sagen Sie! rief Hilmer außer sich. Mich! Wagt der Kerl Hand an Phe, pst! machte der Bürgermeister. Alle scharten sich um sie — nur der Hofjägermeister und die Gnädige zogen Um Gottes willen, Bürgermeister, bat Frau Hilmer, Sie müssen es verhindern. Jnger hängte sich an den Arm des Bürgermeisters und flehte: Lieber Bürger¬ Seydewitz schwenkte auf dem Absatz herum und ging auf Hilmer zu. Herr Gutsbesitzer, sagte er, seien Sie nur ruhig, dies ist zu gemein. 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Er verneigte sich tief vor dem Bürgermeister.</p><lb/> <p xml:id="ID_3186"> Der Bürgermeister flüsterte: Frederiksen, Sie müssen nach Hause fahren; das<lb/> geht hier nicht so. Grüßen Sie Ihren Assessor und sagen Sie, ich stünde für Hilmer<lb/> ein. Verstehn Sie, verstehn Sie — ich persönlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_3187"> Der Kommissar zuckte die Achseln. Ich habe die ausdrückliche Order, mich von<lb/> den Wünschen des Herrn Bürgermeisters nicht zurückhalten zu lassen. 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Ver rote Hahn
Was gibt es, Vater?
Nichts, nichts, sagte der Bürgermeister abwehrend.
Jnger trat näher, sie starrte abwechselnd auf den Vater und den Bürgermeister.
Oben auf der Veranda stand höflich lächelnd der Kriminalbeamte Frederiksen.
Jnger wandte sich blitzschnell um und verschwand hinter der Hecke.
Mutter! rief sie.
Satan auch! fluchte der Bürgermeister. Dann winkte er Frederiksen zu sich heran.
Der Kommissar kam die Treppe hinab, sehr höflich wie immer. Der graue
Knebelbart war zu der Gelegenheit gewichst, und die Sonne spielte in dem gold¬
umränderten Kneifer. Er verneigte sich tief vor dem Bürgermeister.
Der Bürgermeister flüsterte: Frederiksen, Sie müssen nach Hause fahren; das
geht hier nicht so. Grüßen Sie Ihren Assessor und sagen Sie, ich stünde für Hilmer
ein. Verstehn Sie, verstehn Sie — ich persönlich.
Der Kommissar zuckte die Achseln. Ich habe die ausdrückliche Order, mich von
den Wünschen des Herrn Bürgermeisters nicht zurückhalten zu lassen. Der Assessor
sagte, er habe mit dem Herrn Bürgermeister über die Sache gesprochen, und der
Schritt, den er vornehmen wolle, könne dem Herrn Bürgermeister nicht überraschend
kommen.
Der Bürgermeister biß die Zähne zusammen.
Vom Garten her kam nun die Frau Hilmer mit den Damen und ganz voran
Jnger, die zu ihrem Vater eilte.
Der Hofjägermeister lief schleunigst auf seine Gnädige zu, die in einem Ab¬
stände stehen geblieben war und die Szene durch ihr Lorgnon betrachtete.
Was gibts, Hilmer? fragte die Hausfrau. Sie stand jetzt neben dem Gutsbesitzer.
Ach, weiter nichts, als die unglaubliche Unverschämtheit des Assessors. Er ver¬
langt, daß ich jetzt für ihn bereit stehe.
Dann wandte sich Hilmer zu Frederiksen: Hören Sie, Herr — wie Sie nun
heißen —, Sie müssen den Herrn Assessor grüßen und sagen, daß ich mir das nicht
bieten lasse.
Der Bürgermeister trat zu Hilmer: Na na, ruhig, lieber Freund, das ist eine
ganz tolle Geschichte, flüsterte er. Sehen Sie, daß Sie die Gäste fortbugsieren.
Das ist eine ganz tolle Geschichte.
Was ist denn? fragte Hilmer, der noch nicht begriff.
Assessor Richter will Sie verhaften lassen.
Was sagen Sie! rief Hilmer außer sich. Mich! Wagt der Kerl Hand an
mich zu legen!
Phe, pst! machte der Bürgermeister.
Alle scharten sich um sie — nur der Hofjägermeister und die Gnädige zogen
sich langsam in den Garten zurück. Emilie stand mit offnem Munde und starrte
die Herren an.
Um Gottes willen, Bürgermeister, bat Frau Hilmer, Sie müssen es verhindern.
Hilmer tut dem Beamten etwas an. Sie sind ja doch unser Polizeimeister, und
der andre kann doch nicht über Ihren Kopf weg etwas zu sagen haben.
Jnger hängte sich an den Arm des Bürgermeisters und flehte: Lieber Bürger¬
meister, sagen Sie ihm, daß er gehen soll.
Seydewitz schwenkte auf dem Absatz herum und ging auf Hilmer zu.
Herr Gutsbesitzer, sagte er, seien Sie nur ruhig, dies ist zu gemein. Der
Assessor hat Sie im Verdacht, das hätten wir Ihnen vielleicht schon sagen müssen.
Nun wissen Sie es. Aber den ooux as main, den er hier geplant hat, der läßt
sich nicht ausführen. Wenn die Damen bloß die Güte haben wollten, zu gehen.
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