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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Ale militärische 6age in Marokko

oder Schneider und mehrere Maschinengewehre. Die Bespannungen werden im
Bedarfsfalle erst requiriert.

Die Ausbildung ist sehr begrenzt. Im Kriege kennt man nur Massen, bei
denen von einer Taktik nicht gesprochen werden kann. Alle Anstrengungen der
fremdländischen Jiistruktvreu, eine halbwegs tüchtige Infanterie zu schaffen,
bliebe" erfolglos, da der Marokkaner für den Kampf zu Pferd geboren und
zu Fuß nichts wert ist.

In ernsten Fällen kann die Regierung den Nuaib einberufen, eine Art
Massenaufgebot, entweder für alle Tribus oder bloß für einen Teil. Der
Nuaib des Blad el magzen wird auf 25000 Mann geschätzt und würde mit
dem Nuaib des Blad el Sida 100000 Mann übersteigen. Endlich sind noch
der Meschuar und der Mesakrim zu erwähnen. Der erste, 500 Mann stark,
wird von allen Tribus gestellt und besteht aus Ordonnanzen und Kurieren des
Sultans, während der Mesakrim eine Leibwache zu Pferde ist und vom Kriegs¬
minister befehligt wird. Im ganzen können sonach die marokkanischen Streit¬
kräfte wie folgt bemessen werden:

Meschuar und Mesakrim......... 3500 Mann

Mukaznia.............. 16500 bis 18 S00 "

100020000
2000
2S000100000Nuaib
zusammen 66000 bis 144000 Mann

Über die Art der Kriegführung in Marokko schreibt Hauptmann Marietti
folgendes: Von den ersten Feldzügen in Algier an wandten die Franzosen in
Feindesnähe das Karree als Marschform an. Die Seiten waren von Infanterie
oder Kavallerie gebildet, und im Innern befanden sich die Artillerie und der
Train. Da diese Formation jedoch bloß in der Ebene zu brauchen ist, die
Truppen ermüdet und Direktionsveränderungen erschwert, ferner weil die
Marokkaner heute weit besser bewaffnet, ja sogar mit Artillerie ausgerüstet sind,
mußte eine andre Taktik eingeschlagen werden. So wurde für die Ebene das
gemischte Karree vorgeschrieben. Die Infanterie marschiert in zwei Parallcl-
kolonnen mit einem dem Terrain stellenweise angepaßten Zwischenraum, da¬
zwischen die Artillerie und der Train. Den Anfang und das Ende der Infanterie¬
kolonnen bilden Kavallerie, die so marschiert, daß sie erforderlichenfalls die beiden
andern Seiten des Karrees formieren. Kavalleriepatrouillen sichern Front und
Flanke des Karrees.

Im Gebirgsterrain wird die Marschkolonne angewandt. Die Artillerie
und der Train sind in der Mitte der Infanteriekolonne untergebracht, Kavallerie¬
abteilungen werden vorgeschoben, in die Flanken entsandt und bilden die
Nachhut, und kleine Jnfanterieabteilungcn sichern unmittelbar die Flanken,
indem sie parallel zur Hauptkolonne marschieren. Sobald der Gegner gesichtet


Ale militärische 6age in Marokko

oder Schneider und mehrere Maschinengewehre. Die Bespannungen werden im
Bedarfsfalle erst requiriert.

Die Ausbildung ist sehr begrenzt. Im Kriege kennt man nur Massen, bei
denen von einer Taktik nicht gesprochen werden kann. Alle Anstrengungen der
fremdländischen Jiistruktvreu, eine halbwegs tüchtige Infanterie zu schaffen,
bliebe» erfolglos, da der Marokkaner für den Kampf zu Pferd geboren und
zu Fuß nichts wert ist.

In ernsten Fällen kann die Regierung den Nuaib einberufen, eine Art
Massenaufgebot, entweder für alle Tribus oder bloß für einen Teil. Der
Nuaib des Blad el magzen wird auf 25000 Mann geschätzt und würde mit
dem Nuaib des Blad el Sida 100000 Mann übersteigen. Endlich sind noch
der Meschuar und der Mesakrim zu erwähnen. Der erste, 500 Mann stark,
wird von allen Tribus gestellt und besteht aus Ordonnanzen und Kurieren des
Sultans, während der Mesakrim eine Leibwache zu Pferde ist und vom Kriegs¬
minister befehligt wird. Im ganzen können sonach die marokkanischen Streit¬
kräfte wie folgt bemessen werden:

Meschuar und Mesakrim......... 3500 Mann

Mukaznia.............. 16500 bis 18 S00 „

100020000
2000
2S000100000Nuaib
zusammen 66000 bis 144000 Mann

Über die Art der Kriegführung in Marokko schreibt Hauptmann Marietti
folgendes: Von den ersten Feldzügen in Algier an wandten die Franzosen in
Feindesnähe das Karree als Marschform an. Die Seiten waren von Infanterie
oder Kavallerie gebildet, und im Innern befanden sich die Artillerie und der
Train. Da diese Formation jedoch bloß in der Ebene zu brauchen ist, die
Truppen ermüdet und Direktionsveränderungen erschwert, ferner weil die
Marokkaner heute weit besser bewaffnet, ja sogar mit Artillerie ausgerüstet sind,
mußte eine andre Taktik eingeschlagen werden. So wurde für die Ebene das
gemischte Karree vorgeschrieben. Die Infanterie marschiert in zwei Parallcl-
kolonnen mit einem dem Terrain stellenweise angepaßten Zwischenraum, da¬
zwischen die Artillerie und der Train. Den Anfang und das Ende der Infanterie¬
kolonnen bilden Kavallerie, die so marschiert, daß sie erforderlichenfalls die beiden
andern Seiten des Karrees formieren. Kavalleriepatrouillen sichern Front und
Flanke des Karrees.

Im Gebirgsterrain wird die Marschkolonne angewandt. Die Artillerie
und der Train sind in der Mitte der Infanteriekolonne untergebracht, Kavallerie¬
abteilungen werden vorgeschoben, in die Flanken entsandt und bilden die
Nachhut, und kleine Jnfanterieabteilungcn sichern unmittelbar die Flanken,
indem sie parallel zur Hauptkolonne marschieren. Sobald der Gegner gesichtet


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[0597] Ale militärische 6age in Marokko oder Schneider und mehrere Maschinengewehre. Die Bespannungen werden im Bedarfsfalle erst requiriert. Die Ausbildung ist sehr begrenzt. Im Kriege kennt man nur Massen, bei denen von einer Taktik nicht gesprochen werden kann. Alle Anstrengungen der fremdländischen Jiistruktvreu, eine halbwegs tüchtige Infanterie zu schaffen, bliebe» erfolglos, da der Marokkaner für den Kampf zu Pferd geboren und zu Fuß nichts wert ist. In ernsten Fällen kann die Regierung den Nuaib einberufen, eine Art Massenaufgebot, entweder für alle Tribus oder bloß für einen Teil. Der Nuaib des Blad el magzen wird auf 25000 Mann geschätzt und würde mit dem Nuaib des Blad el Sida 100000 Mann übersteigen. Endlich sind noch der Meschuar und der Mesakrim zu erwähnen. Der erste, 500 Mann stark, wird von allen Tribus gestellt und besteht aus Ordonnanzen und Kurieren des Sultans, während der Mesakrim eine Leibwache zu Pferde ist und vom Kriegs¬ minister befehligt wird. Im ganzen können sonach die marokkanischen Streit¬ kräfte wie folgt bemessen werden: Meschuar und Mesakrim......... 3500 Mann Mukaznia.............. 16500 bis 18 S00 „ 100020000 2000 2S000100000Nuaib zusammen 66000 bis 144000 Mann Über die Art der Kriegführung in Marokko schreibt Hauptmann Marietti folgendes: Von den ersten Feldzügen in Algier an wandten die Franzosen in Feindesnähe das Karree als Marschform an. Die Seiten waren von Infanterie oder Kavallerie gebildet, und im Innern befanden sich die Artillerie und der Train. Da diese Formation jedoch bloß in der Ebene zu brauchen ist, die Truppen ermüdet und Direktionsveränderungen erschwert, ferner weil die Marokkaner heute weit besser bewaffnet, ja sogar mit Artillerie ausgerüstet sind, mußte eine andre Taktik eingeschlagen werden. So wurde für die Ebene das gemischte Karree vorgeschrieben. Die Infanterie marschiert in zwei Parallcl- kolonnen mit einem dem Terrain stellenweise angepaßten Zwischenraum, da¬ zwischen die Artillerie und der Train. Den Anfang und das Ende der Infanterie¬ kolonnen bilden Kavallerie, die so marschiert, daß sie erforderlichenfalls die beiden andern Seiten des Karrees formieren. Kavalleriepatrouillen sichern Front und Flanke des Karrees. Im Gebirgsterrain wird die Marschkolonne angewandt. Die Artillerie und der Train sind in der Mitte der Infanteriekolonne untergebracht, Kavallerie¬ abteilungen werden vorgeschoben, in die Flanken entsandt und bilden die Nachhut, und kleine Jnfanterieabteilungcn sichern unmittelbar die Flanken, indem sie parallel zur Hauptkolonne marschieren. Sobald der Gegner gesichtet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/597>, abgerufen am 23.07.2024.