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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Vie militärische tage in Marokko

stärke der Mukaznia kann nach Oberst Hübner auf 35 Rehas oder 17 500 Mann
geschätzt werden.

Alle Tribus, die nicht den Magzen unterstehn, und jene Tribusmagzen,
die keine Soldaten der Mukaznia liefern, bilden das stehende Heer. Jeder Tribu
muß eine bestimmte Anzahl Rekruten stellen, dann erst ist der Loskauf gestattet.
Die Rekruten dürfen nicht älter als sechzehn Jahre sein, doch werden auch
sechzigjährige Männer genommen. Da aber ein großer Teil der Nicht-Magzen-
Tribus gar nicht oder bloß zwangsweise gehorcht, so ist die Aushebung natürlich
sehr ungleich.

Die Rekruten werden bei der Infanterie, Kavallerie und Fußartillerie
eingestellt, dagegen kommt zur Feldartillerie nur Mannschaft der Mukaznia.
Jeder Tribu formiert einen Tabor mit der in der Wirklichkeit sehr wechselnden
Vollstärke von 500 Mann, der ebenfalls in fünf Mukaznia zerfällt. Mehrere
Tabor zusammengenommen heißen eine Mehalla. Der Sultan übernimmt den
Oberbefehl über die Truppen, die dann Harka heißen, nur in ernsten Fülle",
so zum Beispiel wenn der heilige Krieg erklärt ist; sonst wird der Kriegsminister
damit betraut, der seinerseits wieder einen Kalifen als Kalb et mehalla
designieren kann.

Die Offiziere werden bestimmten Familien entnommen, die Erbrechte
genießen, oder von Scherifs, die die Negierung auszeichnen will. Sie leben
gemeinsam mit der Mannschaft und sind daher nicht Vorgesetzte im europäischen
Sinne, weder vom Standpunkt der Bildung noch des Benehmens. Etwas
besser sind die Offiziere des Mukaznia, aber auch uur deshalb, weil sie stets
unter Waffen sind.

Die Disziplin ist natürlich anch eigentümlich, doch kommen grobe Aus¬
schreitungen selten vor. Desertionen sind sehr häufig, werden aber nicht bestraft.
Der Marokkaner betrachtet den Militärdienst als Geschäft; wird er bezahlt, so
gehorcht und dient er; entgegengesetztenfalls aber, wenn er mit seinem Vor¬
gesetzten unzufrieden ist, geht er durch.

Die Mannschaft der Mukaznia trägt den Kaftan, eine Art Hemd, weiß,
rot oder blau, mit langen Ärmeln und bis an die Knie reichend, darüber die
Barakia, die, über der Brust verschnürt, den Kaftan sichtbar läßt, und darüber
endlich den Burnus mit Kapuze. An den Füßen stecken Pantoffeln aus Fell,
am Kopf sitzt der Fez. Der Dolch (Knmia) und der Säbel (Sif) werden so
wie das Gewehr im Bandelier getragen. Die Mannschaft des stehenden Heeres
hat eine ähnliche Uniform wie die französischen Zuaven, das ist: rote Jacke,
weite blaue Hosen, gelbe Strümpfe und rotbraune Schnürschuhe, als Kopf¬
bedeckung den Tarbusk der Zuaven. Die Leute haben ferner zwei Patronen¬
gürtel ans weißem Leder und ein Bajonett mit Metallscheide; ihre Bewaffnung
besteht aus Gewehren aller möglichen Systeme, hauptsächlich aber Henry Martini.
Die Festungsartillerie hat gleichfalls Geschütze aller Art und in schlechtem
Zustande, dagegen verfügt die Feldartillerie über ungefähr zehn Batterien Krupp


Vie militärische tage in Marokko

stärke der Mukaznia kann nach Oberst Hübner auf 35 Rehas oder 17 500 Mann
geschätzt werden.

Alle Tribus, die nicht den Magzen unterstehn, und jene Tribusmagzen,
die keine Soldaten der Mukaznia liefern, bilden das stehende Heer. Jeder Tribu
muß eine bestimmte Anzahl Rekruten stellen, dann erst ist der Loskauf gestattet.
Die Rekruten dürfen nicht älter als sechzehn Jahre sein, doch werden auch
sechzigjährige Männer genommen. Da aber ein großer Teil der Nicht-Magzen-
Tribus gar nicht oder bloß zwangsweise gehorcht, so ist die Aushebung natürlich
sehr ungleich.

Die Rekruten werden bei der Infanterie, Kavallerie und Fußartillerie
eingestellt, dagegen kommt zur Feldartillerie nur Mannschaft der Mukaznia.
Jeder Tribu formiert einen Tabor mit der in der Wirklichkeit sehr wechselnden
Vollstärke von 500 Mann, der ebenfalls in fünf Mukaznia zerfällt. Mehrere
Tabor zusammengenommen heißen eine Mehalla. Der Sultan übernimmt den
Oberbefehl über die Truppen, die dann Harka heißen, nur in ernsten Fülle»,
so zum Beispiel wenn der heilige Krieg erklärt ist; sonst wird der Kriegsminister
damit betraut, der seinerseits wieder einen Kalifen als Kalb et mehalla
designieren kann.

Die Offiziere werden bestimmten Familien entnommen, die Erbrechte
genießen, oder von Scherifs, die die Negierung auszeichnen will. Sie leben
gemeinsam mit der Mannschaft und sind daher nicht Vorgesetzte im europäischen
Sinne, weder vom Standpunkt der Bildung noch des Benehmens. Etwas
besser sind die Offiziere des Mukaznia, aber auch uur deshalb, weil sie stets
unter Waffen sind.

Die Disziplin ist natürlich anch eigentümlich, doch kommen grobe Aus¬
schreitungen selten vor. Desertionen sind sehr häufig, werden aber nicht bestraft.
Der Marokkaner betrachtet den Militärdienst als Geschäft; wird er bezahlt, so
gehorcht und dient er; entgegengesetztenfalls aber, wenn er mit seinem Vor¬
gesetzten unzufrieden ist, geht er durch.

Die Mannschaft der Mukaznia trägt den Kaftan, eine Art Hemd, weiß,
rot oder blau, mit langen Ärmeln und bis an die Knie reichend, darüber die
Barakia, die, über der Brust verschnürt, den Kaftan sichtbar läßt, und darüber
endlich den Burnus mit Kapuze. An den Füßen stecken Pantoffeln aus Fell,
am Kopf sitzt der Fez. Der Dolch (Knmia) und der Säbel (Sif) werden so
wie das Gewehr im Bandelier getragen. Die Mannschaft des stehenden Heeres
hat eine ähnliche Uniform wie die französischen Zuaven, das ist: rote Jacke,
weite blaue Hosen, gelbe Strümpfe und rotbraune Schnürschuhe, als Kopf¬
bedeckung den Tarbusk der Zuaven. Die Leute haben ferner zwei Patronen¬
gürtel ans weißem Leder und ein Bajonett mit Metallscheide; ihre Bewaffnung
besteht aus Gewehren aller möglichen Systeme, hauptsächlich aber Henry Martini.
Die Festungsartillerie hat gleichfalls Geschütze aller Art und in schlechtem
Zustande, dagegen verfügt die Feldartillerie über ungefähr zehn Batterien Krupp


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[0596] Vie militärische tage in Marokko stärke der Mukaznia kann nach Oberst Hübner auf 35 Rehas oder 17 500 Mann geschätzt werden. Alle Tribus, die nicht den Magzen unterstehn, und jene Tribusmagzen, die keine Soldaten der Mukaznia liefern, bilden das stehende Heer. Jeder Tribu muß eine bestimmte Anzahl Rekruten stellen, dann erst ist der Loskauf gestattet. Die Rekruten dürfen nicht älter als sechzehn Jahre sein, doch werden auch sechzigjährige Männer genommen. Da aber ein großer Teil der Nicht-Magzen- Tribus gar nicht oder bloß zwangsweise gehorcht, so ist die Aushebung natürlich sehr ungleich. Die Rekruten werden bei der Infanterie, Kavallerie und Fußartillerie eingestellt, dagegen kommt zur Feldartillerie nur Mannschaft der Mukaznia. Jeder Tribu formiert einen Tabor mit der in der Wirklichkeit sehr wechselnden Vollstärke von 500 Mann, der ebenfalls in fünf Mukaznia zerfällt. Mehrere Tabor zusammengenommen heißen eine Mehalla. Der Sultan übernimmt den Oberbefehl über die Truppen, die dann Harka heißen, nur in ernsten Fülle», so zum Beispiel wenn der heilige Krieg erklärt ist; sonst wird der Kriegsminister damit betraut, der seinerseits wieder einen Kalifen als Kalb et mehalla designieren kann. Die Offiziere werden bestimmten Familien entnommen, die Erbrechte genießen, oder von Scherifs, die die Negierung auszeichnen will. Sie leben gemeinsam mit der Mannschaft und sind daher nicht Vorgesetzte im europäischen Sinne, weder vom Standpunkt der Bildung noch des Benehmens. Etwas besser sind die Offiziere des Mukaznia, aber auch uur deshalb, weil sie stets unter Waffen sind. Die Disziplin ist natürlich anch eigentümlich, doch kommen grobe Aus¬ schreitungen selten vor. Desertionen sind sehr häufig, werden aber nicht bestraft. Der Marokkaner betrachtet den Militärdienst als Geschäft; wird er bezahlt, so gehorcht und dient er; entgegengesetztenfalls aber, wenn er mit seinem Vor¬ gesetzten unzufrieden ist, geht er durch. Die Mannschaft der Mukaznia trägt den Kaftan, eine Art Hemd, weiß, rot oder blau, mit langen Ärmeln und bis an die Knie reichend, darüber die Barakia, die, über der Brust verschnürt, den Kaftan sichtbar läßt, und darüber endlich den Burnus mit Kapuze. An den Füßen stecken Pantoffeln aus Fell, am Kopf sitzt der Fez. Der Dolch (Knmia) und der Säbel (Sif) werden so wie das Gewehr im Bandelier getragen. Die Mannschaft des stehenden Heeres hat eine ähnliche Uniform wie die französischen Zuaven, das ist: rote Jacke, weite blaue Hosen, gelbe Strümpfe und rotbraune Schnürschuhe, als Kopf¬ bedeckung den Tarbusk der Zuaven. Die Leute haben ferner zwei Patronen¬ gürtel ans weißem Leder und ein Bajonett mit Metallscheide; ihre Bewaffnung besteht aus Gewehren aller möglichen Systeme, hauptsächlich aber Henry Martini. Die Festungsartillerie hat gleichfalls Geschütze aller Art und in schlechtem Zustande, dagegen verfügt die Feldartillerie über ungefähr zehn Batterien Krupp

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/596>, abgerufen am 22.12.2024.