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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Die Teutoburger Schlacht

den Germanen hervorrief. Edle Jünglinge, wie Arminius und sein Bruder
Flavus, traten in römische Dienste, erhielten, wie Armin, das Bürgerrecht und
die Ritterwürde und einen römischen Namen, denn Arminius hat bekanntlich
mit dem deutschen Namen Hermann, der früher Herimann lautete und im
damaligen Germanisch Chariomanus heißen würde, gar nichts zu tun. Überall
gab es auch eine römische Partei, die wahrscheinlich ganz ehrlich die römische
Herrschaft für nützlich hielt. Nur eins unterblieb, die Errichtung römischer
Standlager im Osten des Rheins. Die Militärgrenze blieb der Rhein, nur
einzelne feste Plätze wie Aliso wurden ins Innere vorgeschoben, und nur einmal
hat Tiberius mit seinen Legionen im Innern Winterquartiere genommen, sonst
blieb es bei Sommerlagern. Denn standen die Legionen weiter vom Rheine
entfernt, etwa an der Weser oder gar an der Elbe, dann waren sie schwerlich
imstande, noch Gallien genügend zu überwachen; eine Vermehrung der Legionen
aber vermied Augustus aus innerpolitischen Gründen, weil er die hohen Kosten
scheute, und er die römische Bürgerschaft, aus der allein sich die Legionen^ er¬
gänzten, da sie die herrschende Stellung im Reiche gegenüber den Provinzialen
behaupten sollte, nicht mehr als unbedingt nötig in Anspruch nehmen wollte.
Diese Unterlassungssünde, wenn es eine war, hat den Römern wahrscheinlich
Germanien gekostet, denn hätten sie Standlager an der Weser oder an der Elbe
gehabt, so wäre eine erfolgreiche Empörung kaum möglich gewesen.

Jedenfalls aber glaubten sie ihrer Herrschaft so sicher zu sein, daß sie im
Jahre 6 n. Chr. den entscheidenden Stoß gegen die südliche Machtbildnng der
Germanen, gegen das Markomannenreich Marbods, unternahmen. Von Westen
und Süden, vom Rhein und der Donau, von Mainz und Carnuntum (bei
Petronell) her drangen ihre Kolonnen gegen Böhmen vor, und schon standen sie
einander so nahe, daß jede der beiden Heeresabteilungen nur noch fünf Tage¬
marsche brauchte, um sich mit der andern zur Entscheidungsschlacht zu vereinigen,
da rief die Kunde vom Aufstande der Pannonier (zwischen Drau und save)
den Tiberius zurück. Nach drei schweren Jahren hatte er ihn bezwungen, doch
in den Jubel darüber schmetterte in Rom im September 9 die Schreckensnachricht
von der Teutoburger Schlacht, vom Untergange des Varus und seiner drei
Legionen.

Diese erste große Tat der Germanen war zugleich die Tat des ersten
großen Germanen, des ersten zugleich, der uns menschlich verständlich und
sympathisch ist durch sein Wesen und sein tragisches Geschick, wie sie uns selbst
aus den Schilderungen der Römer entgegenleuchten, die doch in ihm ihren
Todfeind und einen Verräter sehen mußten, denn verraten und getäuscht hat
er sie. Wie er, im Widerspruch mit seiner eignen Vergangenheit und einem
Teile seiner Landsleute, auf den Gedanken der Erhebung gegen die Fremd¬
herrschaft kam, wie es ihm gelang, die nordwestdeutschen Stämme dafür zu
gewinnen und den allzu vertrauensseligen Varus trotz aller Warnungen zu


Die Teutoburger Schlacht

den Germanen hervorrief. Edle Jünglinge, wie Arminius und sein Bruder
Flavus, traten in römische Dienste, erhielten, wie Armin, das Bürgerrecht und
die Ritterwürde und einen römischen Namen, denn Arminius hat bekanntlich
mit dem deutschen Namen Hermann, der früher Herimann lautete und im
damaligen Germanisch Chariomanus heißen würde, gar nichts zu tun. Überall
gab es auch eine römische Partei, die wahrscheinlich ganz ehrlich die römische
Herrschaft für nützlich hielt. Nur eins unterblieb, die Errichtung römischer
Standlager im Osten des Rheins. Die Militärgrenze blieb der Rhein, nur
einzelne feste Plätze wie Aliso wurden ins Innere vorgeschoben, und nur einmal
hat Tiberius mit seinen Legionen im Innern Winterquartiere genommen, sonst
blieb es bei Sommerlagern. Denn standen die Legionen weiter vom Rheine
entfernt, etwa an der Weser oder gar an der Elbe, dann waren sie schwerlich
imstande, noch Gallien genügend zu überwachen; eine Vermehrung der Legionen
aber vermied Augustus aus innerpolitischen Gründen, weil er die hohen Kosten
scheute, und er die römische Bürgerschaft, aus der allein sich die Legionen^ er¬
gänzten, da sie die herrschende Stellung im Reiche gegenüber den Provinzialen
behaupten sollte, nicht mehr als unbedingt nötig in Anspruch nehmen wollte.
Diese Unterlassungssünde, wenn es eine war, hat den Römern wahrscheinlich
Germanien gekostet, denn hätten sie Standlager an der Weser oder an der Elbe
gehabt, so wäre eine erfolgreiche Empörung kaum möglich gewesen.

Jedenfalls aber glaubten sie ihrer Herrschaft so sicher zu sein, daß sie im
Jahre 6 n. Chr. den entscheidenden Stoß gegen die südliche Machtbildnng der
Germanen, gegen das Markomannenreich Marbods, unternahmen. Von Westen
und Süden, vom Rhein und der Donau, von Mainz und Carnuntum (bei
Petronell) her drangen ihre Kolonnen gegen Böhmen vor, und schon standen sie
einander so nahe, daß jede der beiden Heeresabteilungen nur noch fünf Tage¬
marsche brauchte, um sich mit der andern zur Entscheidungsschlacht zu vereinigen,
da rief die Kunde vom Aufstande der Pannonier (zwischen Drau und save)
den Tiberius zurück. Nach drei schweren Jahren hatte er ihn bezwungen, doch
in den Jubel darüber schmetterte in Rom im September 9 die Schreckensnachricht
von der Teutoburger Schlacht, vom Untergange des Varus und seiner drei
Legionen.

Diese erste große Tat der Germanen war zugleich die Tat des ersten
großen Germanen, des ersten zugleich, der uns menschlich verständlich und
sympathisch ist durch sein Wesen und sein tragisches Geschick, wie sie uns selbst
aus den Schilderungen der Römer entgegenleuchten, die doch in ihm ihren
Todfeind und einen Verräter sehen mußten, denn verraten und getäuscht hat
er sie. Wie er, im Widerspruch mit seiner eignen Vergangenheit und einem
Teile seiner Landsleute, auf den Gedanken der Erhebung gegen die Fremd¬
herrschaft kam, wie es ihm gelang, die nordwestdeutschen Stämme dafür zu
gewinnen und den allzu vertrauensseligen Varus trotz aller Warnungen zu


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[0507] Die Teutoburger Schlacht den Germanen hervorrief. Edle Jünglinge, wie Arminius und sein Bruder Flavus, traten in römische Dienste, erhielten, wie Armin, das Bürgerrecht und die Ritterwürde und einen römischen Namen, denn Arminius hat bekanntlich mit dem deutschen Namen Hermann, der früher Herimann lautete und im damaligen Germanisch Chariomanus heißen würde, gar nichts zu tun. Überall gab es auch eine römische Partei, die wahrscheinlich ganz ehrlich die römische Herrschaft für nützlich hielt. Nur eins unterblieb, die Errichtung römischer Standlager im Osten des Rheins. Die Militärgrenze blieb der Rhein, nur einzelne feste Plätze wie Aliso wurden ins Innere vorgeschoben, und nur einmal hat Tiberius mit seinen Legionen im Innern Winterquartiere genommen, sonst blieb es bei Sommerlagern. Denn standen die Legionen weiter vom Rheine entfernt, etwa an der Weser oder gar an der Elbe, dann waren sie schwerlich imstande, noch Gallien genügend zu überwachen; eine Vermehrung der Legionen aber vermied Augustus aus innerpolitischen Gründen, weil er die hohen Kosten scheute, und er die römische Bürgerschaft, aus der allein sich die Legionen^ er¬ gänzten, da sie die herrschende Stellung im Reiche gegenüber den Provinzialen behaupten sollte, nicht mehr als unbedingt nötig in Anspruch nehmen wollte. Diese Unterlassungssünde, wenn es eine war, hat den Römern wahrscheinlich Germanien gekostet, denn hätten sie Standlager an der Weser oder an der Elbe gehabt, so wäre eine erfolgreiche Empörung kaum möglich gewesen. Jedenfalls aber glaubten sie ihrer Herrschaft so sicher zu sein, daß sie im Jahre 6 n. Chr. den entscheidenden Stoß gegen die südliche Machtbildnng der Germanen, gegen das Markomannenreich Marbods, unternahmen. Von Westen und Süden, vom Rhein und der Donau, von Mainz und Carnuntum (bei Petronell) her drangen ihre Kolonnen gegen Böhmen vor, und schon standen sie einander so nahe, daß jede der beiden Heeresabteilungen nur noch fünf Tage¬ marsche brauchte, um sich mit der andern zur Entscheidungsschlacht zu vereinigen, da rief die Kunde vom Aufstande der Pannonier (zwischen Drau und save) den Tiberius zurück. Nach drei schweren Jahren hatte er ihn bezwungen, doch in den Jubel darüber schmetterte in Rom im September 9 die Schreckensnachricht von der Teutoburger Schlacht, vom Untergange des Varus und seiner drei Legionen. Diese erste große Tat der Germanen war zugleich die Tat des ersten großen Germanen, des ersten zugleich, der uns menschlich verständlich und sympathisch ist durch sein Wesen und sein tragisches Geschick, wie sie uns selbst aus den Schilderungen der Römer entgegenleuchten, die doch in ihm ihren Todfeind und einen Verräter sehen mußten, denn verraten und getäuscht hat er sie. Wie er, im Widerspruch mit seiner eignen Vergangenheit und einem Teile seiner Landsleute, auf den Gedanken der Erhebung gegen die Fremd¬ herrschaft kam, wie es ihm gelang, die nordwestdeutschen Stämme dafür zu gewinnen und den allzu vertrauensseligen Varus trotz aller Warnungen zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/507>, abgerufen am 22.12.2024.