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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Die Teutoburger Schlacht

Wie dem aber auch sei, über das Ergebnis der Schlacht kann kein Zweifel
sein. Das hat schon Tacitus, so schwer es ihm geworden sein mag, unum¬
wunden ausgesprochen, wenn er in seinem berühmten Nachruf auf Armin ihn
d-ma äudie libsrator 6sri"imig,"z, den Befreier Germaniens nennt. Versetzen
wir uns in den großen historischen Zusammenhang. Als Erbe Cäsars hatte
Augustus zunächst den Rhein, die Donau und den Euphrat als Grenzen
des Weltreichs festgehalten oder festgestellt, denn er war grundsätzlich nichts
weniger als ein Eroberer. Gegenüber den Germanen ging er darüber hinaus,
aber nur, weil am Rheine ihre fortwährenden Einfälle, an der Donau die
große Machtbildung des Markomannenreichs in Böhmen und Mührer ihn
dazu zwangen; er führte angriffsweise auch hier nur eine Grenzvertcidigung,
etwa wie die Engländer an der Nordwestgrenze Indiens, und er führte sie nach
einer wahrhaft großartigen strategisch-politischen Konzeption. Es galt vom
Rheine und der Nordseeküste her die untere Elbe als Grenze zu gewinnen,
von der Donau her das Herzland Mitteleuropas, Böhmen, zu unterwerfen.
Dann wäre das freie Germanien auf das Flachland im Osten der Elbe, sein
ältestes Gebiet, beschränkt gewesen. Und das alles sollte geleistet werden mit
den Mitteln einer nur mangelhaften Naumbeherrschung, in einem wilden,
wenig bekannten, von Sümpfen und Urwäldern bedeckten, nur strichweise dünn
besiedelten Lande, durch das nur wenige Handelswege führten, dessen Anbau
sich auf wilde Feldgraswirtschaft beschränkte, römischen Armeen von mehreren
Zehntausenden den Unterhalt nicht gewährte, sie also zwang, ihre Verpflegung
auf Nachschübe aus ihren Magazinen mit endlosen Etappenlinien zu stützen.
Es war eine Kriegführung, die man sich bei allen Unterschieden etwa nach
unsern jüngsten Erfahrungen in Südafrika vergegenwärtigen mag, doch ohne
die moderne Verkehrstechnik. Und doch wurde das Ziel zur Hälfte erreicht.
Seit 12 v. Chr. unterwarfen die beiden Stiefbruder Drusus und Tiberius,
einander im Kommando ablösend, wirklich in einer Reihe von Feldzügen das
nordwestliche Deutschland bis zur Elbe.

Es handelte sich dabei nicht nur um die Herstellung einer losen Oberherr¬
schaft; die Provinzialisierung dieses weiten Gebiets vielmehr wurde geplant
und auch in Angriff genommen. Nur dann hatte die Errichtung einer "Provinz
Germanien" einen Sinn, wenn sich dieser Name ursprünglich nicht nur, wie
später, auf den verhältnismäßig schmalen Landstreifen am linken Rheinufer,
sondern auf das ganze Land zwischen Rhein und Elbe bezog; nur dann ver¬
steht man auch die Begründung eines Augustusaltars, der arg, Ubiorum im
spätern Köln (nach dem Beispiele des Heiligtums in Lyon, des sakralen Mittel¬
punkts der gallischen Provinzen), zu dessen Priesterschaft auch rechtsrheinische
Germanen, wie Segests Sohn Sigismund, herangezogen wurden, und ganz
wie das eines römischen Statthalters in befriedeter Provinz war das Verfahren
des Varus, besonders in der Rechtsprechung, das so große Erbitterung unter


Die Teutoburger Schlacht

Wie dem aber auch sei, über das Ergebnis der Schlacht kann kein Zweifel
sein. Das hat schon Tacitus, so schwer es ihm geworden sein mag, unum¬
wunden ausgesprochen, wenn er in seinem berühmten Nachruf auf Armin ihn
d-ma äudie libsrator 6sri»imig,«z, den Befreier Germaniens nennt. Versetzen
wir uns in den großen historischen Zusammenhang. Als Erbe Cäsars hatte
Augustus zunächst den Rhein, die Donau und den Euphrat als Grenzen
des Weltreichs festgehalten oder festgestellt, denn er war grundsätzlich nichts
weniger als ein Eroberer. Gegenüber den Germanen ging er darüber hinaus,
aber nur, weil am Rheine ihre fortwährenden Einfälle, an der Donau die
große Machtbildung des Markomannenreichs in Böhmen und Mührer ihn
dazu zwangen; er führte angriffsweise auch hier nur eine Grenzvertcidigung,
etwa wie die Engländer an der Nordwestgrenze Indiens, und er führte sie nach
einer wahrhaft großartigen strategisch-politischen Konzeption. Es galt vom
Rheine und der Nordseeküste her die untere Elbe als Grenze zu gewinnen,
von der Donau her das Herzland Mitteleuropas, Böhmen, zu unterwerfen.
Dann wäre das freie Germanien auf das Flachland im Osten der Elbe, sein
ältestes Gebiet, beschränkt gewesen. Und das alles sollte geleistet werden mit
den Mitteln einer nur mangelhaften Naumbeherrschung, in einem wilden,
wenig bekannten, von Sümpfen und Urwäldern bedeckten, nur strichweise dünn
besiedelten Lande, durch das nur wenige Handelswege führten, dessen Anbau
sich auf wilde Feldgraswirtschaft beschränkte, römischen Armeen von mehreren
Zehntausenden den Unterhalt nicht gewährte, sie also zwang, ihre Verpflegung
auf Nachschübe aus ihren Magazinen mit endlosen Etappenlinien zu stützen.
Es war eine Kriegführung, die man sich bei allen Unterschieden etwa nach
unsern jüngsten Erfahrungen in Südafrika vergegenwärtigen mag, doch ohne
die moderne Verkehrstechnik. Und doch wurde das Ziel zur Hälfte erreicht.
Seit 12 v. Chr. unterwarfen die beiden Stiefbruder Drusus und Tiberius,
einander im Kommando ablösend, wirklich in einer Reihe von Feldzügen das
nordwestliche Deutschland bis zur Elbe.

Es handelte sich dabei nicht nur um die Herstellung einer losen Oberherr¬
schaft; die Provinzialisierung dieses weiten Gebiets vielmehr wurde geplant
und auch in Angriff genommen. Nur dann hatte die Errichtung einer „Provinz
Germanien" einen Sinn, wenn sich dieser Name ursprünglich nicht nur, wie
später, auf den verhältnismäßig schmalen Landstreifen am linken Rheinufer,
sondern auf das ganze Land zwischen Rhein und Elbe bezog; nur dann ver¬
steht man auch die Begründung eines Augustusaltars, der arg, Ubiorum im
spätern Köln (nach dem Beispiele des Heiligtums in Lyon, des sakralen Mittel¬
punkts der gallischen Provinzen), zu dessen Priesterschaft auch rechtsrheinische
Germanen, wie Segests Sohn Sigismund, herangezogen wurden, und ganz
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des Varus, besonders in der Rechtsprechung, das so große Erbitterung unter


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[0506] Die Teutoburger Schlacht Wie dem aber auch sei, über das Ergebnis der Schlacht kann kein Zweifel sein. Das hat schon Tacitus, so schwer es ihm geworden sein mag, unum¬ wunden ausgesprochen, wenn er in seinem berühmten Nachruf auf Armin ihn d-ma äudie libsrator 6sri»imig,«z, den Befreier Germaniens nennt. Versetzen wir uns in den großen historischen Zusammenhang. Als Erbe Cäsars hatte Augustus zunächst den Rhein, die Donau und den Euphrat als Grenzen des Weltreichs festgehalten oder festgestellt, denn er war grundsätzlich nichts weniger als ein Eroberer. Gegenüber den Germanen ging er darüber hinaus, aber nur, weil am Rheine ihre fortwährenden Einfälle, an der Donau die große Machtbildung des Markomannenreichs in Böhmen und Mührer ihn dazu zwangen; er führte angriffsweise auch hier nur eine Grenzvertcidigung, etwa wie die Engländer an der Nordwestgrenze Indiens, und er führte sie nach einer wahrhaft großartigen strategisch-politischen Konzeption. Es galt vom Rheine und der Nordseeküste her die untere Elbe als Grenze zu gewinnen, von der Donau her das Herzland Mitteleuropas, Böhmen, zu unterwerfen. Dann wäre das freie Germanien auf das Flachland im Osten der Elbe, sein ältestes Gebiet, beschränkt gewesen. Und das alles sollte geleistet werden mit den Mitteln einer nur mangelhaften Naumbeherrschung, in einem wilden, wenig bekannten, von Sümpfen und Urwäldern bedeckten, nur strichweise dünn besiedelten Lande, durch das nur wenige Handelswege führten, dessen Anbau sich auf wilde Feldgraswirtschaft beschränkte, römischen Armeen von mehreren Zehntausenden den Unterhalt nicht gewährte, sie also zwang, ihre Verpflegung auf Nachschübe aus ihren Magazinen mit endlosen Etappenlinien zu stützen. Es war eine Kriegführung, die man sich bei allen Unterschieden etwa nach unsern jüngsten Erfahrungen in Südafrika vergegenwärtigen mag, doch ohne die moderne Verkehrstechnik. Und doch wurde das Ziel zur Hälfte erreicht. Seit 12 v. Chr. unterwarfen die beiden Stiefbruder Drusus und Tiberius, einander im Kommando ablösend, wirklich in einer Reihe von Feldzügen das nordwestliche Deutschland bis zur Elbe. Es handelte sich dabei nicht nur um die Herstellung einer losen Oberherr¬ schaft; die Provinzialisierung dieses weiten Gebiets vielmehr wurde geplant und auch in Angriff genommen. Nur dann hatte die Errichtung einer „Provinz Germanien" einen Sinn, wenn sich dieser Name ursprünglich nicht nur, wie später, auf den verhältnismäßig schmalen Landstreifen am linken Rheinufer, sondern auf das ganze Land zwischen Rhein und Elbe bezog; nur dann ver¬ steht man auch die Begründung eines Augustusaltars, der arg, Ubiorum im spätern Köln (nach dem Beispiele des Heiligtums in Lyon, des sakralen Mittel¬ punkts der gallischen Provinzen), zu dessen Priesterschaft auch rechtsrheinische Germanen, wie Segests Sohn Sigismund, herangezogen wurden, und ganz wie das eines römischen Statthalters in befriedeter Provinz war das Verfahren des Varus, besonders in der Rechtsprechung, das so große Erbitterung unter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/506>, abgerufen am 23.07.2024.