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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Der Weg zum neuen Block

patriotischen Darstellungen, die den erwähnten Unterschied zu verwischen pflegen,
sondern in den Aufzeichnungen, die die wahre Natur der Konflikte, das Auf-
cinanderplatzen der politischen und rechtlichen Prinzipien deutlich widerspiegeln,
wie zum Beispiel die Denkwürdigkeiten des Generals Friedrich Ludwig von
der Marwitz. Die preußische Monarchie hat allerdings mit Einsicht und Ge¬
schick die richtigen Mittel gefunden, alle innern Gegensätze und Sonderinteressen
der Staatsautorität unterzuordnen. Wenn dann ferner noch der preußische
Adel und die aus ihm und unter seiner Führung emporgewachsne konservative
Partei auch nach Einführung der Verfassung die zuverlässigste Stütze der Re¬
gierung blieb und ihren Einfluß wahrte, so dankt sie das eben den Traditionen,
die durch die vorangegangne Erziehung zur Würdigung der Staatscmtoritüt
als des obersten politischen Prinzips in ihr lebendig geblieben waren. Zu¬
gleich wurde dem Konservatismus diese Rolle erleichtert dnrch die Unfruchtbarkeit
und den Doktrinarismus der damaligen Liberalen. Der Staat regierte also
nicht den Konservativen zuliebe nach deren Prinzipien, sondern die Konser¬
vativen unterstützten grundsätzlich den Staat, soweit ihnen dies nach ihrer
sachlichen Überzeugung möglich war, während die Liberalen versagten. Diese
Tatsachen hören aber auf, als Beweis für die Nichtigkeit der kon¬
servativen Prinzipien zu gelte", sobald die Konservativen Sonder¬
interessen über das Staatsinteresse stellen, während die Libe¬
ralen zur positiven Mitarbeit bereit sind.

Bei der Auffassung des Parteiwesens, die sich heute immer mehr durchsetzt,
wird man immer häufiger darauf zurückkommen, bei großen Lebensfragen des
Staats den Momenten Beachtung zu schenken, die uns mit der Gegenpartei
einigen. Und es stellt sich bei sachlicher Betrachtung in der Regel heraus,
daß in den praktischen Folgerungen durchaus nicht die weitgehende Gegen¬
sätzlichkeit herrscht, die man vielleicht vorher vorausgesetzt hat. In der Praxis
kommt es auf die Ergebnisse an, nicht auf die Motive. Wenn A und B
dieselbe Strecke zu durchwandern haben, so kann es für ihr Zusammengehn
kein Hindernis sein, daß der eine vielleicht den Weg in Geschäften, der andre
aus Gesundheitsrücksichten macht. Ein Zusammengehn der Parteien aus
Praktischen Rücksichten muß aber die weitere Folge haben, daß die Gewöhnung,
in großen nationalen Fragen gemeinsam zu handeln, auch freiwillige gegen¬
seitige Zugeständnisse erleichtert. Die Neuheit dieser Methode und dieser Art
von Verständigung zwischen politischen Anschauungen, die sich immer noch
gegenseitig mit den Augen der Vergangenheit betrachteten, hat zwar die
Rcichssinauzrcform scheitern lassen, aber der Gedanke, den die Starrheit der
Parlamentarischen Traditionen nicht zu erfassen vermochte, hat bei den
Wählern um so mehr Eingang gefunden, und von hier aus wird er weiter
wirken und wiederkehren.

Daß auf die Wiederkehr einer solchen Blockpolitik hingewirkt werden muß.
ergibt sich auch weiter aus der Erwägung, daß wir den Anschauungen, Be¬
dürfnissen und Interessen verschiedner Bevölkerungskreise nicht ohne weiteres


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patriotischen Darstellungen, die den erwähnten Unterschied zu verwischen pflegen,
sondern in den Aufzeichnungen, die die wahre Natur der Konflikte, das Auf-
cinanderplatzen der politischen und rechtlichen Prinzipien deutlich widerspiegeln,
wie zum Beispiel die Denkwürdigkeiten des Generals Friedrich Ludwig von
der Marwitz. Die preußische Monarchie hat allerdings mit Einsicht und Ge¬
schick die richtigen Mittel gefunden, alle innern Gegensätze und Sonderinteressen
der Staatsautorität unterzuordnen. Wenn dann ferner noch der preußische
Adel und die aus ihm und unter seiner Führung emporgewachsne konservative
Partei auch nach Einführung der Verfassung die zuverlässigste Stütze der Re¬
gierung blieb und ihren Einfluß wahrte, so dankt sie das eben den Traditionen,
die durch die vorangegangne Erziehung zur Würdigung der Staatscmtoritüt
als des obersten politischen Prinzips in ihr lebendig geblieben waren. Zu¬
gleich wurde dem Konservatismus diese Rolle erleichtert dnrch die Unfruchtbarkeit
und den Doktrinarismus der damaligen Liberalen. Der Staat regierte also
nicht den Konservativen zuliebe nach deren Prinzipien, sondern die Konser¬
vativen unterstützten grundsätzlich den Staat, soweit ihnen dies nach ihrer
sachlichen Überzeugung möglich war, während die Liberalen versagten. Diese
Tatsachen hören aber auf, als Beweis für die Nichtigkeit der kon¬
servativen Prinzipien zu gelte», sobald die Konservativen Sonder¬
interessen über das Staatsinteresse stellen, während die Libe¬
ralen zur positiven Mitarbeit bereit sind.

Bei der Auffassung des Parteiwesens, die sich heute immer mehr durchsetzt,
wird man immer häufiger darauf zurückkommen, bei großen Lebensfragen des
Staats den Momenten Beachtung zu schenken, die uns mit der Gegenpartei
einigen. Und es stellt sich bei sachlicher Betrachtung in der Regel heraus,
daß in den praktischen Folgerungen durchaus nicht die weitgehende Gegen¬
sätzlichkeit herrscht, die man vielleicht vorher vorausgesetzt hat. In der Praxis
kommt es auf die Ergebnisse an, nicht auf die Motive. Wenn A und B
dieselbe Strecke zu durchwandern haben, so kann es für ihr Zusammengehn
kein Hindernis sein, daß der eine vielleicht den Weg in Geschäften, der andre
aus Gesundheitsrücksichten macht. Ein Zusammengehn der Parteien aus
Praktischen Rücksichten muß aber die weitere Folge haben, daß die Gewöhnung,
in großen nationalen Fragen gemeinsam zu handeln, auch freiwillige gegen¬
seitige Zugeständnisse erleichtert. Die Neuheit dieser Methode und dieser Art
von Verständigung zwischen politischen Anschauungen, die sich immer noch
gegenseitig mit den Augen der Vergangenheit betrachteten, hat zwar die
Rcichssinauzrcform scheitern lassen, aber der Gedanke, den die Starrheit der
Parlamentarischen Traditionen nicht zu erfassen vermochte, hat bei den
Wählern um so mehr Eingang gefunden, und von hier aus wird er weiter
wirken und wiederkehren.

Daß auf die Wiederkehr einer solchen Blockpolitik hingewirkt werden muß.
ergibt sich auch weiter aus der Erwägung, daß wir den Anschauungen, Be¬
dürfnissen und Interessen verschiedner Bevölkerungskreise nicht ohne weiteres


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[0449] Der Weg zum neuen Block patriotischen Darstellungen, die den erwähnten Unterschied zu verwischen pflegen, sondern in den Aufzeichnungen, die die wahre Natur der Konflikte, das Auf- cinanderplatzen der politischen und rechtlichen Prinzipien deutlich widerspiegeln, wie zum Beispiel die Denkwürdigkeiten des Generals Friedrich Ludwig von der Marwitz. Die preußische Monarchie hat allerdings mit Einsicht und Ge¬ schick die richtigen Mittel gefunden, alle innern Gegensätze und Sonderinteressen der Staatsautorität unterzuordnen. Wenn dann ferner noch der preußische Adel und die aus ihm und unter seiner Führung emporgewachsne konservative Partei auch nach Einführung der Verfassung die zuverlässigste Stütze der Re¬ gierung blieb und ihren Einfluß wahrte, so dankt sie das eben den Traditionen, die durch die vorangegangne Erziehung zur Würdigung der Staatscmtoritüt als des obersten politischen Prinzips in ihr lebendig geblieben waren. Zu¬ gleich wurde dem Konservatismus diese Rolle erleichtert dnrch die Unfruchtbarkeit und den Doktrinarismus der damaligen Liberalen. Der Staat regierte also nicht den Konservativen zuliebe nach deren Prinzipien, sondern die Konser¬ vativen unterstützten grundsätzlich den Staat, soweit ihnen dies nach ihrer sachlichen Überzeugung möglich war, während die Liberalen versagten. Diese Tatsachen hören aber auf, als Beweis für die Nichtigkeit der kon¬ servativen Prinzipien zu gelte», sobald die Konservativen Sonder¬ interessen über das Staatsinteresse stellen, während die Libe¬ ralen zur positiven Mitarbeit bereit sind. Bei der Auffassung des Parteiwesens, die sich heute immer mehr durchsetzt, wird man immer häufiger darauf zurückkommen, bei großen Lebensfragen des Staats den Momenten Beachtung zu schenken, die uns mit der Gegenpartei einigen. Und es stellt sich bei sachlicher Betrachtung in der Regel heraus, daß in den praktischen Folgerungen durchaus nicht die weitgehende Gegen¬ sätzlichkeit herrscht, die man vielleicht vorher vorausgesetzt hat. In der Praxis kommt es auf die Ergebnisse an, nicht auf die Motive. Wenn A und B dieselbe Strecke zu durchwandern haben, so kann es für ihr Zusammengehn kein Hindernis sein, daß der eine vielleicht den Weg in Geschäften, der andre aus Gesundheitsrücksichten macht. Ein Zusammengehn der Parteien aus Praktischen Rücksichten muß aber die weitere Folge haben, daß die Gewöhnung, in großen nationalen Fragen gemeinsam zu handeln, auch freiwillige gegen¬ seitige Zugeständnisse erleichtert. Die Neuheit dieser Methode und dieser Art von Verständigung zwischen politischen Anschauungen, die sich immer noch gegenseitig mit den Augen der Vergangenheit betrachteten, hat zwar die Rcichssinauzrcform scheitern lassen, aber der Gedanke, den die Starrheit der Parlamentarischen Traditionen nicht zu erfassen vermochte, hat bei den Wählern um so mehr Eingang gefunden, und von hier aus wird er weiter wirken und wiederkehren. Daß auf die Wiederkehr einer solchen Blockpolitik hingewirkt werden muß. ergibt sich auch weiter aus der Erwägung, daß wir den Anschauungen, Be¬ dürfnissen und Interessen verschiedner Bevölkerungskreise nicht ohne weiteres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/449>, abgerufen am 22.12.2024.