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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Johann Friedrich von Schuttes Lebenserinnerungen

durch die übereinstimmende Erklärung der Kontrahenten geschlossen wird;
sofern diesem Vertrage der sakramentale Charakter anhaftet, sind die Nup-
turienten die Ausspender des Sakraments. Bis zum Tridentinum hatte die
Kirche irgendwelche Formen für die Abschließung des Vertrags nicht vor¬
geschrieben; zwar empfahl sie dringend die altchristliche Sitte der feierlichen
Einsegnung der schon (gewöhnlich durch die vom Brautvater vollzogne Über¬
gabe der Braut an den Bräutigam) geschlossenen Ehe, aber niemals wurde
gelehrt, daß die Einsegnung zur Giltigkeit der Ehe erfordert werde. Infolge¬
dessen nahm der Unfug der Winkelchen (eng.rrimcmia c,lineis8klug,) überHand,
die manchmal Kinderchen waren, weil nach der vom kanonischen Recht rezi-
pierten Bestimmung des römischen Rechts der Knabe mit vierzehn, das
Mädchen mit zwölf Jahren ehemündig ist. Das Tridentinum hat nun, um
dem Unfug zu steuern, bestimmt, daß zwar die bis dahin geschlossenen Winkel¬
chen für giltig zu erachten seien (hat sogar die die Giltigkeit Leugnenden mit
dem Anathem belegt), daß dagegen in Zukunft nur solche Ehen giltig sein
sollen, die vor dem zuständigen Pfarrer und zwei (andern) Zeugen abgeschlossen
sind. Aus dem Zusammenhange geht hervor, daß der Pfarrer dabei nicht
als Priester, sondern nur als vornehmster Zeuge fungiert, und daß er zur
Erfüllung dieser Vorschrift nicht einzusegnen, sondern nur zu beurkunden hat.
Natürlich geschieht das auch, wenn er zugleich einsegnet, wo dann die kirch¬
liche Handlung und die Beurkundung in eins zusammenfallen. Das tridenti-
nische Dekret, das die drei Zeugen, deren einer der Pfarrer sein muß, sowie
das dreimalige Aufgebot vorschreibt, hat lediglich den Zweck, für die Notorietät
der Eheschließung zu sorgen und dadurch sowohl dem leichtsinnigen Abschluß
wie dem leichtfertigen Bruch des Ehebundes vorzubeugen. Daneben wird
denn allerdings auch die altherkömmliche feierliche Einsegnung dringend
empfohlen, aber diese kirchliche "Trauung" als Form der Eheschließung auf¬
zufassen, entspricht durchaus nicht dem katholischen Eherecht, das ist vielmehr
Gewohnheitsrecht in den lutherischen Staaten geworden. (Voraussetzung der
Giltigkeit sowohl der vvrtridentinischen wie der tridentinischen Ehen ist selbst¬
verständlich, daß kein trennendes Ehehindernis vorliegt; das Recht von Kirche
und Staat, solche Ehehindernisse festzusetzen, soll hier nicht untersucht werden.)
Wenn nun der Staat der Kirche die Mühe abnahm, für die Notorietät und
dadurch sowie durch die vorgeschriebne feste Form und die Beurkundung des
Vertrags für seine Sicherung zu sorgen, konnte, ja mußte da der Episkopat
nicht sagen: die tridentinische Vorschrift ist fortan überflüssig? Wobei daun
die Gläubigen immerhin noch gemahnt werden konnten, wie das ja auch die
tridentinischen Väter getan hatten, der vor dem Standesbeamten abgeschlossenen
Ehe durch die feierliche Einsegnung in der Kirche die religiöse Weihe geben
zu lassen. Was die Ehehindernisse betrifft, so werden die moralisch und
rechtlich begründeten unter ihnen wie zu nahe Verwandtschaft und error in
persona auch vom Staate anerkannt, von den übrigen aber ist in Rom


Johann Friedrich von Schuttes Lebenserinnerungen

durch die übereinstimmende Erklärung der Kontrahenten geschlossen wird;
sofern diesem Vertrage der sakramentale Charakter anhaftet, sind die Nup-
turienten die Ausspender des Sakraments. Bis zum Tridentinum hatte die
Kirche irgendwelche Formen für die Abschließung des Vertrags nicht vor¬
geschrieben; zwar empfahl sie dringend die altchristliche Sitte der feierlichen
Einsegnung der schon (gewöhnlich durch die vom Brautvater vollzogne Über¬
gabe der Braut an den Bräutigam) geschlossenen Ehe, aber niemals wurde
gelehrt, daß die Einsegnung zur Giltigkeit der Ehe erfordert werde. Infolge¬
dessen nahm der Unfug der Winkelchen (eng.rrimcmia c,lineis8klug,) überHand,
die manchmal Kinderchen waren, weil nach der vom kanonischen Recht rezi-
pierten Bestimmung des römischen Rechts der Knabe mit vierzehn, das
Mädchen mit zwölf Jahren ehemündig ist. Das Tridentinum hat nun, um
dem Unfug zu steuern, bestimmt, daß zwar die bis dahin geschlossenen Winkel¬
chen für giltig zu erachten seien (hat sogar die die Giltigkeit Leugnenden mit
dem Anathem belegt), daß dagegen in Zukunft nur solche Ehen giltig sein
sollen, die vor dem zuständigen Pfarrer und zwei (andern) Zeugen abgeschlossen
sind. Aus dem Zusammenhange geht hervor, daß der Pfarrer dabei nicht
als Priester, sondern nur als vornehmster Zeuge fungiert, und daß er zur
Erfüllung dieser Vorschrift nicht einzusegnen, sondern nur zu beurkunden hat.
Natürlich geschieht das auch, wenn er zugleich einsegnet, wo dann die kirch¬
liche Handlung und die Beurkundung in eins zusammenfallen. Das tridenti-
nische Dekret, das die drei Zeugen, deren einer der Pfarrer sein muß, sowie
das dreimalige Aufgebot vorschreibt, hat lediglich den Zweck, für die Notorietät
der Eheschließung zu sorgen und dadurch sowohl dem leichtsinnigen Abschluß
wie dem leichtfertigen Bruch des Ehebundes vorzubeugen. Daneben wird
denn allerdings auch die altherkömmliche feierliche Einsegnung dringend
empfohlen, aber diese kirchliche „Trauung" als Form der Eheschließung auf¬
zufassen, entspricht durchaus nicht dem katholischen Eherecht, das ist vielmehr
Gewohnheitsrecht in den lutherischen Staaten geworden. (Voraussetzung der
Giltigkeit sowohl der vvrtridentinischen wie der tridentinischen Ehen ist selbst¬
verständlich, daß kein trennendes Ehehindernis vorliegt; das Recht von Kirche
und Staat, solche Ehehindernisse festzusetzen, soll hier nicht untersucht werden.)
Wenn nun der Staat der Kirche die Mühe abnahm, für die Notorietät und
dadurch sowie durch die vorgeschriebne feste Form und die Beurkundung des
Vertrags für seine Sicherung zu sorgen, konnte, ja mußte da der Episkopat
nicht sagen: die tridentinische Vorschrift ist fortan überflüssig? Wobei daun
die Gläubigen immerhin noch gemahnt werden konnten, wie das ja auch die
tridentinischen Väter getan hatten, der vor dem Standesbeamten abgeschlossenen
Ehe durch die feierliche Einsegnung in der Kirche die religiöse Weihe geben
zu lassen. Was die Ehehindernisse betrifft, so werden die moralisch und
rechtlich begründeten unter ihnen wie zu nahe Verwandtschaft und error in
persona auch vom Staate anerkannt, von den übrigen aber ist in Rom


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/420>, abgerufen am 22.12.2024.