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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Uhlands Einfluß auf die Poesie Hebbels

[Beginn Spaltensatz] Uhland:
Helene süß, Helene traut!
Der Scherz ein Ende nimmt,
Du bist die allerschönste Braut,
Für die ichs goldne Kränzlein,
Für die den Ring bestimmt.
Daß du zu hohen Ehren
Eingehen wirst mit mir.Bei Gold und Perl' und Edelstein
Bist du erwachsen hier;
Das sollte dir ein Zeichen sein,
[Spaltenumbruch]
Hebbel:
Und wenn du sagst, du kommst von Gott,
So fühl ich, das ist wahr.
Drum führ ich auch, trotz Hohn und Spott,
Als seine liebste Tochter
Noch heut dich zum Altar.
Ihr edlen Herrn, ich lud verblümt
Zu einem Fest euch ein,-
Ihr Ritter, stolz und hochgerühmt,
So folgt mir zur Kapelle,
Es soll mein schönstes sein!
[Ende Spaltensatz]

Bei dem letzten Gedichte stützen der verwandte Inhalt und die gleiche
Form den Beweis des Uhlandschen Vorbilds gegenseitig. Wäre man im
Zweifel, ob des Goldschmieds Töchterlein dem Dichter der Hedwig vorge¬
schwebt habe, so müßte die vollendete rhythmische Parallele jeden Zweifel be¬
seitigen, und wenn man über die Herübernahme der Strophe aus Uhlands
Dichtung nicht Gewißheit zu haben glaubte, so würde diese gerade durch die
Verwendung der Strophe bei einem ganz ähnlichen Vorwurfe, wie der Uhlandsche,
bestätigt.

Für die Verwandtschaft der Stoffgebiete beider Dichter gibt es aber noch
eine große Anzahl weiterer Belege. Schon beim Überfliegen der Titel der
Gedichtsammlungen Uhlands und Hebbels fallen die vielen Anklänge auf.
Folgende finden sich bei beiden:

An den Tod;
Gesang der Jünglinge (Hebbel: An die Jünglinge);
Auf ein Kind;
Mein Gesang (Hebbel: Mein Päan);
Der Schmied (Hebbel: Das Lied vom Schmied);
Rechtfertigung;
Nachruf;
Die Rosen;
Winterreise;
Die schlummernde (Hebbel: Auf ein schlummerndes Kind);
Traum;
Der Schäfer;
Das Schloß am Meer (Hebbel: Das Haus am Meer);
Des Knaben Tod (Hebbel: Knabentod);
Der Ring (bei Hebbel zweimal).

Daß sich auch in so kleinen und äußerlichen Dingen Erinnerungsvorgänge
spiegeln, wird jeder zugeben, der an sich selbst die Erfahrung gemacht hat,
wie viel durch häufiges Durchblättern von Büchern gerade auch an Titeln,
Gedichtanfängen, rhythmischen Bruchstücken ohne genauere Kenntnis des Ganzen


Grenzboten III 190947
Uhlands Einfluß auf die Poesie Hebbels

[Beginn Spaltensatz] Uhland:
Helene süß, Helene traut!
Der Scherz ein Ende nimmt,
Du bist die allerschönste Braut,
Für die ichs goldne Kränzlein,
Für die den Ring bestimmt.
Daß du zu hohen Ehren
Eingehen wirst mit mir.Bei Gold und Perl' und Edelstein
Bist du erwachsen hier;
Das sollte dir ein Zeichen sein,
[Spaltenumbruch]
Hebbel:
Und wenn du sagst, du kommst von Gott,
So fühl ich, das ist wahr.
Drum führ ich auch, trotz Hohn und Spott,
Als seine liebste Tochter
Noch heut dich zum Altar.
Ihr edlen Herrn, ich lud verblümt
Zu einem Fest euch ein,-
Ihr Ritter, stolz und hochgerühmt,
So folgt mir zur Kapelle,
Es soll mein schönstes sein!
[Ende Spaltensatz]

Bei dem letzten Gedichte stützen der verwandte Inhalt und die gleiche
Form den Beweis des Uhlandschen Vorbilds gegenseitig. Wäre man im
Zweifel, ob des Goldschmieds Töchterlein dem Dichter der Hedwig vorge¬
schwebt habe, so müßte die vollendete rhythmische Parallele jeden Zweifel be¬
seitigen, und wenn man über die Herübernahme der Strophe aus Uhlands
Dichtung nicht Gewißheit zu haben glaubte, so würde diese gerade durch die
Verwendung der Strophe bei einem ganz ähnlichen Vorwurfe, wie der Uhlandsche,
bestätigt.

Für die Verwandtschaft der Stoffgebiete beider Dichter gibt es aber noch
eine große Anzahl weiterer Belege. Schon beim Überfliegen der Titel der
Gedichtsammlungen Uhlands und Hebbels fallen die vielen Anklänge auf.
Folgende finden sich bei beiden:

An den Tod;
Gesang der Jünglinge (Hebbel: An die Jünglinge);
Auf ein Kind;
Mein Gesang (Hebbel: Mein Päan);
Der Schmied (Hebbel: Das Lied vom Schmied);
Rechtfertigung;
Nachruf;
Die Rosen;
Winterreise;
Die schlummernde (Hebbel: Auf ein schlummerndes Kind);
Traum;
Der Schäfer;
Das Schloß am Meer (Hebbel: Das Haus am Meer);
Des Knaben Tod (Hebbel: Knabentod);
Der Ring (bei Hebbel zweimal).

Daß sich auch in so kleinen und äußerlichen Dingen Erinnerungsvorgänge
spiegeln, wird jeder zugeben, der an sich selbst die Erfahrung gemacht hat,
wie viel durch häufiges Durchblättern von Büchern gerade auch an Titeln,
Gedichtanfängen, rhythmischen Bruchstücken ohne genauere Kenntnis des Ganzen


Grenzboten III 190947
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[0371] Uhlands Einfluß auf die Poesie Hebbels Uhland: Helene süß, Helene traut! Der Scherz ein Ende nimmt, Du bist die allerschönste Braut, Für die ichs goldne Kränzlein, Für die den Ring bestimmt. Daß du zu hohen Ehren Eingehen wirst mit mir.Bei Gold und Perl' und Edelstein Bist du erwachsen hier; Das sollte dir ein Zeichen sein, Hebbel: Und wenn du sagst, du kommst von Gott, So fühl ich, das ist wahr. Drum führ ich auch, trotz Hohn und Spott, Als seine liebste Tochter Noch heut dich zum Altar. Ihr edlen Herrn, ich lud verblümt Zu einem Fest euch ein,- Ihr Ritter, stolz und hochgerühmt, So folgt mir zur Kapelle, Es soll mein schönstes sein! Bei dem letzten Gedichte stützen der verwandte Inhalt und die gleiche Form den Beweis des Uhlandschen Vorbilds gegenseitig. Wäre man im Zweifel, ob des Goldschmieds Töchterlein dem Dichter der Hedwig vorge¬ schwebt habe, so müßte die vollendete rhythmische Parallele jeden Zweifel be¬ seitigen, und wenn man über die Herübernahme der Strophe aus Uhlands Dichtung nicht Gewißheit zu haben glaubte, so würde diese gerade durch die Verwendung der Strophe bei einem ganz ähnlichen Vorwurfe, wie der Uhlandsche, bestätigt. Für die Verwandtschaft der Stoffgebiete beider Dichter gibt es aber noch eine große Anzahl weiterer Belege. Schon beim Überfliegen der Titel der Gedichtsammlungen Uhlands und Hebbels fallen die vielen Anklänge auf. Folgende finden sich bei beiden: An den Tod; Gesang der Jünglinge (Hebbel: An die Jünglinge); Auf ein Kind; Mein Gesang (Hebbel: Mein Päan); Der Schmied (Hebbel: Das Lied vom Schmied); Rechtfertigung; Nachruf; Die Rosen; Winterreise; Die schlummernde (Hebbel: Auf ein schlummerndes Kind); Traum; Der Schäfer; Das Schloß am Meer (Hebbel: Das Haus am Meer); Des Knaben Tod (Hebbel: Knabentod); Der Ring (bei Hebbel zweimal). Daß sich auch in so kleinen und äußerlichen Dingen Erinnerungsvorgänge spiegeln, wird jeder zugeben, der an sich selbst die Erfahrung gemacht hat, wie viel durch häufiges Durchblättern von Büchern gerade auch an Titeln, Gedichtanfängen, rhythmischen Bruchstücken ohne genauere Kenntnis des Ganzen Grenzboten III 190947

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/371>, abgerufen am 22.12.2024.