Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Aber Muhme Rilke hatte keine Ahnung von Sörinens sündiger Sehnsucht und Und so chemisch rein von Erbsünde war Muhme Rette, daß sie den jungen Seht, das waren also die Stadt, Kaj Seydewitz. der Bürgermeister, Assessor (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Reisen des Reichskanzlers. Der Parteienstreit. Die Wahl in der Pfalz. Der französische Ministerwechsel.) Der Sommer mit seiner parlamentarischen Pause ist gekommen und scheint Es ist zu hoffen und wäre wenigstens zu wünschen, daß der parteipolitische Maßgebliches und Unmaßgebliches Aber Muhme Rilke hatte keine Ahnung von Sörinens sündiger Sehnsucht und Und so chemisch rein von Erbsünde war Muhme Rette, daß sie den jungen Seht, das waren also die Stadt, Kaj Seydewitz. der Bürgermeister, Assessor (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Reisen des Reichskanzlers. Der Parteienstreit. Die Wahl in der Pfalz. Der französische Ministerwechsel.) Der Sommer mit seiner parlamentarischen Pause ist gekommen und scheint Es ist zu hoffen und wäre wenigstens zu wünschen, daß der parteipolitische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313951"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1049"> Aber Muhme Rilke hatte keine Ahnung von Sörinens sündiger Sehnsucht und<lb/> schüttelte nur ihre getollten Haubenbänder in mütterlicher Besorgnis um die beiden<lb/> in Gefahr schwebenden jungen Männer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1050"> Und so chemisch rein von Erbsünde war Muhme Rette, daß sie den jungen<lb/> Leuten niemals Predigten hielt, sondern auf die Jahre hoffte, die die Augen öffnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1051"> Seht, das waren also die Stadt, Kaj Seydewitz. der Bürgermeister, Assessor<lb/> Imsen, Muhme Rilke und Sörine.</p><lb/> <p xml:id="ID_1052"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Reichsspiegel</head><lb/> <note type="argument"> (Reisen des Reichskanzlers. Der Parteienstreit. Die Wahl in der Pfalz.<lb/> Der französische Ministerwechsel.)</note><lb/> <p xml:id="ID_1053"> Der Sommer mit seiner parlamentarischen Pause ist gekommen und scheint<lb/> auch diesmal als Brutzeit für politische Gerüchte herhalten zu sollen. Freilich<lb/> nach den reichlichen Personalveränderungen in den leitenden Stellen ist mit den<lb/> sonst üblichen Ministerstürzereien und der Konstruktion innerer Krisen vorläufig<lb/> nichts anzufangen, und man hat sich darum mit angeblichen Reiseplänen des neuen<lb/> Reichskanzlers beschäftigen zu müssen geglaubt. Daß ihm zunächst vieles andre<lb/> als gerade Reisepläne näherliegen dürfte, scheint dabei nicht in Betracht gezogen<lb/> worden zu sein. Die Vermutung, daß er bet gelegner Zeit dem Beispiele seines<lb/> Vorgängers folgen und sich sowohl den Monarchen des Dreibunds persönlich vor¬<lb/> stellen als auch mit ihren leitenden Ministern in mündlichen Verkehr treten werde,<lb/> liegt bei der intimen Natur des Bündnisses zu nahe, als daß man damit etwas<lb/> neues sagen oder auch der Wahrheit zu nahetreten würde. Aber die Angabe<lb/> eines bestimmten Zeitpunkts war mindestens überflüssig, und die etwaige Absicht,<lb/> ein Dementi zu erzielen, um daraufhin der Wahrheit näherzukommen, hätte<lb/> keinen rechten Zweck gehabt, da diese Besuche und Begegnungen nichts weniger<lb/> als dringlich, am wenigsten durch die Lage der auswärtigen Verhältnisse geboten<lb/> sind. Überdies dürften auch die Besuche an den deutschen Fürstenhöfen, wenigstens<lb/> bei der Mehrzahl, vorher in Frage kommen, obgleich es auch damit keine besondre<lb/> Eile hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1054" next="#ID_1055"> Es ist zu hoffen und wäre wenigstens zu wünschen, daß der parteipolitische<lb/> Streit über die Finanzreform unter den bürgerlichen Parteien aufhören möge,<lb/> damit sich zum vaterländischen Wohle die von beiden Seiten ausgeteilten und auch<lb/> auf beiden erlittnen Wunden wieder schließen könnten. Das liegt auch unzweifel¬<lb/> haft in der Absicht des Fürsten Bülow, der sich in den zahlreichen Antworten auf<lb/> Begrüßungen aus allen Schichten und Kreisen jeder Redewendung enthält, die<lb/> irgendwie zu weitern Aufreizungen Anlaß geben könnte, nachdem seine ersten, durch<lb/> ein Hamburger Blatt veröffentlichten Äußerungen zu rücksichtslosen und erbitterten<lb/> Angriffen und Übertreibungen unter den Parteien benutzt worden sind. Übrigens<lb/> geht aus seinen in der letzten Woche erst bekannt gewordnen Beantwortungen der<lb/> Telegramme der nationalliberalen Partei und ihres Führers abermals mit aller<lb/> Deutlichkeit hervor, daß er mit keiner Silbe eine Anerkennung für die oppositionelle</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0248]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Aber Muhme Rilke hatte keine Ahnung von Sörinens sündiger Sehnsucht und
schüttelte nur ihre getollten Haubenbänder in mütterlicher Besorgnis um die beiden
in Gefahr schwebenden jungen Männer.
Und so chemisch rein von Erbsünde war Muhme Rette, daß sie den jungen
Leuten niemals Predigten hielt, sondern auf die Jahre hoffte, die die Augen öffnen.
Seht, das waren also die Stadt, Kaj Seydewitz. der Bürgermeister, Assessor
Imsen, Muhme Rilke und Sörine.
(Fortsetzung folgt)
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel
(Reisen des Reichskanzlers. Der Parteienstreit. Die Wahl in der Pfalz.
Der französische Ministerwechsel.)
Der Sommer mit seiner parlamentarischen Pause ist gekommen und scheint
auch diesmal als Brutzeit für politische Gerüchte herhalten zu sollen. Freilich
nach den reichlichen Personalveränderungen in den leitenden Stellen ist mit den
sonst üblichen Ministerstürzereien und der Konstruktion innerer Krisen vorläufig
nichts anzufangen, und man hat sich darum mit angeblichen Reiseplänen des neuen
Reichskanzlers beschäftigen zu müssen geglaubt. Daß ihm zunächst vieles andre
als gerade Reisepläne näherliegen dürfte, scheint dabei nicht in Betracht gezogen
worden zu sein. Die Vermutung, daß er bet gelegner Zeit dem Beispiele seines
Vorgängers folgen und sich sowohl den Monarchen des Dreibunds persönlich vor¬
stellen als auch mit ihren leitenden Ministern in mündlichen Verkehr treten werde,
liegt bei der intimen Natur des Bündnisses zu nahe, als daß man damit etwas
neues sagen oder auch der Wahrheit zu nahetreten würde. Aber die Angabe
eines bestimmten Zeitpunkts war mindestens überflüssig, und die etwaige Absicht,
ein Dementi zu erzielen, um daraufhin der Wahrheit näherzukommen, hätte
keinen rechten Zweck gehabt, da diese Besuche und Begegnungen nichts weniger
als dringlich, am wenigsten durch die Lage der auswärtigen Verhältnisse geboten
sind. Überdies dürften auch die Besuche an den deutschen Fürstenhöfen, wenigstens
bei der Mehrzahl, vorher in Frage kommen, obgleich es auch damit keine besondre
Eile hat.
Es ist zu hoffen und wäre wenigstens zu wünschen, daß der parteipolitische
Streit über die Finanzreform unter den bürgerlichen Parteien aufhören möge,
damit sich zum vaterländischen Wohle die von beiden Seiten ausgeteilten und auch
auf beiden erlittnen Wunden wieder schließen könnten. Das liegt auch unzweifel¬
haft in der Absicht des Fürsten Bülow, der sich in den zahlreichen Antworten auf
Begrüßungen aus allen Schichten und Kreisen jeder Redewendung enthält, die
irgendwie zu weitern Aufreizungen Anlaß geben könnte, nachdem seine ersten, durch
ein Hamburger Blatt veröffentlichten Äußerungen zu rücksichtslosen und erbitterten
Angriffen und Übertreibungen unter den Parteien benutzt worden sind. Übrigens
geht aus seinen in der letzten Woche erst bekannt gewordnen Beantwortungen der
Telegramme der nationalliberalen Partei und ihres Führers abermals mit aller
Deutlichkeit hervor, daß er mit keiner Silbe eine Anerkennung für die oppositionelle
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