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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Vorgeschichte der französischen Revolution von l.739

zuregistrieren. Sein Vetter, der hochbegabte, aber elende und sittlich verkommne
Herzog von Orleans, bezeichnete hierauf die Sitzung als ungesetzlich und ver¬
langte, daß der Vermerk hinzugefügt werde, die Einregistrierung sei nur auf
Befehl des Königs erfolgt; Ludwig stammelte einige verlegne Worte, blieb
aber doch fest, auch als nach seinem Fortgange das Parlament den Beschluß
faßte, der Gerichtshof habe an der Registrierung, die ungesetzlich sei, keinen
Anteil. Der Herzog wurde nach Villers-Cotterets verbannt, und zwei Par¬
lamentsräte wurden eingekerkert; der König ließ sich auch dann nicht herbei,
nachzugeben, als sich das Parlament einige Tage später mit dem Herzog
solidarisch erklärte und die Maßregeln gegen ihn und die beiden andern Be¬
straften scharf geißelte. Ja der König ging in den nächsten Monaten noch
strenger gegen das Parlament vor.

Nicht minder gereizt als das Pariser Parlament zeigten sich die Parla¬
mente und selbst kleinere königliche Gerichtshöfe in den Provinzen. Auch sie
Protestierten gegen die neuen Steuern, forderten die Generalstände und ver¬
wandten sich für die in die Verbannung geschickten Pariser Parlamentsräte.
Erfreulicher ist das Bild, das die 1787 eingeführten Provinzialversammlungen
boten. Sie sollten zunächst unter die strengste Kontrolle der Intendanten ge¬
stellt werden, denen sie von allen wichtigen Schritten Mitteilung zu machen
hatten, sodaß von Selbständigkeit dieser Verwaltungsbehörden wenig die Rede
gewesen wäre. Aber bald trat die Regierung auch hier den Rückzug an. und
in der Instruktion vom 17. August 1787 gestand sie ihnen eine viel größere
Bewegungsfreiheit zu, sodaß zum Beispiel der Intendant die Sitzungen nur bei
außerordentlichen Anlässen besuchen durfte und nur die regelmüßige Korrespondenz
der Versammlungen durch seine Hand ging, während sich in allen besondern
Fällen diese direkt an die Regierung wenden durften. In einigen Provinzen,
zum Beispiel in Jsle de France, wurde sehr wacker und ohne wesentliche
Opposition gegen den König gearbeitet: man beriet über die Verteilung der
Steuern, über die Kosten der aufzubringenden Miliz, über Einschränkung der
Bettelei und Vagabondage, wobei man schon auf den Gedanken einer staat¬
lichen Altersversorgung kam, über die Förderung des Handels- und Fabrikwesens
und besonders des Ackerbaus in phhsiokratischem Sinne und über andre wichtige
Dinge. Stürmischer ging es dagegen in der Versammlung der Auvergne zu;
Ms ihrer Mitglieder. La Fayette, zeigte, weit weniger Verständnis für die
wahren Bedürfnisse der Provinz und- erging sich zunächst in allgemeinen Magen
über Steuerdruck und Binnenzölle" deren, Abschaffung, ja die Regierung schon
selbst vorgeschlagen hatte. Bezeichnend <war übrigens der Antrag der Provinzial-
versammtung der drei Bistümer und Elermontais' an. den König, von der Zoll¬
verlegung an die Grenze gegen Deutschland Abstand zu nehmen, weil man den
regen Handelsverkehr mit diesem Lande durch einen erhöhten Grenzzoll schwer
schädigen würde. Überhaupt bieten die Verhandlungen aller dieser und der
andern Provinzen viel interessantes, worauf hier im einzelnen nicht eingegangen


Vorgeschichte der französischen Revolution von l.739

zuregistrieren. Sein Vetter, der hochbegabte, aber elende und sittlich verkommne
Herzog von Orleans, bezeichnete hierauf die Sitzung als ungesetzlich und ver¬
langte, daß der Vermerk hinzugefügt werde, die Einregistrierung sei nur auf
Befehl des Königs erfolgt; Ludwig stammelte einige verlegne Worte, blieb
aber doch fest, auch als nach seinem Fortgange das Parlament den Beschluß
faßte, der Gerichtshof habe an der Registrierung, die ungesetzlich sei, keinen
Anteil. Der Herzog wurde nach Villers-Cotterets verbannt, und zwei Par¬
lamentsräte wurden eingekerkert; der König ließ sich auch dann nicht herbei,
nachzugeben, als sich das Parlament einige Tage später mit dem Herzog
solidarisch erklärte und die Maßregeln gegen ihn und die beiden andern Be¬
straften scharf geißelte. Ja der König ging in den nächsten Monaten noch
strenger gegen das Parlament vor.

Nicht minder gereizt als das Pariser Parlament zeigten sich die Parla¬
mente und selbst kleinere königliche Gerichtshöfe in den Provinzen. Auch sie
Protestierten gegen die neuen Steuern, forderten die Generalstände und ver¬
wandten sich für die in die Verbannung geschickten Pariser Parlamentsräte.
Erfreulicher ist das Bild, das die 1787 eingeführten Provinzialversammlungen
boten. Sie sollten zunächst unter die strengste Kontrolle der Intendanten ge¬
stellt werden, denen sie von allen wichtigen Schritten Mitteilung zu machen
hatten, sodaß von Selbständigkeit dieser Verwaltungsbehörden wenig die Rede
gewesen wäre. Aber bald trat die Regierung auch hier den Rückzug an. und
in der Instruktion vom 17. August 1787 gestand sie ihnen eine viel größere
Bewegungsfreiheit zu, sodaß zum Beispiel der Intendant die Sitzungen nur bei
außerordentlichen Anlässen besuchen durfte und nur die regelmüßige Korrespondenz
der Versammlungen durch seine Hand ging, während sich in allen besondern
Fällen diese direkt an die Regierung wenden durften. In einigen Provinzen,
zum Beispiel in Jsle de France, wurde sehr wacker und ohne wesentliche
Opposition gegen den König gearbeitet: man beriet über die Verteilung der
Steuern, über die Kosten der aufzubringenden Miliz, über Einschränkung der
Bettelei und Vagabondage, wobei man schon auf den Gedanken einer staat¬
lichen Altersversorgung kam, über die Förderung des Handels- und Fabrikwesens
und besonders des Ackerbaus in phhsiokratischem Sinne und über andre wichtige
Dinge. Stürmischer ging es dagegen in der Versammlung der Auvergne zu;
Ms ihrer Mitglieder. La Fayette, zeigte, weit weniger Verständnis für die
wahren Bedürfnisse der Provinz und- erging sich zunächst in allgemeinen Magen
über Steuerdruck und Binnenzölle» deren, Abschaffung, ja die Regierung schon
selbst vorgeschlagen hatte. Bezeichnend <war übrigens der Antrag der Provinzial-
versammtung der drei Bistümer und Elermontais' an. den König, von der Zoll¬
verlegung an die Grenze gegen Deutschland Abstand zu nehmen, weil man den
regen Handelsverkehr mit diesem Lande durch einen erhöhten Grenzzoll schwer
schädigen würde. Überhaupt bieten die Verhandlungen aller dieser und der
andern Provinzen viel interessantes, worauf hier im einzelnen nicht eingegangen


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[0217] Vorgeschichte der französischen Revolution von l.739 zuregistrieren. Sein Vetter, der hochbegabte, aber elende und sittlich verkommne Herzog von Orleans, bezeichnete hierauf die Sitzung als ungesetzlich und ver¬ langte, daß der Vermerk hinzugefügt werde, die Einregistrierung sei nur auf Befehl des Königs erfolgt; Ludwig stammelte einige verlegne Worte, blieb aber doch fest, auch als nach seinem Fortgange das Parlament den Beschluß faßte, der Gerichtshof habe an der Registrierung, die ungesetzlich sei, keinen Anteil. Der Herzog wurde nach Villers-Cotterets verbannt, und zwei Par¬ lamentsräte wurden eingekerkert; der König ließ sich auch dann nicht herbei, nachzugeben, als sich das Parlament einige Tage später mit dem Herzog solidarisch erklärte und die Maßregeln gegen ihn und die beiden andern Be¬ straften scharf geißelte. Ja der König ging in den nächsten Monaten noch strenger gegen das Parlament vor. Nicht minder gereizt als das Pariser Parlament zeigten sich die Parla¬ mente und selbst kleinere königliche Gerichtshöfe in den Provinzen. Auch sie Protestierten gegen die neuen Steuern, forderten die Generalstände und ver¬ wandten sich für die in die Verbannung geschickten Pariser Parlamentsräte. Erfreulicher ist das Bild, das die 1787 eingeführten Provinzialversammlungen boten. Sie sollten zunächst unter die strengste Kontrolle der Intendanten ge¬ stellt werden, denen sie von allen wichtigen Schritten Mitteilung zu machen hatten, sodaß von Selbständigkeit dieser Verwaltungsbehörden wenig die Rede gewesen wäre. Aber bald trat die Regierung auch hier den Rückzug an. und in der Instruktion vom 17. August 1787 gestand sie ihnen eine viel größere Bewegungsfreiheit zu, sodaß zum Beispiel der Intendant die Sitzungen nur bei außerordentlichen Anlässen besuchen durfte und nur die regelmüßige Korrespondenz der Versammlungen durch seine Hand ging, während sich in allen besondern Fällen diese direkt an die Regierung wenden durften. In einigen Provinzen, zum Beispiel in Jsle de France, wurde sehr wacker und ohne wesentliche Opposition gegen den König gearbeitet: man beriet über die Verteilung der Steuern, über die Kosten der aufzubringenden Miliz, über Einschränkung der Bettelei und Vagabondage, wobei man schon auf den Gedanken einer staat¬ lichen Altersversorgung kam, über die Förderung des Handels- und Fabrikwesens und besonders des Ackerbaus in phhsiokratischem Sinne und über andre wichtige Dinge. Stürmischer ging es dagegen in der Versammlung der Auvergne zu; Ms ihrer Mitglieder. La Fayette, zeigte, weit weniger Verständnis für die wahren Bedürfnisse der Provinz und- erging sich zunächst in allgemeinen Magen über Steuerdruck und Binnenzölle» deren, Abschaffung, ja die Regierung schon selbst vorgeschlagen hatte. Bezeichnend <war übrigens der Antrag der Provinzial- versammtung der drei Bistümer und Elermontais' an. den König, von der Zoll¬ verlegung an die Grenze gegen Deutschland Abstand zu nehmen, weil man den regen Handelsverkehr mit diesem Lande durch einen erhöhten Grenzzoll schwer schädigen würde. Überhaupt bieten die Verhandlungen aller dieser und der andern Provinzen viel interessantes, worauf hier im einzelnen nicht eingegangen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/217>, abgerufen am 22.12.2024.