Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorgeschichte der französischen Revolution von ^789

werden kann. Nur das sei hervorgehoben, daß in diesen Verhandlungen alle
drei Stände gegen die Regierung fest zusammenhielten; der Tiers hatte hierbei
ebenso viele Mitglieder wie die beiden andern Stände zusammengenommen.
Ähnlich anerkennenswert wie die Provinzialversammlungen arbeiteten die ihnen
unterstellten Departements- oder Distriktsversammlungen und die Mumzipalitäts-
oder Gemeindeversammlungen (in den Dörfern). Wo hier und da solche Ver¬
sammlungen überhaupt nicht zustande kamen, da waren wiederum die Pro-
vinzialparlamente schuld, die nun einmal der Regierung, wo sie nnr konnten,
Opposition machten. Aber alles in allem läßt sich nicht mehr behaupten, jene
Zeit "habe in Reaktion, Trägheit, Stillstand und Absterben vegetiert, während
in Wirklichkeit Freimut, frische Tätigkeit Und pulsierendes Leben herrschten".

Das zeigt sich auch in der öffentlichen Meinung von 1787, die von der
des folgenden Jahres noch wesentlich absticht. Schon vor der Berufung der
Notabeln erschien 1787 ein anonymes Werk (Instruktion für les ^ssomdless
Rationales), worin der maßvolle Verfasser nach dem Vorgange Montesquieus
eine beschränkte Monarchie verlangt. In dieser sollten aber nicht die alten
Generalstände, sondern zwei Kammern, ein Oberhaus (Klerus und gesamter
Adel) und ein Unterhaus (Volk) berufen werden. Dabei erfährt der Bourgeois,
der späterhin gerade der Held des Tages wird, hier noch eine überaus scharfe
Beurteilung; er habe nur "Dünkel und Renten", sei träge, verachte den Acker¬
bauer und müßte im Unterhause eigentlich zuletzt kommen, hinter den einfachen
Arbeitern und Handwerkern. Ebenso tritt in diesem Werke noch der Gegensatz,
der zwischen Reichen und Armen gemacht wird, und der vor der Revolution
gänzlich verstummte, aufs schärfste zutage. Auch in andern Schriften von
1787 forderte man meist in maßvoller Weise größere Freiheiten und neben der
gleichmäßigen Besteuerung jeglichen Grundbesitzes (in Land und Stadt) eben
zur Entlastung des Grundbesitzes auch eine Steuer für die Bourgeois und In¬
dustriellen. Auch hier unterscheidet man niemals Adel und Bürgerliche, sondern
immer wieder Reiche und Arme. Den größten Einfluß auf die öffentliche
Meinung gewann jedenfalls die Broschüre Mirabeaus, die er unter dem Titel
"Denunziation des Börsenspiels" an den König und die Notabeln richtete. Es
war ein wütender Angriff gegen den Liebling des Volks, Necker, und sein
chimärisches System, die Kosten des Krieges durch fortwährende Anleihen ohne
Steuern zu decken; aber damit hatte er bei der Masse ebensowenig Erfolg
wie mit der Aufdeckung wirklicher und vermeintlicher Börsenmanöver und ^ der
Börsenpolitik der Regierung überhaupt- Die große Masse las aus seiner
Schrift vielmehr nur solche Dinge heraus, die ihr genehm waren, die Forderung
einer Konstitution, von Preßfreiheit und wirtschaftlicher Freiheit. Nach der
Notabelnversammlung wurde die Stimmung schon gereizter. Brissot behauptete
damals in einer kleinen Schrift, daß die fünf Wünsche des Parlaments gerecht
seien, und forderte, daß sie erfüllt werden sollten, nämlich Feststellung des
Fehlbetrags; Aufhebung der beiden Steuern, bis dieser bekannt sei; Bürgschaft,


Vorgeschichte der französischen Revolution von ^789

werden kann. Nur das sei hervorgehoben, daß in diesen Verhandlungen alle
drei Stände gegen die Regierung fest zusammenhielten; der Tiers hatte hierbei
ebenso viele Mitglieder wie die beiden andern Stände zusammengenommen.
Ähnlich anerkennenswert wie die Provinzialversammlungen arbeiteten die ihnen
unterstellten Departements- oder Distriktsversammlungen und die Mumzipalitäts-
oder Gemeindeversammlungen (in den Dörfern). Wo hier und da solche Ver¬
sammlungen überhaupt nicht zustande kamen, da waren wiederum die Pro-
vinzialparlamente schuld, die nun einmal der Regierung, wo sie nnr konnten,
Opposition machten. Aber alles in allem läßt sich nicht mehr behaupten, jene
Zeit „habe in Reaktion, Trägheit, Stillstand und Absterben vegetiert, während
in Wirklichkeit Freimut, frische Tätigkeit Und pulsierendes Leben herrschten".

Das zeigt sich auch in der öffentlichen Meinung von 1787, die von der
des folgenden Jahres noch wesentlich absticht. Schon vor der Berufung der
Notabeln erschien 1787 ein anonymes Werk (Instruktion für les ^ssomdless
Rationales), worin der maßvolle Verfasser nach dem Vorgange Montesquieus
eine beschränkte Monarchie verlangt. In dieser sollten aber nicht die alten
Generalstände, sondern zwei Kammern, ein Oberhaus (Klerus und gesamter
Adel) und ein Unterhaus (Volk) berufen werden. Dabei erfährt der Bourgeois,
der späterhin gerade der Held des Tages wird, hier noch eine überaus scharfe
Beurteilung; er habe nur „Dünkel und Renten", sei träge, verachte den Acker¬
bauer und müßte im Unterhause eigentlich zuletzt kommen, hinter den einfachen
Arbeitern und Handwerkern. Ebenso tritt in diesem Werke noch der Gegensatz,
der zwischen Reichen und Armen gemacht wird, und der vor der Revolution
gänzlich verstummte, aufs schärfste zutage. Auch in andern Schriften von
1787 forderte man meist in maßvoller Weise größere Freiheiten und neben der
gleichmäßigen Besteuerung jeglichen Grundbesitzes (in Land und Stadt) eben
zur Entlastung des Grundbesitzes auch eine Steuer für die Bourgeois und In¬
dustriellen. Auch hier unterscheidet man niemals Adel und Bürgerliche, sondern
immer wieder Reiche und Arme. Den größten Einfluß auf die öffentliche
Meinung gewann jedenfalls die Broschüre Mirabeaus, die er unter dem Titel
„Denunziation des Börsenspiels" an den König und die Notabeln richtete. Es
war ein wütender Angriff gegen den Liebling des Volks, Necker, und sein
chimärisches System, die Kosten des Krieges durch fortwährende Anleihen ohne
Steuern zu decken; aber damit hatte er bei der Masse ebensowenig Erfolg
wie mit der Aufdeckung wirklicher und vermeintlicher Börsenmanöver und ^ der
Börsenpolitik der Regierung überhaupt- Die große Masse las aus seiner
Schrift vielmehr nur solche Dinge heraus, die ihr genehm waren, die Forderung
einer Konstitution, von Preßfreiheit und wirtschaftlicher Freiheit. Nach der
Notabelnversammlung wurde die Stimmung schon gereizter. Brissot behauptete
damals in einer kleinen Schrift, daß die fünf Wünsche des Parlaments gerecht
seien, und forderte, daß sie erfüllt werden sollten, nämlich Feststellung des
Fehlbetrags; Aufhebung der beiden Steuern, bis dieser bekannt sei; Bürgschaft,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313921"/>
          <fw type="header" place="top"> Vorgeschichte der französischen Revolution von ^789</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_945" prev="#ID_944"> werden kann. Nur das sei hervorgehoben, daß in diesen Verhandlungen alle<lb/>
drei Stände gegen die Regierung fest zusammenhielten; der Tiers hatte hierbei<lb/>
ebenso viele Mitglieder wie die beiden andern Stände zusammengenommen.<lb/>
Ähnlich anerkennenswert wie die Provinzialversammlungen arbeiteten die ihnen<lb/>
unterstellten Departements- oder Distriktsversammlungen und die Mumzipalitäts-<lb/>
oder Gemeindeversammlungen (in den Dörfern). Wo hier und da solche Ver¬<lb/>
sammlungen überhaupt nicht zustande kamen, da waren wiederum die Pro-<lb/>
vinzialparlamente schuld, die nun einmal der Regierung, wo sie nnr konnten,<lb/>
Opposition machten. Aber alles in allem läßt sich nicht mehr behaupten, jene<lb/>
Zeit &#x201E;habe in Reaktion, Trägheit, Stillstand und Absterben vegetiert, während<lb/>
in Wirklichkeit Freimut, frische Tätigkeit Und pulsierendes Leben herrschten".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_946" next="#ID_947"> Das zeigt sich auch in der öffentlichen Meinung von 1787, die von der<lb/>
des folgenden Jahres noch wesentlich absticht. Schon vor der Berufung der<lb/>
Notabeln erschien 1787 ein anonymes Werk (Instruktion für les ^ssomdless<lb/>
Rationales), worin der maßvolle Verfasser nach dem Vorgange Montesquieus<lb/>
eine beschränkte Monarchie verlangt. In dieser sollten aber nicht die alten<lb/>
Generalstände, sondern zwei Kammern, ein Oberhaus (Klerus und gesamter<lb/>
Adel) und ein Unterhaus (Volk) berufen werden. Dabei erfährt der Bourgeois,<lb/>
der späterhin gerade der Held des Tages wird, hier noch eine überaus scharfe<lb/>
Beurteilung; er habe nur &#x201E;Dünkel und Renten", sei träge, verachte den Acker¬<lb/>
bauer und müßte im Unterhause eigentlich zuletzt kommen, hinter den einfachen<lb/>
Arbeitern und Handwerkern. Ebenso tritt in diesem Werke noch der Gegensatz,<lb/>
der zwischen Reichen und Armen gemacht wird, und der vor der Revolution<lb/>
gänzlich verstummte, aufs schärfste zutage. Auch in andern Schriften von<lb/>
1787 forderte man meist in maßvoller Weise größere Freiheiten und neben der<lb/>
gleichmäßigen Besteuerung jeglichen Grundbesitzes (in Land und Stadt) eben<lb/>
zur Entlastung des Grundbesitzes auch eine Steuer für die Bourgeois und In¬<lb/>
dustriellen. Auch hier unterscheidet man niemals Adel und Bürgerliche, sondern<lb/>
immer wieder Reiche und Arme. Den größten Einfluß auf die öffentliche<lb/>
Meinung gewann jedenfalls die Broschüre Mirabeaus, die er unter dem Titel<lb/>
&#x201E;Denunziation des Börsenspiels" an den König und die Notabeln richtete. Es<lb/>
war ein wütender Angriff gegen den Liebling des Volks, Necker, und sein<lb/>
chimärisches System, die Kosten des Krieges durch fortwährende Anleihen ohne<lb/>
Steuern zu decken; aber damit hatte er bei der Masse ebensowenig Erfolg<lb/>
wie mit der Aufdeckung wirklicher und vermeintlicher Börsenmanöver und ^ der<lb/>
Börsenpolitik der Regierung überhaupt- Die große Masse las aus seiner<lb/>
Schrift vielmehr nur solche Dinge heraus, die ihr genehm waren, die Forderung<lb/>
einer Konstitution, von Preßfreiheit und wirtschaftlicher Freiheit. Nach der<lb/>
Notabelnversammlung wurde die Stimmung schon gereizter. Brissot behauptete<lb/>
damals in einer kleinen Schrift, daß die fünf Wünsche des Parlaments gerecht<lb/>
seien, und forderte, daß sie erfüllt werden sollten, nämlich Feststellung des<lb/>
Fehlbetrags; Aufhebung der beiden Steuern, bis dieser bekannt sei; Bürgschaft,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0218] Vorgeschichte der französischen Revolution von ^789 werden kann. Nur das sei hervorgehoben, daß in diesen Verhandlungen alle drei Stände gegen die Regierung fest zusammenhielten; der Tiers hatte hierbei ebenso viele Mitglieder wie die beiden andern Stände zusammengenommen. Ähnlich anerkennenswert wie die Provinzialversammlungen arbeiteten die ihnen unterstellten Departements- oder Distriktsversammlungen und die Mumzipalitäts- oder Gemeindeversammlungen (in den Dörfern). Wo hier und da solche Ver¬ sammlungen überhaupt nicht zustande kamen, da waren wiederum die Pro- vinzialparlamente schuld, die nun einmal der Regierung, wo sie nnr konnten, Opposition machten. Aber alles in allem läßt sich nicht mehr behaupten, jene Zeit „habe in Reaktion, Trägheit, Stillstand und Absterben vegetiert, während in Wirklichkeit Freimut, frische Tätigkeit Und pulsierendes Leben herrschten". Das zeigt sich auch in der öffentlichen Meinung von 1787, die von der des folgenden Jahres noch wesentlich absticht. Schon vor der Berufung der Notabeln erschien 1787 ein anonymes Werk (Instruktion für les ^ssomdless Rationales), worin der maßvolle Verfasser nach dem Vorgange Montesquieus eine beschränkte Monarchie verlangt. In dieser sollten aber nicht die alten Generalstände, sondern zwei Kammern, ein Oberhaus (Klerus und gesamter Adel) und ein Unterhaus (Volk) berufen werden. Dabei erfährt der Bourgeois, der späterhin gerade der Held des Tages wird, hier noch eine überaus scharfe Beurteilung; er habe nur „Dünkel und Renten", sei träge, verachte den Acker¬ bauer und müßte im Unterhause eigentlich zuletzt kommen, hinter den einfachen Arbeitern und Handwerkern. Ebenso tritt in diesem Werke noch der Gegensatz, der zwischen Reichen und Armen gemacht wird, und der vor der Revolution gänzlich verstummte, aufs schärfste zutage. Auch in andern Schriften von 1787 forderte man meist in maßvoller Weise größere Freiheiten und neben der gleichmäßigen Besteuerung jeglichen Grundbesitzes (in Land und Stadt) eben zur Entlastung des Grundbesitzes auch eine Steuer für die Bourgeois und In¬ dustriellen. Auch hier unterscheidet man niemals Adel und Bürgerliche, sondern immer wieder Reiche und Arme. Den größten Einfluß auf die öffentliche Meinung gewann jedenfalls die Broschüre Mirabeaus, die er unter dem Titel „Denunziation des Börsenspiels" an den König und die Notabeln richtete. Es war ein wütender Angriff gegen den Liebling des Volks, Necker, und sein chimärisches System, die Kosten des Krieges durch fortwährende Anleihen ohne Steuern zu decken; aber damit hatte er bei der Masse ebensowenig Erfolg wie mit der Aufdeckung wirklicher und vermeintlicher Börsenmanöver und ^ der Börsenpolitik der Regierung überhaupt- Die große Masse las aus seiner Schrift vielmehr nur solche Dinge heraus, die ihr genehm waren, die Forderung einer Konstitution, von Preßfreiheit und wirtschaftlicher Freiheit. Nach der Notabelnversammlung wurde die Stimmung schon gereizter. Brissot behauptete damals in einer kleinen Schrift, daß die fünf Wünsche des Parlaments gerecht seien, und forderte, daß sie erfüllt werden sollten, nämlich Feststellung des Fehlbetrags; Aufhebung der beiden Steuern, bis dieser bekannt sei; Bürgschaft,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/218
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/218>, abgerufen am 22.07.2024.