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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Vorgeschichte der französischen Revolution von 1,739

Plänen stand, allerdings in aller Form und, wie es scheint, mit dem kolossalen
Aufwands von fünfzig Millionen rüstete; bis zum Januar 1788 sollten sechzig
Linienschiffe segelbereit sein; siebzig Regimenter Infanterie erhielten Marschorder,
im November sollten sie sich in Toulon, Brest, Cherbourg sammeln. Inzwischen
waren die Preußen schon lange in Holland eingerückt, und schon am 20. Sep¬
tember hatte Wilhelm von Oranien im Haag seinen Einzug gehalten. Frankreich
hatte also die Zeit verpaßt, und selbst der englischen Diplomatie gelang es, den
Versailler Hof am 27. Oktober zu einer geradezu demütigender Erklärung zu
bringen, "er habe nie die Absicht gehabt und habe sie auch jetzt nicht, sich mit
bewaffneter Macht spar toros) in die Angelegenheiten Hollands einzumischen,
ja daß er nach keiner Richtung hin feindliche Gesinnungen wegen der hollän¬
dischen Ereignisse bewahre". Wir sehen also die damalige Regierung Frank¬
reichs nach außen hin ebenso schwach und erbärmlich handeln wie im Innern.
Die breiten Massen des Volks empfanden diese Schmach mit Zähneknirschen
und Empörung, und Napoleon kann wohl recht haben, wenn er in den hollän¬
dischen Wirren den dritten und letzten Grund für den Zusammenbruch der
Monarchie sah. Einen Teil der Schuld trugen allerdings die verfahrnen, ganz
unzulänglich gewordnen Finanzen des Staats, denen man durch Ersparnisse,
eine neue Lotterie und die Erhöhung der Zwanzigster doch nur teilweise auf¬
helfen konnte. So kam denn Brienne, man weiß nicht, ob aus eignem Antriebe
oder durch die unverschämten Bitten des Parlaments dahingebracht, ans den
Gedanken, die Generalstände zu berufen, um durch diese eine Anleihe in großem
Stile aufnehmen zu können. Im einzelnen sind die Erwägungen der Regierung
zu wenig bekannt. Man scheint zunächst eine Volksvertretung und nicht bloß
beratender, sondern auch entscheidender Stimme dadurch ins Leben haben rufen
wollen, daß man einen aus den Provinzialversammlungen gewählten Ausschuß
zusammenrief. Man kam dann von diesem gesunden Gedanken ab, wahrscheinlich
weil die Parlamente immer heftiger nach den Generalständen verlangten, aber
man gedachte sich die Sache recht leicht zu machen. In der stürmischen Par¬
lamentssitzung vom 17. November 1787 erklärte nämlich der Vertreter der
Regierung nachdrücklich, der König sei nur Gott verantwortlich und besitze allein
die souveräne Gewalt im Reiche; die Provinzialversammlungen seien heilsamer
als Generalstände, aber wenn sich die Finanzlage gebessert habe, und dies sei
zu erwarten infolge der weitern Ersparnisse und Anleihen, so werde der König
der versammelten ^ MatioM alles verkündigen, Msvet-Mr-ihxMjU.'Man-Wk
Also nach Ablauf von fünf Jahder, in denen man zusammen 420 Millionen
aufzunehmen vorschlug, wollte der König die Generalstände einberufen^ denen
jedoch nur mitgeteilt werden sollte, was die Regierung schon getan habe! Das
war überaus wenig und genügte natürlich den Parlamentsräten nicht, die, da
es sich um keine Kissensitzung handelte, mit ihrer Sprache frei herauskamen und
denn auch sieben Stunden debattierten. Da sie die Anleihe entschieden ablehnten,
befahl der König, ohne eine Abstimmung vornehmen zu lassen, das Edikt ein-


Vorgeschichte der französischen Revolution von 1,739

Plänen stand, allerdings in aller Form und, wie es scheint, mit dem kolossalen
Aufwands von fünfzig Millionen rüstete; bis zum Januar 1788 sollten sechzig
Linienschiffe segelbereit sein; siebzig Regimenter Infanterie erhielten Marschorder,
im November sollten sie sich in Toulon, Brest, Cherbourg sammeln. Inzwischen
waren die Preußen schon lange in Holland eingerückt, und schon am 20. Sep¬
tember hatte Wilhelm von Oranien im Haag seinen Einzug gehalten. Frankreich
hatte also die Zeit verpaßt, und selbst der englischen Diplomatie gelang es, den
Versailler Hof am 27. Oktober zu einer geradezu demütigender Erklärung zu
bringen, „er habe nie die Absicht gehabt und habe sie auch jetzt nicht, sich mit
bewaffneter Macht spar toros) in die Angelegenheiten Hollands einzumischen,
ja daß er nach keiner Richtung hin feindliche Gesinnungen wegen der hollän¬
dischen Ereignisse bewahre". Wir sehen also die damalige Regierung Frank¬
reichs nach außen hin ebenso schwach und erbärmlich handeln wie im Innern.
Die breiten Massen des Volks empfanden diese Schmach mit Zähneknirschen
und Empörung, und Napoleon kann wohl recht haben, wenn er in den hollän¬
dischen Wirren den dritten und letzten Grund für den Zusammenbruch der
Monarchie sah. Einen Teil der Schuld trugen allerdings die verfahrnen, ganz
unzulänglich gewordnen Finanzen des Staats, denen man durch Ersparnisse,
eine neue Lotterie und die Erhöhung der Zwanzigster doch nur teilweise auf¬
helfen konnte. So kam denn Brienne, man weiß nicht, ob aus eignem Antriebe
oder durch die unverschämten Bitten des Parlaments dahingebracht, ans den
Gedanken, die Generalstände zu berufen, um durch diese eine Anleihe in großem
Stile aufnehmen zu können. Im einzelnen sind die Erwägungen der Regierung
zu wenig bekannt. Man scheint zunächst eine Volksvertretung und nicht bloß
beratender, sondern auch entscheidender Stimme dadurch ins Leben haben rufen
wollen, daß man einen aus den Provinzialversammlungen gewählten Ausschuß
zusammenrief. Man kam dann von diesem gesunden Gedanken ab, wahrscheinlich
weil die Parlamente immer heftiger nach den Generalständen verlangten, aber
man gedachte sich die Sache recht leicht zu machen. In der stürmischen Par¬
lamentssitzung vom 17. November 1787 erklärte nämlich der Vertreter der
Regierung nachdrücklich, der König sei nur Gott verantwortlich und besitze allein
die souveräne Gewalt im Reiche; die Provinzialversammlungen seien heilsamer
als Generalstände, aber wenn sich die Finanzlage gebessert habe, und dies sei
zu erwarten infolge der weitern Ersparnisse und Anleihen, so werde der König
der versammelten ^ MatioM alles verkündigen, Msvet-Mr-ihxMjU.'Man-Wk
Also nach Ablauf von fünf Jahder, in denen man zusammen 420 Millionen
aufzunehmen vorschlug, wollte der König die Generalstände einberufen^ denen
jedoch nur mitgeteilt werden sollte, was die Regierung schon getan habe! Das
war überaus wenig und genügte natürlich den Parlamentsräten nicht, die, da
es sich um keine Kissensitzung handelte, mit ihrer Sprache frei herauskamen und
denn auch sieben Stunden debattierten. Da sie die Anleihe entschieden ablehnten,
befahl der König, ohne eine Abstimmung vornehmen zu lassen, das Edikt ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/216>, abgerufen am 22.12.2024.