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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

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Vorgeschichte der französischen Revolution von ^739

den Notabeln gegebne Wort nicht; denn der König genehmigte die Veröffent¬
lichung des Budgets immer nur für einen Zeitraum von drei Jahren, was
die Kontrolle der Finanzen natürlich illusorisch gemacht hätte, und willigte nur
insofern in einen Finanzrat, als er ihn selbst nach Gutdünken besetzen wollte.
Die Notabeln waren überaus erbittert, und in dieser Stimmung traten die
Bureaus in die letzten Beratungen ein, die sich mit dem Tilgungsplan des
Fehlbetrages beschäftigten. Nur unter Vorbehalt bewilligten sie zwei Steuern,
die Territorial- und die Stempelsteuer, indem sie erklärten, sie seien keine
Vertreter des Volkes, und nur solche hätten das Recht, neue Steuern zu be¬
willigen. Sie erinnerten damit an die in den letzten Monaten schon hier und
da geforderte Berufung der Generalstände; zwei Bureaus wiesen den König
auch auf die Parlamente hin, durch die er die neuen Steuern einregistrieren
lassen solle; beides Dinge, vor denen die Negierung gerade am meisten zurück¬
schreckte. An ein Weiterarbeiten mit so widerspenstigen Vertretern war also nicht
mehr zu denken: am 25. Mai 1787 wurde die Versammlung aufgelöst. Man
kann ihr das Zeugnis ausstellen, daß sie redlich gearbeitet hat; bleibenden
Wert hatte namentlich die Einrichtung der Provinzial-, Distrikts- und Gemeinde¬
versammlungen und die Erklärung der bevorrechteten Stände, auf ihre Steuer¬
privilegien für immer verzichten zu wollen. Jene Versammlungen freilich
kamen sofort in Konflikt mit den staatlichen Beamten, den Intendanten und
Subintendanteu, und dieser Umstand hat dann wesentlich das plötzliche Still¬
stehen der Verwaltung in den ersten Jahren der Revolutionszeit mitverschuldet;
aber andrerseits ging aus ihnen doch eine große Zahl politisch gebildeter
Männer hervor, die zur Übernahme der Verwaltung des Landes fähig waren.

, Es handelte sich nun für die Regierung darum, wie sich das Pariser Par¬
lament zu den neuen Gesetzen stellen würde. Ohne weiteres wurden die Gesetze
über die Freiheit des Getreidehandels, über die Wegefron und über die
Provinzialversammlungen einregistriert; um so heftiger hob aber der Kampf um
die Bewilligung der neuen Steuern an. Das Parlament ahmte hierbei durchaus
das Verfahren der Notabeln nach und verlangte zunächst bei der Beratung der
Stempelsteuer, die Negierung solle ihm genausten Aufschluß über die Höhe des
Defizits geben. Der König antwortete mit dem Befehl, das Steuergesetz ein-
zuregistrieren. Dagegen machte das Parlament Gegenvorstellungen (remon-
trances), in denen es unter andern: behauptete, "neue Steuern dürften gemäß
den Menschenrechten (Sroits as l'Koinius) nur dann erhoben werden, wenn die
Ausgaben nicht weiter eingeschränkt werden könnten"; es versetzte dabei den
königlichen Höflingen und der Bautätigkeit unter Calonne verletzende Seitenhiebe.
Überdies könnte eine dauernde neue Steuer nur durch Generalstände bewilligt
werden, um deren Berufung man ausdrücklich bat. Trotzdem hielt der König
in dem Erlaß vom 27. Juli 1787 an dem Stempelgesetze fest und übersandte
am folgenden Tage dem Parlament auch das Gesetz über die von den Notabeln
bedingt angenommene Territorialsteuer. Da das Parlament auch dieses Gesetz


Vorgeschichte der französischen Revolution von ^739

den Notabeln gegebne Wort nicht; denn der König genehmigte die Veröffent¬
lichung des Budgets immer nur für einen Zeitraum von drei Jahren, was
die Kontrolle der Finanzen natürlich illusorisch gemacht hätte, und willigte nur
insofern in einen Finanzrat, als er ihn selbst nach Gutdünken besetzen wollte.
Die Notabeln waren überaus erbittert, und in dieser Stimmung traten die
Bureaus in die letzten Beratungen ein, die sich mit dem Tilgungsplan des
Fehlbetrages beschäftigten. Nur unter Vorbehalt bewilligten sie zwei Steuern,
die Territorial- und die Stempelsteuer, indem sie erklärten, sie seien keine
Vertreter des Volkes, und nur solche hätten das Recht, neue Steuern zu be¬
willigen. Sie erinnerten damit an die in den letzten Monaten schon hier und
da geforderte Berufung der Generalstände; zwei Bureaus wiesen den König
auch auf die Parlamente hin, durch die er die neuen Steuern einregistrieren
lassen solle; beides Dinge, vor denen die Negierung gerade am meisten zurück¬
schreckte. An ein Weiterarbeiten mit so widerspenstigen Vertretern war also nicht
mehr zu denken: am 25. Mai 1787 wurde die Versammlung aufgelöst. Man
kann ihr das Zeugnis ausstellen, daß sie redlich gearbeitet hat; bleibenden
Wert hatte namentlich die Einrichtung der Provinzial-, Distrikts- und Gemeinde¬
versammlungen und die Erklärung der bevorrechteten Stände, auf ihre Steuer¬
privilegien für immer verzichten zu wollen. Jene Versammlungen freilich
kamen sofort in Konflikt mit den staatlichen Beamten, den Intendanten und
Subintendanteu, und dieser Umstand hat dann wesentlich das plötzliche Still¬
stehen der Verwaltung in den ersten Jahren der Revolutionszeit mitverschuldet;
aber andrerseits ging aus ihnen doch eine große Zahl politisch gebildeter
Männer hervor, die zur Übernahme der Verwaltung des Landes fähig waren.

, Es handelte sich nun für die Regierung darum, wie sich das Pariser Par¬
lament zu den neuen Gesetzen stellen würde. Ohne weiteres wurden die Gesetze
über die Freiheit des Getreidehandels, über die Wegefron und über die
Provinzialversammlungen einregistriert; um so heftiger hob aber der Kampf um
die Bewilligung der neuen Steuern an. Das Parlament ahmte hierbei durchaus
das Verfahren der Notabeln nach und verlangte zunächst bei der Beratung der
Stempelsteuer, die Negierung solle ihm genausten Aufschluß über die Höhe des
Defizits geben. Der König antwortete mit dem Befehl, das Steuergesetz ein-
zuregistrieren. Dagegen machte das Parlament Gegenvorstellungen (remon-
trances), in denen es unter andern: behauptete, „neue Steuern dürften gemäß
den Menschenrechten (Sroits as l'Koinius) nur dann erhoben werden, wenn die
Ausgaben nicht weiter eingeschränkt werden könnten"; es versetzte dabei den
königlichen Höflingen und der Bautätigkeit unter Calonne verletzende Seitenhiebe.
Überdies könnte eine dauernde neue Steuer nur durch Generalstände bewilligt
werden, um deren Berufung man ausdrücklich bat. Trotzdem hielt der König
in dem Erlaß vom 27. Juli 1787 an dem Stempelgesetze fest und übersandte
am folgenden Tage dem Parlament auch das Gesetz über die von den Notabeln
bedingt angenommene Territorialsteuer. Da das Parlament auch dieses Gesetz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/214>, abgerufen am 23.07.2024.