Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Neue Lyrik kehrt, wie der Mann dann wieder zur Stadt kommt, das wird hier, nicht Daß neben ihr die alte Ballade nicht zu erklingen aufhört, zeigen Levin Einige ältere Werke und Sammlungen bitten erneut um Gehör. Richard Eine ganz vortreffliche, von Richard M. Meyer besorgte und eingeleitete Grenzboten III 1909 23
Neue Lyrik kehrt, wie der Mann dann wieder zur Stadt kommt, das wird hier, nicht Daß neben ihr die alte Ballade nicht zu erklingen aufhört, zeigen Levin Einige ältere Werke und Sammlungen bitten erneut um Gehör. Richard Eine ganz vortreffliche, von Richard M. Meyer besorgte und eingeleitete Grenzboten III 1909 23
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Neue Lyrik
kehrt, wie der Mann dann wieder zur Stadt kommt, das wird hier, nicht
immer mit künstlerischer Feinheit, aber mit dem warmen Streben zur Kunst
dargestellt. Und der Haß gegen die Schule, der nun seit Jahrzehnten im
deutschen Leben eine Rolle spielt, wird hier zum erstenmal lyrisch so stark be¬
kannt, daß auch der aufhorchen muß, der ihn nicht zu teilen vermag. Bis zu
wirklicher gesammelter Kraft erhebt sich Wegner am Schluß, da er an den
Eilzug sein Lied richtet, der ihn durch das Land reißt, und dessen Schütteln
und Donnern die alten Melodien der Vergangenheit durchtönt und übertönen
soll, indem es sie erweckt. Hier liegt jener Zug zur ganz modernen Ballade,
wie sie Liliencron zuerst singt, wie sie auch in Paquet immer wieder herauftönt.
Daß neben ihr die alte Ballade nicht zu erklingen aufhört, zeigen Levin
Ludwig Schückings „Lieder und Balladen" (Berlin, Fleischel). Es ist die
Göttinger Weise, die von Strachwitz gelernt hat, die Münchhausen und Lulu
von Strauß lieben, Verse, denen man gern lauscht, voller Leben und Be¬
wegung.
Einige ältere Werke und Sammlungen bitten erneut um Gehör. Richard
Dehmel gibt zum drittenmal ausgewählte Gedichte (bei S. Fischer in Berlin)
heraus. Diesmal sind es hundert Stücke, übrigens in prächtiger Ausstattung.
Die Wahl ist nicht ganz so zwingend wie frühere, ich vermisse manches
manchen liebgewordne Gedicht, aber auch sie zeigt ganz den ernsten, schweren,
kämpfenden und schließlich sieghaften Künstler. Wer Alfred Momberts ekstatisch-
sprunghafte Art auf schmalem Raume kennen lernen will, greife zu seiner Aus¬
wahl „Der himmlische Zecher" (Berlin, Schuster Loeffler). Max Bruns hat
„Die Gedichte" seiner letzten fünfzehn Jahre gesichtet und gesammelt (Minden,
I- C. C. Bruns), Karl Busses erste, einst so rasch bekanntgewordne „Gedichte"
erscheinen in neuer, sechster und siebenter Auflage (Stuttgart, Cotta), die
»Lieder eines Zigeuners" von seinem Bruder Georg Busse-Palma (ebenda) in
zweiter, um gehaltvolle Stücke vermehrter. Gern erinnert man sich vor Ludwig
Jacobowskis neu aufgelegten „Leuchtenden Tagen" (Berlin, Fleischel K Co.) der
vornehmen Persönlichkeit dieses früh gestorbnen Dichters; mir fiel in dem
Buch diesmal besonders das feine Gedicht auf Bismarcks Tod auf, eins der
wenigen guten Bismarckgedichte. Endlich sind auch die gehaltnen „Balladen"
von Wilhelm Brandes in dritter, vermehrter Auflage (bei Cotta) erschienen.
Eine ganz vortreffliche, von Richard M. Meyer besorgte und eingeleitete
Auswahl aus Goethes Gedichten bringt zu billigem Preis und in bequemem
Taschenformat der Verlag von Wilhelm Welcher in Leipzig. Nach ein paar
charakteristischen Proben aus Kindheit und Jünglingszeit folgt die Ausgabe
von 1789 mit einigen spätem Zusätzen und ihr im zweiten Bande der Gedichte
zweiter Teil von 1815 und eine Auslese der Alterslyrik über den West-östlichen
Divan bis zum Ausklang. Eine Gabe von besonderm Reiz und Duft bietet
der Grunowsche Verlag: „Alte, liebe Lieder". Es ist eine Auswahl aus
Gustav Wustmanns „Als der Großvater die Großmutter nahm". Da tönen
Grenzboten III 1909 23
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