Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Meine Jugend und die Religion einzelnes, das störend auffällt, hervorzuheben (ich erwähne nur die immer wieder¬ Meine Jugend und die Religion voll Ludwig Germersheim (Fortsetzung) le Schule selbst bereicherte mein Gemüt nicht. Was sie sonst zu geben Noch eine Gabe dieser Art schenkte mir damals die Heimat. Fast alle Gebete Meine Jugend und die Religion einzelnes, das störend auffällt, hervorzuheben (ich erwähne nur die immer wieder¬ Meine Jugend und die Religion voll Ludwig Germersheim (Fortsetzung) le Schule selbst bereicherte mein Gemüt nicht. Was sie sonst zu geben Noch eine Gabe dieser Art schenkte mir damals die Heimat. Fast alle Gebete <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313840"/> <fw type="header" place="top"> Meine Jugend und die Religion</fw><lb/> <p xml:id="ID_521" prev="#ID_520"> einzelnes, das störend auffällt, hervorzuheben (ich erwähne nur die immer wieder¬<lb/> kehrende häßliche Form: ich anerkenne, ich anempfehle statt ich erkenne an usw.<lb/> und die oft ungeschickte Stellung der Fürwörter, die sich ja bei Übersetzungen<lb/> leicht einschleicht). Bemerkt sei, daß zuweilen zu den von Calvin angeführten<lb/> Schriftworten falsche Stellen angegeben sind: I, 468 lies 1. Joh. 4, 4 statt Jak. 4, 5;<lb/> II, 276 Rom. 6, 8 statt 8. 17; 2. Kor. 4. 10 statt 1. Kor. 15, 49; II, 421<lb/> 1. Petr. 4, 8 statt Jak. 5, 20. Bedauerlich sind auch die vielen kleinen Druckfehler,<lb/> die namentlich den ersten Band entstellen. Doch soll mit diesen Bemerkungen<lb/> mehr ein kleiner Dienst für einen künftigen Neudruck geleistet sein als irgendwie<lb/> das Verdienst geschmälert werden, das sich Verleger und Herausgeber mit ihrer<lb/> Arbeit erworben haben. Möchten ihnen viele durch freudige Benutzung des<lb/> w<note type="byline"> G.W.</note> ertvollen, auch vornehm ausgestatteten Werkes danken. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Meine Jugend und die Religion<lb/><note type="byline"> voll Ludwig Germersheim</note> (Fortsetzung)</head><lb/> <p xml:id="ID_522"> le Schule selbst bereicherte mein Gemüt nicht. Was sie sonst zu geben<lb/> hatte, eignete ich mir ohne Mühe an. Meine Mnndnrt und meine<lb/> Abneigung gegen das Fragen, die sich bet mir im Verlaufe des<lb/> Schulbesuchs entwickelt hatte, stellte mich vor Rätsel, an deren Lösung<lb/> dann meine Phantasie arbeitete. Im Lesebuche erzählte ein Gedicht<lb/> von einem Finklein, das einen Drescher besucht und von diesem<lb/> gemahnt wird, nicht zu nah heranzukommen: daß ich, wenn ich dresch und klopf,<lb/> dich nicht treffe auf den Kopf. Ich war bitter arm an Vorstellungen aus dem<lb/> Tierleben, ich hatte den lieben Vogel, der so dankbar den ersten lauen, mattblauen<lb/> Himmel begrüßt, noch nicht kennen gelernt, einer Erklärung scheint man den be¬<lb/> kannten Vogelnamen nicht bedürftig gefunden zu haben, so blieb mir nach meiner<lb/> Mundart nur die Deutung des Wortes Finklein als Verkleinerungsform von Funke.<lb/> Und nun arbeitete meine Phantasie, halb erschreckt, halb gelockt von der dämonischen<lb/> Vorstellung eines sprechenden, spielend, drohend der Scheune nahenden Funkens<lb/> und erquickt von dem kühlen Gleichmut der Bauern, der den drohenden Feind<lb/> warnt. So gab die Mundart der Heimat dem armen Kinde, das in der Fremde<lb/> vereinsamte und der Natur fremd wurde, anstatt des Vogels ein Spielzeug für<lb/> seine Phantasie.</p><lb/> <p xml:id="ID_523" next="#ID_524"> Noch eine Gabe dieser Art schenkte mir damals die Heimat. Fast alle Gebete<lb/> sind für ein Kind voll von Rätseln, am dunkelsten war für mich und wohl auch<lb/> für meine Altersgenossen das Glaubensbekenntnis. Ich gewöhnte mich, an unlös¬<lb/> baren Rätseln wie: zu uns komme dein Reich, — wie auch wir vergeben unsern<lb/> Schuldigern, — und an Jesum Christum, seineu eingebornen Sohn, empfangen von<lb/> Maria der Jungfrau — mit gleichgiltigen Augen vorüberzugehu. Aber wo meiner<lb/> Phantasie in dieser fremden Welt eine Heimatähnlichkeit begegnete, da verweilte sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Meine Jugend und die Religion
einzelnes, das störend auffällt, hervorzuheben (ich erwähne nur die immer wieder¬
kehrende häßliche Form: ich anerkenne, ich anempfehle statt ich erkenne an usw.
und die oft ungeschickte Stellung der Fürwörter, die sich ja bei Übersetzungen
leicht einschleicht). Bemerkt sei, daß zuweilen zu den von Calvin angeführten
Schriftworten falsche Stellen angegeben sind: I, 468 lies 1. Joh. 4, 4 statt Jak. 4, 5;
II, 276 Rom. 6, 8 statt 8. 17; 2. Kor. 4. 10 statt 1. Kor. 15, 49; II, 421
1. Petr. 4, 8 statt Jak. 5, 20. Bedauerlich sind auch die vielen kleinen Druckfehler,
die namentlich den ersten Band entstellen. Doch soll mit diesen Bemerkungen
mehr ein kleiner Dienst für einen künftigen Neudruck geleistet sein als irgendwie
das Verdienst geschmälert werden, das sich Verleger und Herausgeber mit ihrer
Arbeit erworben haben. Möchten ihnen viele durch freudige Benutzung des
w G.W. ertvollen, auch vornehm ausgestatteten Werkes danken.
Meine Jugend und die Religion
voll Ludwig Germersheim (Fortsetzung)
le Schule selbst bereicherte mein Gemüt nicht. Was sie sonst zu geben
hatte, eignete ich mir ohne Mühe an. Meine Mnndnrt und meine
Abneigung gegen das Fragen, die sich bet mir im Verlaufe des
Schulbesuchs entwickelt hatte, stellte mich vor Rätsel, an deren Lösung
dann meine Phantasie arbeitete. Im Lesebuche erzählte ein Gedicht
von einem Finklein, das einen Drescher besucht und von diesem
gemahnt wird, nicht zu nah heranzukommen: daß ich, wenn ich dresch und klopf,
dich nicht treffe auf den Kopf. Ich war bitter arm an Vorstellungen aus dem
Tierleben, ich hatte den lieben Vogel, der so dankbar den ersten lauen, mattblauen
Himmel begrüßt, noch nicht kennen gelernt, einer Erklärung scheint man den be¬
kannten Vogelnamen nicht bedürftig gefunden zu haben, so blieb mir nach meiner
Mundart nur die Deutung des Wortes Finklein als Verkleinerungsform von Funke.
Und nun arbeitete meine Phantasie, halb erschreckt, halb gelockt von der dämonischen
Vorstellung eines sprechenden, spielend, drohend der Scheune nahenden Funkens
und erquickt von dem kühlen Gleichmut der Bauern, der den drohenden Feind
warnt. So gab die Mundart der Heimat dem armen Kinde, das in der Fremde
vereinsamte und der Natur fremd wurde, anstatt des Vogels ein Spielzeug für
seine Phantasie.
Noch eine Gabe dieser Art schenkte mir damals die Heimat. Fast alle Gebete
sind für ein Kind voll von Rätseln, am dunkelsten war für mich und wohl auch
für meine Altersgenossen das Glaubensbekenntnis. Ich gewöhnte mich, an unlös¬
baren Rätseln wie: zu uns komme dein Reich, — wie auch wir vergeben unsern
Schuldigern, — und an Jesum Christum, seineu eingebornen Sohn, empfangen von
Maria der Jungfrau — mit gleichgiltigen Augen vorüberzugehu. Aber wo meiner
Phantasie in dieser fremden Welt eine Heimatähnlichkeit begegnete, da verweilte sie
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