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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Reichsfinaiizreform

Die Matrikularbeiträge können allerdings innerhalb der durch diesen
Höchstbetrag gezognen Grenze schwanken, für das nächste Jahrfünft also
zwischen 0 und 80 Pfennig auf den Kopf der Bevölkerung. Aber durch diese
Höchstgrenze sind die Bundesstaaten nicht allein vor einer übermäßigen In¬
anspruchnahme für Neichszwecke gesichert, sondern auch iustaudgesetzt, im voraus
zu übersehen, wie hoch äußerstenfalls diese Inanspruchnahme sein kann, und
worauf sie sich demzufolge schlimmstenfalls einzurichten haben.

Daß auch das finanzielle Verhältnis der Gemeinden zum Reiche
durch die starke Abhängigkeit der beiderseitigen Finanzen und Finauzsysteme
berührt wird, wird an den Ausführungen des bekannten Professors der Rechte
von Blume in Halle". S., der zugleich Stadtverordneter ist, und den sta¬
tistischen Zahlen des Denkschriftenbandes Teil über die Bedingungen,
die die öffentlichen Finanzwirtschaften etwa im Jahre 1896 und im Jahre
1907/08 bei Deckung ihres Kreditbedarfs eingehen mußten, in einem Anhange
näher dargelegt.

In dem sechsten Kapitel wird die Entwicklung des deutschen
Schuldenwesens behandelt und ausgeführt, daß die gegenwärtige einen
Zinsendicnst von jährlich 155^ Millionen Mark erfordernde Schuldenlast des
Deutschen Reiches in Höhe von 4^ Milliarden Mark unter Berücksichtigung
aller schon im Kern bewilligten künftigen Anleihen bis 1913 auf 5^ Mil¬
liarden Schulden angelangt sein würde, deren Zinsendienst einschließlich der
Verwaltungskosten voraussichtlich auf 190 Millionen Mark steigen wird.
Daneben betrugen die bundesstaatlichen Schulden Anfang 1908 (einschließlich
der langfristigen, verzinslichen Schatzscheine) mehr als 14^ Milliarden Mark.
Diese Schulden sind freilich im Gegensatze zu deu Reichsschulden vorwiegend
für produktive Zwecke, speziell für Eisenbnhnanleihen, eingegangen worden,
wenn auch meist ohne genügende Tilgung. Sie belasten aber ebenso wie die
in der Denkschrift des Reichsschatzamtes, erster Band, für das Rechnungsjahr
mit 7^/z Milliarden Mark angesetzten Gesamtschulden der deutschen Kommunal¬
anleihen in höchst unerwünschter Weise den Kapital- und Geldmarkt, sodaß
seit Mitte der neunziger Jahre alle Anleihen eine außerordentlich stark sinkende
Tendenz im Kurse verfolgen, die in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts
durch eine Steigerung unterbrochen wird, alsdann aber aufs neue beginnt und
bis zur Gegenwart fortdauert.

Demgegenüber zeigen sowohl England als auch Frankreich eine wesentliche
Verminderung ihrer Schulden. England verfolgt mit Konsequenz den Grundsatz
sehr starker Schuldentilgung, sodaß die infolge des Burenkricges 1903 auf 16 Mil¬
liarden angewachsne Schuld von 1904 bis 1907 wieder auf 15^ Milliarden
zurückgegangen ist. Auch die französische Staatsschuld, die in den achtziger
Jahren von 19.4 bis 20,2 Milliarden auf 25 bis 26 Milliarden angewachsen
war, zeigt seitdem zufolge planmäßiger gesetzlicher Tilgung eine bedeutende Ver¬
minderung, indem sie sich im Jahre 1907 auf 24^ Milliarden Mark stellte.


Die Reichsfinaiizreform

Die Matrikularbeiträge können allerdings innerhalb der durch diesen
Höchstbetrag gezognen Grenze schwanken, für das nächste Jahrfünft also
zwischen 0 und 80 Pfennig auf den Kopf der Bevölkerung. Aber durch diese
Höchstgrenze sind die Bundesstaaten nicht allein vor einer übermäßigen In¬
anspruchnahme für Neichszwecke gesichert, sondern auch iustaudgesetzt, im voraus
zu übersehen, wie hoch äußerstenfalls diese Inanspruchnahme sein kann, und
worauf sie sich demzufolge schlimmstenfalls einzurichten haben.

Daß auch das finanzielle Verhältnis der Gemeinden zum Reiche
durch die starke Abhängigkeit der beiderseitigen Finanzen und Finauzsysteme
berührt wird, wird an den Ausführungen des bekannten Professors der Rechte
von Blume in Halle«. S., der zugleich Stadtverordneter ist, und den sta¬
tistischen Zahlen des Denkschriftenbandes Teil über die Bedingungen,
die die öffentlichen Finanzwirtschaften etwa im Jahre 1896 und im Jahre
1907/08 bei Deckung ihres Kreditbedarfs eingehen mußten, in einem Anhange
näher dargelegt.

In dem sechsten Kapitel wird die Entwicklung des deutschen
Schuldenwesens behandelt und ausgeführt, daß die gegenwärtige einen
Zinsendicnst von jährlich 155^ Millionen Mark erfordernde Schuldenlast des
Deutschen Reiches in Höhe von 4^ Milliarden Mark unter Berücksichtigung
aller schon im Kern bewilligten künftigen Anleihen bis 1913 auf 5^ Mil¬
liarden Schulden angelangt sein würde, deren Zinsendienst einschließlich der
Verwaltungskosten voraussichtlich auf 190 Millionen Mark steigen wird.
Daneben betrugen die bundesstaatlichen Schulden Anfang 1908 (einschließlich
der langfristigen, verzinslichen Schatzscheine) mehr als 14^ Milliarden Mark.
Diese Schulden sind freilich im Gegensatze zu deu Reichsschulden vorwiegend
für produktive Zwecke, speziell für Eisenbnhnanleihen, eingegangen worden,
wenn auch meist ohne genügende Tilgung. Sie belasten aber ebenso wie die
in der Denkschrift des Reichsschatzamtes, erster Band, für das Rechnungsjahr
mit 7^/z Milliarden Mark angesetzten Gesamtschulden der deutschen Kommunal¬
anleihen in höchst unerwünschter Weise den Kapital- und Geldmarkt, sodaß
seit Mitte der neunziger Jahre alle Anleihen eine außerordentlich stark sinkende
Tendenz im Kurse verfolgen, die in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts
durch eine Steigerung unterbrochen wird, alsdann aber aufs neue beginnt und
bis zur Gegenwart fortdauert.

Demgegenüber zeigen sowohl England als auch Frankreich eine wesentliche
Verminderung ihrer Schulden. England verfolgt mit Konsequenz den Grundsatz
sehr starker Schuldentilgung, sodaß die infolge des Burenkricges 1903 auf 16 Mil¬
liarden angewachsne Schuld von 1904 bis 1907 wieder auf 15^ Milliarden
zurückgegangen ist. Auch die französische Staatsschuld, die in den achtziger
Jahren von 19.4 bis 20,2 Milliarden auf 25 bis 26 Milliarden angewachsen
war, zeigt seitdem zufolge planmäßiger gesetzlicher Tilgung eine bedeutende Ver¬
minderung, indem sie sich im Jahre 1907 auf 24^ Milliarden Mark stellte.


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[0639] Die Reichsfinaiizreform Die Matrikularbeiträge können allerdings innerhalb der durch diesen Höchstbetrag gezognen Grenze schwanken, für das nächste Jahrfünft also zwischen 0 und 80 Pfennig auf den Kopf der Bevölkerung. Aber durch diese Höchstgrenze sind die Bundesstaaten nicht allein vor einer übermäßigen In¬ anspruchnahme für Neichszwecke gesichert, sondern auch iustaudgesetzt, im voraus zu übersehen, wie hoch äußerstenfalls diese Inanspruchnahme sein kann, und worauf sie sich demzufolge schlimmstenfalls einzurichten haben. Daß auch das finanzielle Verhältnis der Gemeinden zum Reiche durch die starke Abhängigkeit der beiderseitigen Finanzen und Finauzsysteme berührt wird, wird an den Ausführungen des bekannten Professors der Rechte von Blume in Halle«. S., der zugleich Stadtverordneter ist, und den sta¬ tistischen Zahlen des Denkschriftenbandes Teil über die Bedingungen, die die öffentlichen Finanzwirtschaften etwa im Jahre 1896 und im Jahre 1907/08 bei Deckung ihres Kreditbedarfs eingehen mußten, in einem Anhange näher dargelegt. In dem sechsten Kapitel wird die Entwicklung des deutschen Schuldenwesens behandelt und ausgeführt, daß die gegenwärtige einen Zinsendicnst von jährlich 155^ Millionen Mark erfordernde Schuldenlast des Deutschen Reiches in Höhe von 4^ Milliarden Mark unter Berücksichtigung aller schon im Kern bewilligten künftigen Anleihen bis 1913 auf 5^ Mil¬ liarden Schulden angelangt sein würde, deren Zinsendienst einschließlich der Verwaltungskosten voraussichtlich auf 190 Millionen Mark steigen wird. Daneben betrugen die bundesstaatlichen Schulden Anfang 1908 (einschließlich der langfristigen, verzinslichen Schatzscheine) mehr als 14^ Milliarden Mark. Diese Schulden sind freilich im Gegensatze zu deu Reichsschulden vorwiegend für produktive Zwecke, speziell für Eisenbnhnanleihen, eingegangen worden, wenn auch meist ohne genügende Tilgung. Sie belasten aber ebenso wie die in der Denkschrift des Reichsschatzamtes, erster Band, für das Rechnungsjahr mit 7^/z Milliarden Mark angesetzten Gesamtschulden der deutschen Kommunal¬ anleihen in höchst unerwünschter Weise den Kapital- und Geldmarkt, sodaß seit Mitte der neunziger Jahre alle Anleihen eine außerordentlich stark sinkende Tendenz im Kurse verfolgen, die in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts durch eine Steigerung unterbrochen wird, alsdann aber aufs neue beginnt und bis zur Gegenwart fortdauert. Demgegenüber zeigen sowohl England als auch Frankreich eine wesentliche Verminderung ihrer Schulden. England verfolgt mit Konsequenz den Grundsatz sehr starker Schuldentilgung, sodaß die infolge des Burenkricges 1903 auf 16 Mil¬ liarden angewachsne Schuld von 1904 bis 1907 wieder auf 15^ Milliarden zurückgegangen ist. Auch die französische Staatsschuld, die in den achtziger Jahren von 19.4 bis 20,2 Milliarden auf 25 bis 26 Milliarden angewachsen war, zeigt seitdem zufolge planmäßiger gesetzlicher Tilgung eine bedeutende Ver¬ minderung, indem sie sich im Jahre 1907 auf 24^ Milliarden Mark stellte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/639>, abgerufen am 23.07.2024.