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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ferdinand Georg Waldmüller

Paare das erste Kind, der nachmalige bekannte Komponist Ferdinand Wald¬
müller, geboren, der vom Vater das Talent zur bildenden Kunst und von
der Mutter in noch stärkeren Maße die musikalische Begabung geerbt hatte.
Endlich, im Jahre 1817. als Frau Waldmüller ein Engagement am k. k. Hof¬
theater in Wien erhielt, wurde der Maler wieder seßhaft. Aber er hatte in
den sieben Verlornen Jahren viel verlernt und mußte gleichsam wieder von
vorn anfangen. Jetzt tat er aber einen Schritt weiter und versuchte sich in
großen Bildnissen und selbständigen Kompositionen, die wegen ihrer damals
streng verpöntem Realistik auf der Ausstellung von 1822 Aufsehen erregten,
ihm aber eigentlich doch nur Auftrüge auf Kopien berühmter Meister ein¬
brachten. Nachdem er sich von seiner Frau hatte scheiden lassen, reiste er
im Frühjahr 1825 zum erstenmale nach Italien, wo er die Werke der Alten
mit großer Sorgfalt studierte, die Natur aber noch unbeachtet ließ. Nach
einer Reise durch Deutschland im Jahre 1827 errang er den ersten größern
Erfolg mit einem Porträt des Kaisers Franz des Ersten, das von Steinmüller
in Kupfer gestochen wurde. Die Folge davon war. daß die Wiener jetzt bei
dem bekannt gewordnen Maler -- Ladenschilder bestellten, deren Kunstwert
sogar von der Presse anerkannt wurde.

Dabei verlor er jedoch sein Ziel nicht aus den Augen. Unter unsäglichen
Mühen suchte er die letzten und tiefsten Geheimnisse der Kunst zu enthüllen.
Und da ist es äußerst merkwürdig, wie er aus der Schule der akademischen
Tradition in die der Natur gelangte. Bei der Ausführung seiner Kopien hatte
er sich bisher immer auf das Figürliche beschränkt, den landschaftlichen Hinter¬
grund aber von einem Freunde, einem Landschafter, ausführen lassen. Da
merkte er eines Tages, daß Figuren und Hintergrund nicht miteinander und
infolgedessen auch nicht mit dem Geiste des Originals in künstlerischem Einklange
standen. "Ich erkannte dies selbst, so bekennt er, und durch diese Erkenntnis
angeregt, ging ich daran, Studien nach der Natur zu machen, welche, da ich
in diesem Fache durch Kopieren noch nicht irregeleitet und verdorben war, sehr
gut gelangen. Jetzt war der Moment erschienen, in welchem der erste Strahl
jenes Lichtes vor mir aufdämmerte, in dessen Glanz ich -- leider erst so
spät -- die Wahrheit erkennen lernen sollte."

Waldmüller war der Mann, aus einer solchen Erkenntnis die Konsequenzen
SU ziehen, seine bisherigen Anschauungen entschlossen über Bord zu werfen und
auf einem neuen Wege und mit neuen Mitteln seinem Ziele zuzustreben. Die
Entrüstung der Kunstgenossen über den Mann, der die Welt nicht mehr durch
die akademische Brille sehen wollte, wuchs mit seineu Erfolgen, besonders auch,
seit der Ketzer 1830 zum Professor an der Akademie und kurz darauf zum
akademischen Rat und zum Kustos der gräflich Lambergschen Galerie der Akademie
ernannt worden war. Ein Besuch in Paris und das Studium der französischen
Meister konnten ihn jedoch nur in seinen Kunstanschauungen bestärken, obgleich
^ für den Wesensunterschied zwischen der französischen Romantik und seiner


Hrcnzbotcn l 1909 76
Ferdinand Georg Waldmüller

Paare das erste Kind, der nachmalige bekannte Komponist Ferdinand Wald¬
müller, geboren, der vom Vater das Talent zur bildenden Kunst und von
der Mutter in noch stärkeren Maße die musikalische Begabung geerbt hatte.
Endlich, im Jahre 1817. als Frau Waldmüller ein Engagement am k. k. Hof¬
theater in Wien erhielt, wurde der Maler wieder seßhaft. Aber er hatte in
den sieben Verlornen Jahren viel verlernt und mußte gleichsam wieder von
vorn anfangen. Jetzt tat er aber einen Schritt weiter und versuchte sich in
großen Bildnissen und selbständigen Kompositionen, die wegen ihrer damals
streng verpöntem Realistik auf der Ausstellung von 1822 Aufsehen erregten,
ihm aber eigentlich doch nur Auftrüge auf Kopien berühmter Meister ein¬
brachten. Nachdem er sich von seiner Frau hatte scheiden lassen, reiste er
im Frühjahr 1825 zum erstenmale nach Italien, wo er die Werke der Alten
mit großer Sorgfalt studierte, die Natur aber noch unbeachtet ließ. Nach
einer Reise durch Deutschland im Jahre 1827 errang er den ersten größern
Erfolg mit einem Porträt des Kaisers Franz des Ersten, das von Steinmüller
in Kupfer gestochen wurde. Die Folge davon war. daß die Wiener jetzt bei
dem bekannt gewordnen Maler — Ladenschilder bestellten, deren Kunstwert
sogar von der Presse anerkannt wurde.

Dabei verlor er jedoch sein Ziel nicht aus den Augen. Unter unsäglichen
Mühen suchte er die letzten und tiefsten Geheimnisse der Kunst zu enthüllen.
Und da ist es äußerst merkwürdig, wie er aus der Schule der akademischen
Tradition in die der Natur gelangte. Bei der Ausführung seiner Kopien hatte
er sich bisher immer auf das Figürliche beschränkt, den landschaftlichen Hinter¬
grund aber von einem Freunde, einem Landschafter, ausführen lassen. Da
merkte er eines Tages, daß Figuren und Hintergrund nicht miteinander und
infolgedessen auch nicht mit dem Geiste des Originals in künstlerischem Einklange
standen. „Ich erkannte dies selbst, so bekennt er, und durch diese Erkenntnis
angeregt, ging ich daran, Studien nach der Natur zu machen, welche, da ich
in diesem Fache durch Kopieren noch nicht irregeleitet und verdorben war, sehr
gut gelangen. Jetzt war der Moment erschienen, in welchem der erste Strahl
jenes Lichtes vor mir aufdämmerte, in dessen Glanz ich — leider erst so
spät — die Wahrheit erkennen lernen sollte."

Waldmüller war der Mann, aus einer solchen Erkenntnis die Konsequenzen
SU ziehen, seine bisherigen Anschauungen entschlossen über Bord zu werfen und
auf einem neuen Wege und mit neuen Mitteln seinem Ziele zuzustreben. Die
Entrüstung der Kunstgenossen über den Mann, der die Welt nicht mehr durch
die akademische Brille sehen wollte, wuchs mit seineu Erfolgen, besonders auch,
seit der Ketzer 1830 zum Professor an der Akademie und kurz darauf zum
akademischen Rat und zum Kustos der gräflich Lambergschen Galerie der Akademie
ernannt worden war. Ein Besuch in Paris und das Studium der französischen
Meister konnten ihn jedoch nur in seinen Kunstanschauungen bestärken, obgleich
^ für den Wesensunterschied zwischen der französischen Romantik und seiner


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[0609] Ferdinand Georg Waldmüller Paare das erste Kind, der nachmalige bekannte Komponist Ferdinand Wald¬ müller, geboren, der vom Vater das Talent zur bildenden Kunst und von der Mutter in noch stärkeren Maße die musikalische Begabung geerbt hatte. Endlich, im Jahre 1817. als Frau Waldmüller ein Engagement am k. k. Hof¬ theater in Wien erhielt, wurde der Maler wieder seßhaft. Aber er hatte in den sieben Verlornen Jahren viel verlernt und mußte gleichsam wieder von vorn anfangen. Jetzt tat er aber einen Schritt weiter und versuchte sich in großen Bildnissen und selbständigen Kompositionen, die wegen ihrer damals streng verpöntem Realistik auf der Ausstellung von 1822 Aufsehen erregten, ihm aber eigentlich doch nur Auftrüge auf Kopien berühmter Meister ein¬ brachten. Nachdem er sich von seiner Frau hatte scheiden lassen, reiste er im Frühjahr 1825 zum erstenmale nach Italien, wo er die Werke der Alten mit großer Sorgfalt studierte, die Natur aber noch unbeachtet ließ. Nach einer Reise durch Deutschland im Jahre 1827 errang er den ersten größern Erfolg mit einem Porträt des Kaisers Franz des Ersten, das von Steinmüller in Kupfer gestochen wurde. Die Folge davon war. daß die Wiener jetzt bei dem bekannt gewordnen Maler — Ladenschilder bestellten, deren Kunstwert sogar von der Presse anerkannt wurde. Dabei verlor er jedoch sein Ziel nicht aus den Augen. Unter unsäglichen Mühen suchte er die letzten und tiefsten Geheimnisse der Kunst zu enthüllen. Und da ist es äußerst merkwürdig, wie er aus der Schule der akademischen Tradition in die der Natur gelangte. Bei der Ausführung seiner Kopien hatte er sich bisher immer auf das Figürliche beschränkt, den landschaftlichen Hinter¬ grund aber von einem Freunde, einem Landschafter, ausführen lassen. Da merkte er eines Tages, daß Figuren und Hintergrund nicht miteinander und infolgedessen auch nicht mit dem Geiste des Originals in künstlerischem Einklange standen. „Ich erkannte dies selbst, so bekennt er, und durch diese Erkenntnis angeregt, ging ich daran, Studien nach der Natur zu machen, welche, da ich in diesem Fache durch Kopieren noch nicht irregeleitet und verdorben war, sehr gut gelangen. Jetzt war der Moment erschienen, in welchem der erste Strahl jenes Lichtes vor mir aufdämmerte, in dessen Glanz ich — leider erst so spät — die Wahrheit erkennen lernen sollte." Waldmüller war der Mann, aus einer solchen Erkenntnis die Konsequenzen SU ziehen, seine bisherigen Anschauungen entschlossen über Bord zu werfen und auf einem neuen Wege und mit neuen Mitteln seinem Ziele zuzustreben. Die Entrüstung der Kunstgenossen über den Mann, der die Welt nicht mehr durch die akademische Brille sehen wollte, wuchs mit seineu Erfolgen, besonders auch, seit der Ketzer 1830 zum Professor an der Akademie und kurz darauf zum akademischen Rat und zum Kustos der gräflich Lambergschen Galerie der Akademie ernannt worden war. Ein Besuch in Paris und das Studium der französischen Meister konnten ihn jedoch nur in seinen Kunstanschauungen bestärken, obgleich ^ für den Wesensunterschied zwischen der französischen Romantik und seiner Hrcnzbotcn l 1909 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/609>, abgerufen am 12.12.2024.