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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ferdinand Georg Waldmüller

liehen Glaubens an seine Mission erkennen, daß hier, in der fröhlichen
Kaiserstadt, einer der Größten der Zeit im heißen Kampfe gegen Neider und
Banausen um seine Ideale und seine Existenz gerungen hat.

Wir finden diese Briefe abgedruckt in der kürzlich erschienenen Monographie
Ferdinand Georg Waldmüller von Arthur Roeßler (Wien, Karl Graeser
u. Cie.), einem Buche, das in vorzüglich ausgeführten Autotypien nicht weniger
als 130 Gemälde des Meisters wiedergibt und zur Einführung in diese köst¬
lichen Kunstschätze eine kurze Darstellung der Lebensumstände und des Ent¬
wicklungsganges Waldmüllers bietet. Man muß es Rößler als Verdienst an¬
rechnen, daß er sich bei dieser biographischen Einleitung ans das Sachliche
beschränkt und der Versuchung, die einzelnen Bilder ästhetisch zu analysieren,
widerstanden hat. Angenehm berührt auch die Objektivität, mit der er die
Stellung des Meisters innerhalb der zeitgenössischen Kunst beleuchtet, und mit
der er die Grenzen andeutet, die auch diesem Genie gesteckt waren.

Waldmüllers Leben ist bald erzählt. Am 15. Januar 1793 zu Wien
als ein Sohn des Bürgers und Gastwirts Georg Waldmüller geboren, verriet
er schon früh geistige Regsamkeit und schnelle Auffassungsgabe, was die Eltern,
die offenbar unter dem Einfluß einer im Hause lebenden bigotten Tante
standen, auf den Gedanken brachte, ihren Ferdinand "auf einen Geistlichen"
studieren zu lassen. Der Knabe ging jedoch seine eignen Wege, benutzte jeden
freien Augenblick zum Zeichnen, verließ schließlich das Elternhaus und besuchte
anstatt der Lateinschule die Akademie der bildenden Künste. Am seinen Unter¬
halt zu verdienen, bemalte er in dem mit einem Freunde gemeinsam bewohnten
Dachkämmerlein während der Nachtstunden Zuckerwerk. In der Akademie
machte er dabei gute Fortschritte, errang auch schon im zweiten Jahre seines
Studiums den ersten Preis für Zeichnen nach dem Kopf. Die Anfangsgründe
der Ölmalerei erlernte er nebenbei von einem darin dilettierender Schauspieler,
versuchte auch, durch fleißiges Kopieren den alten Meistern ihre Technik ab¬
zusehen. Daneben brachte er es in der Verfertigung der damals sehr beliebten
Miniaturporträts zu großer Virtuosität, sodaß er eine Reise nach Preßburg
wagen durfte, wo er von den dort anläßlich des ungarischen Landtags ver¬
sammelten Vornehmen Aufträge erwartete. Diese Spekulation hatte Erfolg
und brachte ihm außerdem eine Berufung als Zeichenlehrer in das Haus des
Barus von Kroatien, Grafen Gyulay, ein. In Agram, wo er drei Jahre
blieb, fand er keinerlei künstlerische Anregung, wohl aber -- und das war
für den jungen Künstler verhängnisvoll -- in Katharina Weidner, der ersten
Sängerin des Stadttheaters, eine Gattin, deren Schönheit ihn bezauberte,
deren Charakter aber mit dem seinigen durchaus nicht harmonierte. Das
schlimmste war, daß Waldmüller als Satellit dieser Bühnensonne die Kreuz-
und Querzüge der wandernden Truppe durch ganz Osterreich "ans einem
knarrenden Karren hockend" jahrelang mitmachen und seine Kunst als Deko¬
rationsmaler der Schmiere beendigen mußte. In Brunn wurde dem seltsamen


Ferdinand Georg Waldmüller

liehen Glaubens an seine Mission erkennen, daß hier, in der fröhlichen
Kaiserstadt, einer der Größten der Zeit im heißen Kampfe gegen Neider und
Banausen um seine Ideale und seine Existenz gerungen hat.

Wir finden diese Briefe abgedruckt in der kürzlich erschienenen Monographie
Ferdinand Georg Waldmüller von Arthur Roeßler (Wien, Karl Graeser
u. Cie.), einem Buche, das in vorzüglich ausgeführten Autotypien nicht weniger
als 130 Gemälde des Meisters wiedergibt und zur Einführung in diese köst¬
lichen Kunstschätze eine kurze Darstellung der Lebensumstände und des Ent¬
wicklungsganges Waldmüllers bietet. Man muß es Rößler als Verdienst an¬
rechnen, daß er sich bei dieser biographischen Einleitung ans das Sachliche
beschränkt und der Versuchung, die einzelnen Bilder ästhetisch zu analysieren,
widerstanden hat. Angenehm berührt auch die Objektivität, mit der er die
Stellung des Meisters innerhalb der zeitgenössischen Kunst beleuchtet, und mit
der er die Grenzen andeutet, die auch diesem Genie gesteckt waren.

Waldmüllers Leben ist bald erzählt. Am 15. Januar 1793 zu Wien
als ein Sohn des Bürgers und Gastwirts Georg Waldmüller geboren, verriet
er schon früh geistige Regsamkeit und schnelle Auffassungsgabe, was die Eltern,
die offenbar unter dem Einfluß einer im Hause lebenden bigotten Tante
standen, auf den Gedanken brachte, ihren Ferdinand „auf einen Geistlichen"
studieren zu lassen. Der Knabe ging jedoch seine eignen Wege, benutzte jeden
freien Augenblick zum Zeichnen, verließ schließlich das Elternhaus und besuchte
anstatt der Lateinschule die Akademie der bildenden Künste. Am seinen Unter¬
halt zu verdienen, bemalte er in dem mit einem Freunde gemeinsam bewohnten
Dachkämmerlein während der Nachtstunden Zuckerwerk. In der Akademie
machte er dabei gute Fortschritte, errang auch schon im zweiten Jahre seines
Studiums den ersten Preis für Zeichnen nach dem Kopf. Die Anfangsgründe
der Ölmalerei erlernte er nebenbei von einem darin dilettierender Schauspieler,
versuchte auch, durch fleißiges Kopieren den alten Meistern ihre Technik ab¬
zusehen. Daneben brachte er es in der Verfertigung der damals sehr beliebten
Miniaturporträts zu großer Virtuosität, sodaß er eine Reise nach Preßburg
wagen durfte, wo er von den dort anläßlich des ungarischen Landtags ver¬
sammelten Vornehmen Aufträge erwartete. Diese Spekulation hatte Erfolg
und brachte ihm außerdem eine Berufung als Zeichenlehrer in das Haus des
Barus von Kroatien, Grafen Gyulay, ein. In Agram, wo er drei Jahre
blieb, fand er keinerlei künstlerische Anregung, wohl aber — und das war
für den jungen Künstler verhängnisvoll — in Katharina Weidner, der ersten
Sängerin des Stadttheaters, eine Gattin, deren Schönheit ihn bezauberte,
deren Charakter aber mit dem seinigen durchaus nicht harmonierte. Das
schlimmste war, daß Waldmüller als Satellit dieser Bühnensonne die Kreuz-
und Querzüge der wandernden Truppe durch ganz Osterreich „ans einem
knarrenden Karren hockend" jahrelang mitmachen und seine Kunst als Deko¬
rationsmaler der Schmiere beendigen mußte. In Brunn wurde dem seltsamen


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[0608] Ferdinand Georg Waldmüller liehen Glaubens an seine Mission erkennen, daß hier, in der fröhlichen Kaiserstadt, einer der Größten der Zeit im heißen Kampfe gegen Neider und Banausen um seine Ideale und seine Existenz gerungen hat. Wir finden diese Briefe abgedruckt in der kürzlich erschienenen Monographie Ferdinand Georg Waldmüller von Arthur Roeßler (Wien, Karl Graeser u. Cie.), einem Buche, das in vorzüglich ausgeführten Autotypien nicht weniger als 130 Gemälde des Meisters wiedergibt und zur Einführung in diese köst¬ lichen Kunstschätze eine kurze Darstellung der Lebensumstände und des Ent¬ wicklungsganges Waldmüllers bietet. Man muß es Rößler als Verdienst an¬ rechnen, daß er sich bei dieser biographischen Einleitung ans das Sachliche beschränkt und der Versuchung, die einzelnen Bilder ästhetisch zu analysieren, widerstanden hat. Angenehm berührt auch die Objektivität, mit der er die Stellung des Meisters innerhalb der zeitgenössischen Kunst beleuchtet, und mit der er die Grenzen andeutet, die auch diesem Genie gesteckt waren. Waldmüllers Leben ist bald erzählt. Am 15. Januar 1793 zu Wien als ein Sohn des Bürgers und Gastwirts Georg Waldmüller geboren, verriet er schon früh geistige Regsamkeit und schnelle Auffassungsgabe, was die Eltern, die offenbar unter dem Einfluß einer im Hause lebenden bigotten Tante standen, auf den Gedanken brachte, ihren Ferdinand „auf einen Geistlichen" studieren zu lassen. Der Knabe ging jedoch seine eignen Wege, benutzte jeden freien Augenblick zum Zeichnen, verließ schließlich das Elternhaus und besuchte anstatt der Lateinschule die Akademie der bildenden Künste. Am seinen Unter¬ halt zu verdienen, bemalte er in dem mit einem Freunde gemeinsam bewohnten Dachkämmerlein während der Nachtstunden Zuckerwerk. In der Akademie machte er dabei gute Fortschritte, errang auch schon im zweiten Jahre seines Studiums den ersten Preis für Zeichnen nach dem Kopf. Die Anfangsgründe der Ölmalerei erlernte er nebenbei von einem darin dilettierender Schauspieler, versuchte auch, durch fleißiges Kopieren den alten Meistern ihre Technik ab¬ zusehen. Daneben brachte er es in der Verfertigung der damals sehr beliebten Miniaturporträts zu großer Virtuosität, sodaß er eine Reise nach Preßburg wagen durfte, wo er von den dort anläßlich des ungarischen Landtags ver¬ sammelten Vornehmen Aufträge erwartete. Diese Spekulation hatte Erfolg und brachte ihm außerdem eine Berufung als Zeichenlehrer in das Haus des Barus von Kroatien, Grafen Gyulay, ein. In Agram, wo er drei Jahre blieb, fand er keinerlei künstlerische Anregung, wohl aber — und das war für den jungen Künstler verhängnisvoll — in Katharina Weidner, der ersten Sängerin des Stadttheaters, eine Gattin, deren Schönheit ihn bezauberte, deren Charakter aber mit dem seinigen durchaus nicht harmonierte. Das schlimmste war, daß Waldmüller als Satellit dieser Bühnensonne die Kreuz- und Querzüge der wandernden Truppe durch ganz Osterreich „ans einem knarrenden Karren hockend" jahrelang mitmachen und seine Kunst als Deko¬ rationsmaler der Schmiere beendigen mußte. In Brunn wurde dem seltsamen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/608>, abgerufen am 26.06.2024.