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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Städtische Anleihen und ihre Organisation

und die Nachfrage tritt oft so zurück, daß eine Kursnotierung überhaupt nicht
zustande kommt.

Bei Staatsanleihen liegen die Verhältnisse insofern günstiger, als für sie
ein unbegrenzter Markt in Frage kommt und sich die Banken zum Rückkauf
des Materials viel eher bereit finden. Ungünstig wirkt hier jedoch die starke
Zentralisierung, da dadurch die Börse als der selbsttätig wirkende Regulator
geschwächt und der Kreis der Interessenten stark verringert wird. Die preußische
Regierung hat aus diesen Gründen schon zweimal zu AbHilfsmitteln gegriffen,
von denen aber nur eins durchgeführt worden ist, dessen Wirkung nicht
gleichmäßig anerkannt wird. Der erste Fall ist die 1904 durchgeführte Er¬
höhung des Grundkapitals der Königlich Preußischen Bank (Seehandlung)
von 34,4 Millionen Mark auf 94,4 Millionen Mark, wodurch das Institut
zur bessern Pflege und Überwachung des Marktes der preußischen und Reichs¬
anleihen befähigt werden sollte. Infolge verstärkter Kapitalkraft kann die
Seehandlung durch Aufnahme größerer oder geringerer Mengen schwimmenden
Materials den von diesem ausgehenden Kursdruck leichter beseitigen und
mildern. In vollem Umfange ist die Seehandlung nach dieser Richtung hin
ihren Aufgaben jedoch nicht gerecht geworden, da ihr Kapital auch nicht im
entferntesten hingereicht hätte, um alle angebotnen Werte auszulaufen.

Hand in Hand damit ging die Einrichtung des Staatsschuldbuchs, wo¬
durch die dauernden Anlagen in Staats- und Reichsanleihen beträchtlich ver¬
mehrt und das Angebot im freien Verkehr verringert worden ist.

Ein zweites Mittel zur Erhöhung der Kurse der Staats- und Reichs¬
anleihen ist nicht Gesetz geworden. Die preußischen Sparkassen sollten danach
verpflichtet sein, von ihrem verzinslich angelegten Vermögen mindestens
15 Prozent in Schuldverschreibungen des Reichs und Preußens anzulegen.
Wenn der nicht verabschiedete Entwurf für alle Sparkassen neues geschafft
hätte, würden auf diese Weise etwa 1,6 Milliarden Mark Staatsobligationen
in Spargeldern festgelegt worden sein, was zweifellos eine Stabilisierung des
Kurses zur Folge gehabt hätte. Allein die meisten Sparkassen haben schon
20 Prozent ihrer Kapitalien in Staatspapieren angelegt, sodaß die Absicht
des Gesetzentwurfs auch nicht annähernd erfüllt worden wäre. Es ist aber
im nationalen wie auch volkswirtschaftlichen Interesse durchaus anerkennenswert,
daß die Regierung Schritte zur Hebung des Kurses der Staatsanleihen unter¬
nommen hat, und wir glauben, daß die erhofften Folgen jener Maßnahmen
über kurz oder lang doch eintreten müssen, wie dies auch in dem Maße geschehen
wird, als das deutsche Privatkapital zu dauerndem Renteneinkommen verwandt
werden wird.




Städtische Anleihen und ihre Organisation

und die Nachfrage tritt oft so zurück, daß eine Kursnotierung überhaupt nicht
zustande kommt.

Bei Staatsanleihen liegen die Verhältnisse insofern günstiger, als für sie
ein unbegrenzter Markt in Frage kommt und sich die Banken zum Rückkauf
des Materials viel eher bereit finden. Ungünstig wirkt hier jedoch die starke
Zentralisierung, da dadurch die Börse als der selbsttätig wirkende Regulator
geschwächt und der Kreis der Interessenten stark verringert wird. Die preußische
Regierung hat aus diesen Gründen schon zweimal zu AbHilfsmitteln gegriffen,
von denen aber nur eins durchgeführt worden ist, dessen Wirkung nicht
gleichmäßig anerkannt wird. Der erste Fall ist die 1904 durchgeführte Er¬
höhung des Grundkapitals der Königlich Preußischen Bank (Seehandlung)
von 34,4 Millionen Mark auf 94,4 Millionen Mark, wodurch das Institut
zur bessern Pflege und Überwachung des Marktes der preußischen und Reichs¬
anleihen befähigt werden sollte. Infolge verstärkter Kapitalkraft kann die
Seehandlung durch Aufnahme größerer oder geringerer Mengen schwimmenden
Materials den von diesem ausgehenden Kursdruck leichter beseitigen und
mildern. In vollem Umfange ist die Seehandlung nach dieser Richtung hin
ihren Aufgaben jedoch nicht gerecht geworden, da ihr Kapital auch nicht im
entferntesten hingereicht hätte, um alle angebotnen Werte auszulaufen.

Hand in Hand damit ging die Einrichtung des Staatsschuldbuchs, wo¬
durch die dauernden Anlagen in Staats- und Reichsanleihen beträchtlich ver¬
mehrt und das Angebot im freien Verkehr verringert worden ist.

Ein zweites Mittel zur Erhöhung der Kurse der Staats- und Reichs¬
anleihen ist nicht Gesetz geworden. Die preußischen Sparkassen sollten danach
verpflichtet sein, von ihrem verzinslich angelegten Vermögen mindestens
15 Prozent in Schuldverschreibungen des Reichs und Preußens anzulegen.
Wenn der nicht verabschiedete Entwurf für alle Sparkassen neues geschafft
hätte, würden auf diese Weise etwa 1,6 Milliarden Mark Staatsobligationen
in Spargeldern festgelegt worden sein, was zweifellos eine Stabilisierung des
Kurses zur Folge gehabt hätte. Allein die meisten Sparkassen haben schon
20 Prozent ihrer Kapitalien in Staatspapieren angelegt, sodaß die Absicht
des Gesetzentwurfs auch nicht annähernd erfüllt worden wäre. Es ist aber
im nationalen wie auch volkswirtschaftlichen Interesse durchaus anerkennenswert,
daß die Regierung Schritte zur Hebung des Kurses der Staatsanleihen unter¬
nommen hat, und wir glauben, daß die erhofften Folgen jener Maßnahmen
über kurz oder lang doch eintreten müssen, wie dies auch in dem Maße geschehen
wird, als das deutsche Privatkapital zu dauerndem Renteneinkommen verwandt
werden wird.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/600>, abgerufen am 23.07.2024.