Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
ver Oarnassus in Neustedel

die moderne Betoneisenkuppel diese Widerlager völlig überflüssig macht und
von einem eisernen Ring in sich zusammengehalten frei und leicht auf der
Gebäudeform aufsitzt. ' > , ' .

Wo über die zweckdienliche statische Form hinaus noch M
formales Leben an der Fläche erwünscht ist, dort bieten sich mehrere einwand¬
freie künstlerische Möglichkeiten für den Betonbau dar. Eine materialgerechk
Flächenverzierung kann sich durch die hölzernen Leerformen ergeben, in die
die Stampfmasse eingefüllt und zum Erdarten gebracht wird. Durch verschiedne
hölzerne Auflager in der Leerform kann eine rhythmisch geordnete Folge von
reliefartigen Eindrücken entstehn, wie etwa kassettenartige Vertiefungen, die eine
technisch berechtigte künstlerische Wirkung ergeben und dem Formensinn einen
gewissen Spielraum überlassen. Die Plastik und namentlich die Keramik kann
als besondres Werkstück hinzutreten und mit dem raumumschließenden, Flächen
und Nischen ergebenden Betonwerk in einen mumkunstlerischen Zusammenhang
treten, oder es können direkt farbige reliefartige Fliesen in die Wandung ein¬
gesetzt werden und je nach Gestalt der Verhältnisse einen geläuterten künstlerischen
Willen verraten. / ! r

Hier also, auf dem technischen Gebiete, liegen die Keime einer neuen
Architektur. Denn um was es sich in der Technik im letzten Grunde handelt,
ist die Herstellung von Kontakten mit der Natur außerhalb uns, die Er¬
weiterung des Machtbezirks unsrer Organe und Nerven. Unsre Stimme und
unser Arm wollen über den Ozean reichen, wir wollen Länder verbinden,
räumliche und zeitliche Entfernung verkürzen, durch das Kabel, den Schnell¬
dampfer, die Kraftfahrzeuge, durch mannigfache Verkehrseinrichtungen, durch
Schienen-, Brücken-, Tunnelbauten, durch Organismen aller Art, deren Form
aus der Notwendigkeit und der sachlichen Bestimmung hervorwächst, durch
keinerlei vorgefaßten Stilbegriff ans der Vergangenheit belastet. Hier also ist
Leben. Ein neuer Begriff der Raum- und Formgebung entsteht, ein neuer
Architekturbegriff, ein neuer Schönheitsbegriff.




9er parnassus in Neusiedel
Fritz Anders von(Schluß)

inige Tage später saß dem Herrn Professor Icilius in seiner Studier-
stube sein Herr Schwiegersohn Wenzel Holm gegenüber. Der Professor
hatte seine Weste bis oben hin zugeknöpft und war sehr ungnädig. --
Ssie sind dhavongegcmgen. als hätten Ssie hier nichts zu ver¬
säumen. Ssie haben Ihre Angelegenheiten zurückgelassen als eine
ruckis inäig'sstgHus molss, Ssie haben Arm in Arm mit dhiesem
Buttervogel, dieser Dhienerin der Aphrodite Pandcmos den Parnaß stürmen wollen.
Und nun Ssie sich die Flügel gebrochen haben und aus dem xosta laursaws nichts
geworden ist, kommen Sie dha wieder, und es soll alles wieder gut sein. Meinen
Ssie, daß Wunden, die einem Frauenherzen geschlagen worden sind, heilen wie ein
Mückenstich? meinen Ssie, daß Luzie Ihnen, wenn Ssie heimkommen, die Tür


ver Oarnassus in Neustedel

die moderne Betoneisenkuppel diese Widerlager völlig überflüssig macht und
von einem eisernen Ring in sich zusammengehalten frei und leicht auf der
Gebäudeform aufsitzt. ' > , ' .

Wo über die zweckdienliche statische Form hinaus noch M
formales Leben an der Fläche erwünscht ist, dort bieten sich mehrere einwand¬
freie künstlerische Möglichkeiten für den Betonbau dar. Eine materialgerechk
Flächenverzierung kann sich durch die hölzernen Leerformen ergeben, in die
die Stampfmasse eingefüllt und zum Erdarten gebracht wird. Durch verschiedne
hölzerne Auflager in der Leerform kann eine rhythmisch geordnete Folge von
reliefartigen Eindrücken entstehn, wie etwa kassettenartige Vertiefungen, die eine
technisch berechtigte künstlerische Wirkung ergeben und dem Formensinn einen
gewissen Spielraum überlassen. Die Plastik und namentlich die Keramik kann
als besondres Werkstück hinzutreten und mit dem raumumschließenden, Flächen
und Nischen ergebenden Betonwerk in einen mumkunstlerischen Zusammenhang
treten, oder es können direkt farbige reliefartige Fliesen in die Wandung ein¬
gesetzt werden und je nach Gestalt der Verhältnisse einen geläuterten künstlerischen
Willen verraten. / ! r

Hier also, auf dem technischen Gebiete, liegen die Keime einer neuen
Architektur. Denn um was es sich in der Technik im letzten Grunde handelt,
ist die Herstellung von Kontakten mit der Natur außerhalb uns, die Er¬
weiterung des Machtbezirks unsrer Organe und Nerven. Unsre Stimme und
unser Arm wollen über den Ozean reichen, wir wollen Länder verbinden,
räumliche und zeitliche Entfernung verkürzen, durch das Kabel, den Schnell¬
dampfer, die Kraftfahrzeuge, durch mannigfache Verkehrseinrichtungen, durch
Schienen-, Brücken-, Tunnelbauten, durch Organismen aller Art, deren Form
aus der Notwendigkeit und der sachlichen Bestimmung hervorwächst, durch
keinerlei vorgefaßten Stilbegriff ans der Vergangenheit belastet. Hier also ist
Leben. Ein neuer Begriff der Raum- und Formgebung entsteht, ein neuer
Architekturbegriff, ein neuer Schönheitsbegriff.




9er parnassus in Neusiedel
Fritz Anders von(Schluß)

inige Tage später saß dem Herrn Professor Icilius in seiner Studier-
stube sein Herr Schwiegersohn Wenzel Holm gegenüber. Der Professor
hatte seine Weste bis oben hin zugeknöpft und war sehr ungnädig. —
Ssie sind dhavongegcmgen. als hätten Ssie hier nichts zu ver¬
säumen. Ssie haben Ihre Angelegenheiten zurückgelassen als eine
ruckis inäig'sstgHus molss, Ssie haben Arm in Arm mit dhiesem
Buttervogel, dieser Dhienerin der Aphrodite Pandcmos den Parnaß stürmen wollen.
Und nun Ssie sich die Flügel gebrochen haben und aus dem xosta laursaws nichts
geworden ist, kommen Sie dha wieder, und es soll alles wieder gut sein. Meinen
Ssie, daß Wunden, die einem Frauenherzen geschlagen worden sind, heilen wie ein
Mückenstich? meinen Ssie, daß Luzie Ihnen, wenn Ssie heimkommen, die Tür


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0563" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312914"/>
          <fw type="header" place="top"> ver Oarnassus in Neustedel</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2272" prev="#ID_2271"> die moderne Betoneisenkuppel diese Widerlager völlig überflüssig macht und<lb/>
von einem eisernen Ring in sich zusammengehalten frei und leicht auf der<lb/>
Gebäudeform aufsitzt. ' &gt; ,   ' .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2273"> Wo über die zweckdienliche statische Form hinaus noch M<lb/>
formales Leben an der Fläche erwünscht ist, dort bieten sich mehrere einwand¬<lb/>
freie künstlerische Möglichkeiten für den Betonbau dar. Eine materialgerechk<lb/>
Flächenverzierung kann sich durch die hölzernen Leerformen ergeben, in die<lb/>
die Stampfmasse eingefüllt und zum Erdarten gebracht wird. Durch verschiedne<lb/>
hölzerne Auflager in der Leerform kann eine rhythmisch geordnete Folge von<lb/>
reliefartigen Eindrücken entstehn, wie etwa kassettenartige Vertiefungen, die eine<lb/>
technisch berechtigte künstlerische Wirkung ergeben und dem Formensinn einen<lb/>
gewissen Spielraum überlassen. Die Plastik und namentlich die Keramik kann<lb/>
als besondres Werkstück hinzutreten und mit dem raumumschließenden, Flächen<lb/>
und Nischen ergebenden Betonwerk in einen mumkunstlerischen Zusammenhang<lb/>
treten, oder es können direkt farbige reliefartige Fliesen in die Wandung ein¬<lb/>
gesetzt werden und je nach Gestalt der Verhältnisse einen geläuterten künstlerischen<lb/>
Willen verraten. / ! r</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2274"> Hier also, auf dem technischen Gebiete, liegen die Keime einer neuen<lb/>
Architektur. Denn um was es sich in der Technik im letzten Grunde handelt,<lb/>
ist die Herstellung von Kontakten mit der Natur außerhalb uns, die Er¬<lb/>
weiterung des Machtbezirks unsrer Organe und Nerven. Unsre Stimme und<lb/>
unser Arm wollen über den Ozean reichen, wir wollen Länder verbinden,<lb/>
räumliche und zeitliche Entfernung verkürzen, durch das Kabel, den Schnell¬<lb/>
dampfer, die Kraftfahrzeuge, durch mannigfache Verkehrseinrichtungen, durch<lb/>
Schienen-, Brücken-, Tunnelbauten, durch Organismen aller Art, deren Form<lb/>
aus der Notwendigkeit und der sachlichen Bestimmung hervorwächst, durch<lb/>
keinerlei vorgefaßten Stilbegriff ans der Vergangenheit belastet. Hier also ist<lb/>
Leben. Ein neuer Begriff der Raum- und Formgebung entsteht, ein neuer<lb/>
Architekturbegriff, ein neuer Schönheitsbegriff.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> 9er parnassus in Neusiedel<lb/><note type="byline"> Fritz Anders</note> von(Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2275" next="#ID_2276"> inige Tage später saß dem Herrn Professor Icilius in seiner Studier-<lb/>
stube sein Herr Schwiegersohn Wenzel Holm gegenüber. Der Professor<lb/>
hatte seine Weste bis oben hin zugeknöpft und war sehr ungnädig. &#x2014;<lb/>
Ssie sind dhavongegcmgen. als hätten Ssie hier nichts zu ver¬<lb/>
säumen. Ssie haben Ihre Angelegenheiten zurückgelassen als eine<lb/>
ruckis inäig'sstgHus molss, Ssie haben Arm in Arm mit dhiesem<lb/>
Buttervogel, dieser Dhienerin der Aphrodite Pandcmos den Parnaß stürmen wollen.<lb/>
Und nun Ssie sich die Flügel gebrochen haben und aus dem xosta laursaws nichts<lb/>
geworden ist, kommen Sie dha wieder, und es soll alles wieder gut sein. Meinen<lb/>
Ssie, daß Wunden, die einem Frauenherzen geschlagen worden sind, heilen wie ein<lb/>
Mückenstich? meinen Ssie, daß Luzie Ihnen, wenn Ssie heimkommen, die Tür</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0563] ver Oarnassus in Neustedel die moderne Betoneisenkuppel diese Widerlager völlig überflüssig macht und von einem eisernen Ring in sich zusammengehalten frei und leicht auf der Gebäudeform aufsitzt. ' > , ' . Wo über die zweckdienliche statische Form hinaus noch M formales Leben an der Fläche erwünscht ist, dort bieten sich mehrere einwand¬ freie künstlerische Möglichkeiten für den Betonbau dar. Eine materialgerechk Flächenverzierung kann sich durch die hölzernen Leerformen ergeben, in die die Stampfmasse eingefüllt und zum Erdarten gebracht wird. Durch verschiedne hölzerne Auflager in der Leerform kann eine rhythmisch geordnete Folge von reliefartigen Eindrücken entstehn, wie etwa kassettenartige Vertiefungen, die eine technisch berechtigte künstlerische Wirkung ergeben und dem Formensinn einen gewissen Spielraum überlassen. Die Plastik und namentlich die Keramik kann als besondres Werkstück hinzutreten und mit dem raumumschließenden, Flächen und Nischen ergebenden Betonwerk in einen mumkunstlerischen Zusammenhang treten, oder es können direkt farbige reliefartige Fliesen in die Wandung ein¬ gesetzt werden und je nach Gestalt der Verhältnisse einen geläuterten künstlerischen Willen verraten. / ! r Hier also, auf dem technischen Gebiete, liegen die Keime einer neuen Architektur. Denn um was es sich in der Technik im letzten Grunde handelt, ist die Herstellung von Kontakten mit der Natur außerhalb uns, die Er¬ weiterung des Machtbezirks unsrer Organe und Nerven. Unsre Stimme und unser Arm wollen über den Ozean reichen, wir wollen Länder verbinden, räumliche und zeitliche Entfernung verkürzen, durch das Kabel, den Schnell¬ dampfer, die Kraftfahrzeuge, durch mannigfache Verkehrseinrichtungen, durch Schienen-, Brücken-, Tunnelbauten, durch Organismen aller Art, deren Form aus der Notwendigkeit und der sachlichen Bestimmung hervorwächst, durch keinerlei vorgefaßten Stilbegriff ans der Vergangenheit belastet. Hier also ist Leben. Ein neuer Begriff der Raum- und Formgebung entsteht, ein neuer Architekturbegriff, ein neuer Schönheitsbegriff. 9er parnassus in Neusiedel Fritz Anders von(Schluß) inige Tage später saß dem Herrn Professor Icilius in seiner Studier- stube sein Herr Schwiegersohn Wenzel Holm gegenüber. Der Professor hatte seine Weste bis oben hin zugeknöpft und war sehr ungnädig. — Ssie sind dhavongegcmgen. als hätten Ssie hier nichts zu ver¬ säumen. Ssie haben Ihre Angelegenheiten zurückgelassen als eine ruckis inäig'sstgHus molss, Ssie haben Arm in Arm mit dhiesem Buttervogel, dieser Dhienerin der Aphrodite Pandcmos den Parnaß stürmen wollen. Und nun Ssie sich die Flügel gebrochen haben und aus dem xosta laursaws nichts geworden ist, kommen Sie dha wieder, und es soll alles wieder gut sein. Meinen Ssie, daß Wunden, die einem Frauenherzen geschlagen worden sind, heilen wie ein Mückenstich? meinen Ssie, daß Luzie Ihnen, wenn Ssie heimkommen, die Tür

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/563
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/563>, abgerufen am 03.07.2024.