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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Kaiser Wilhelm der Erste als Schriftsteller

gewalt stellen wollen. Der Prinz sagt dazu: "Das Wort Leitung ist verletzend
für die großen Staaten, namentlich Österreich und Preußen. Einer Oberaufsicht
durch Inspektionen, wie zur Zeit des Bundestages, würden dieselben nichts
entgegenstellen."

Ebenso will er beim Paragraphen 4 "Befehl in Aufsicht" umgeändert
haben. Scheinen das auch nur Kleinigkeiten, so zeigen sie doch deutlich die
Gründlichkeit der Arbeitstätigkeit des Fürsten und die Beachtung der peinlichsten
Rücksicht auf die Gefühle andrer. Sehr interessant sind die Ausführungen, die
der Prinz zum Paragraphen 15 des Entwurfs macht, nach dem alle verfüg¬
baren Wehrpflichtigen auch wirklich eingereiht und ausgebildet werden sollen.
Er schreibt dazu:

Die Bestimmung dieses Paragraphen ist eine völlig unausführbare. Ist ein
solcher Ausspruch erst Gesetz geworden, so muß er auch durchgeführt werden. Wir
fragen aber jeden, der je mit dem Aushebuugs- und Ersatzgeschäft zu tun gehabt
hat, ob er an die Ausführbarkeit eines solchen Gesetzes glaubt?

Es soll kein verfügbarer Wehrpflichtiger uneingestellt bleiben! Welch eine Jagd
nach Verfügbaren wird also gesetzlich angestellt werden müssen, damit keiner sich der
Einstellung entzieht. Zu welch unerhörten Belästigungen, Streitigkeiten, Mißbräuchen
und Unterschleifen muß eine solche Bestimmung führen, während sie in ihrer ganzen
Schärfe doch unausführbar bleibt. Aber gesetzt den Fall, sie würde durchgeführt,
wie stark würde dadurch die sogenannte ausgebildete Mannschaft werden. Der Bericht
gibt xax. 3 an, daß nach den in Preußen gemachten Erfahrungen die Zahl der
einstellungsfähigen Wehrpflichtigen in Deutschland jährlich 225000 Mann betragen
würde. Da nun der erste Heerbann (bereites Heer) fünf Jahrgänge enthält, so würde
demnach derselbe 1125000 Mann stark sein. Der zweite Heerbann enthält sieben
Jahrgänge Wehrpflichtiger, würde also 1575000 Mann zählen, demnach das aktive
Kriegsheer Deutschlands eine Stärke von 2 700000 Mann erreichen.

Jeder Deutsche wird sich allerdings erhoben fühlen und stolz darauf sein, ein
Heer zu besitzen, wie es bis jetzt kein Reich der Erde aufzustellen vermochte. Stellt
man neben diese Zahl aber die Zahl der Kosten, welche jeder Deutsche für ein Heer
von 2700000 Mann aufzubringen angehalten werden wird, so wird sich dieses
Hochgefühl anders äußern.

Da der Bericht des Ausschusses sich wiederholt auf die Preußische Armeeverfassung
bezieht, so folgen wir diesem Beispiel auch mit Rücksicht auf den Kostenpunkt. Aus
der diesem Berichte beigefügte" statistischen Übersicht des Aushebungsgeschäfts in
Preußen ergibt sich, daß in diesem Staate jährlich gegen 90000 Einstellungsfähige
ermittelt worden sind. Die Zahl der wirklich eingestellten Ersatzmannschaften beträgt
aber nur 40 bis 45000 Mann, also nur die Hälfte der Zahl, welche die deutsche
Wehrverfassung für Preußen feststellen will.

Da nun die Preußische Armee für den Fall einer Mobilmachung auf 500000 Mann
angenommen wird, so wird sie nach obiger Ansicht auf die Chiffre einer Million
gesteigert. Wie wird der schon stehend gewordne Satz, die Preußische Armee sei
jetzt schon zu groß und durch das Budget von 24 Millionen Talern für dieselbe
zu kostspielig, sich mit diesem Verlangen vereinigen lassen? Jede sachkundige und
vorurteilsfreie Prüfung dieses Budgets wird nun zwar ergeben, daß dasselbe im
Vergleich zu dem Zustande, in welchem die Preußische Armee sich stets befindet,
keineswegs zu hoch ist, und die allerdings möglichen einzelnen Ersparnisse nie so
bedeutend werden können, um eine erhebliche Verminderung der Kosten herbeizu-


Kaiser Wilhelm der Erste als Schriftsteller

gewalt stellen wollen. Der Prinz sagt dazu: „Das Wort Leitung ist verletzend
für die großen Staaten, namentlich Österreich und Preußen. Einer Oberaufsicht
durch Inspektionen, wie zur Zeit des Bundestages, würden dieselben nichts
entgegenstellen."

Ebenso will er beim Paragraphen 4 „Befehl in Aufsicht" umgeändert
haben. Scheinen das auch nur Kleinigkeiten, so zeigen sie doch deutlich die
Gründlichkeit der Arbeitstätigkeit des Fürsten und die Beachtung der peinlichsten
Rücksicht auf die Gefühle andrer. Sehr interessant sind die Ausführungen, die
der Prinz zum Paragraphen 15 des Entwurfs macht, nach dem alle verfüg¬
baren Wehrpflichtigen auch wirklich eingereiht und ausgebildet werden sollen.
Er schreibt dazu:

Die Bestimmung dieses Paragraphen ist eine völlig unausführbare. Ist ein
solcher Ausspruch erst Gesetz geworden, so muß er auch durchgeführt werden. Wir
fragen aber jeden, der je mit dem Aushebuugs- und Ersatzgeschäft zu tun gehabt
hat, ob er an die Ausführbarkeit eines solchen Gesetzes glaubt?

Es soll kein verfügbarer Wehrpflichtiger uneingestellt bleiben! Welch eine Jagd
nach Verfügbaren wird also gesetzlich angestellt werden müssen, damit keiner sich der
Einstellung entzieht. Zu welch unerhörten Belästigungen, Streitigkeiten, Mißbräuchen
und Unterschleifen muß eine solche Bestimmung führen, während sie in ihrer ganzen
Schärfe doch unausführbar bleibt. Aber gesetzt den Fall, sie würde durchgeführt,
wie stark würde dadurch die sogenannte ausgebildete Mannschaft werden. Der Bericht
gibt xax. 3 an, daß nach den in Preußen gemachten Erfahrungen die Zahl der
einstellungsfähigen Wehrpflichtigen in Deutschland jährlich 225000 Mann betragen
würde. Da nun der erste Heerbann (bereites Heer) fünf Jahrgänge enthält, so würde
demnach derselbe 1125000 Mann stark sein. Der zweite Heerbann enthält sieben
Jahrgänge Wehrpflichtiger, würde also 1575000 Mann zählen, demnach das aktive
Kriegsheer Deutschlands eine Stärke von 2 700000 Mann erreichen.

Jeder Deutsche wird sich allerdings erhoben fühlen und stolz darauf sein, ein
Heer zu besitzen, wie es bis jetzt kein Reich der Erde aufzustellen vermochte. Stellt
man neben diese Zahl aber die Zahl der Kosten, welche jeder Deutsche für ein Heer
von 2700000 Mann aufzubringen angehalten werden wird, so wird sich dieses
Hochgefühl anders äußern.

Da der Bericht des Ausschusses sich wiederholt auf die Preußische Armeeverfassung
bezieht, so folgen wir diesem Beispiel auch mit Rücksicht auf den Kostenpunkt. Aus
der diesem Berichte beigefügte» statistischen Übersicht des Aushebungsgeschäfts in
Preußen ergibt sich, daß in diesem Staate jährlich gegen 90000 Einstellungsfähige
ermittelt worden sind. Die Zahl der wirklich eingestellten Ersatzmannschaften beträgt
aber nur 40 bis 45000 Mann, also nur die Hälfte der Zahl, welche die deutsche
Wehrverfassung für Preußen feststellen will.

Da nun die Preußische Armee für den Fall einer Mobilmachung auf 500000 Mann
angenommen wird, so wird sie nach obiger Ansicht auf die Chiffre einer Million
gesteigert. Wie wird der schon stehend gewordne Satz, die Preußische Armee sei
jetzt schon zu groß und durch das Budget von 24 Millionen Talern für dieselbe
zu kostspielig, sich mit diesem Verlangen vereinigen lassen? Jede sachkundige und
vorurteilsfreie Prüfung dieses Budgets wird nun zwar ergeben, daß dasselbe im
Vergleich zu dem Zustande, in welchem die Preußische Armee sich stets befindet,
keineswegs zu hoch ist, und die allerdings möglichen einzelnen Ersparnisse nie so
bedeutend werden können, um eine erhebliche Verminderung der Kosten herbeizu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/546>, abgerufen am 12.12.2024.