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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Wenn nun dein Manu von dir gegangen wäre, sagte Luzie, und er kehrte
zurück, würdest du ihn denn mit Freuden empfangen?

Mein Philipp? rief Hilda, mein goldner Herzensmann? Undenkbar!

So habe ich auch gedacht, Hilda, sagte Luzie. Ich hielt es auch für undenkbar,
und daun war das Gold doch nicht echt. Wenn du nun in meiner Lage wärst,
was würdest du tun?

Hilda zog die Brauen zusammen und rieb sich die Stirn. Ich würde ihm
die Augen auskratzen, rief sie lachend und zugleich erzürnt. Oder vielmehr, ich
würde es schon vorher getan haben.

Luzie verscheuchte den Gedanken, der sie eben beschäftigt hatte, und sagte in
andern: Tone: Nun aber erzähle von deiner Reise.

Luzie erzählte.

Und was macht die Kunst?

Du meinst bei Mama? Mama hat Richard Wagner abgesetzt, und uun baut
sie ein neues Mausoleum voller Denkmale für Papa. Weißt du, Luzie, die Kunst
ist eine Schmarotzerpflanze. Wo der Nährboden knapp wird, läßt sie die Blätter
hängen. Ohne Geld auch kein Wagner. Für Mama ist das am Ende ganz gut,
denn ihr Wagnerschwarm war am Ende nicht mehr schön. Ich denke mir, Papa
hat ihr eine Kur verordnen wollen. Aber jeder Spaß muß doch auch einmal ein
Ende haben. Wir aber sehen kein Ende, und es wird nichts übrig bleiben, als
daß wir die Villa verkaufen müssen. Huudiug sagt, es sei eine Pferdekur. Und
Huuding tut mir auch am meisten leid. Er wäre gern in ein Korps eingetreten,
aber dazu langt es nicht. Und Hunding ist der allerschlimmste mit dem Ein¬
schränken.

Hilda erhob sich und trat vor den Arnheim. Ihre Augen fielen auf das ver¬
schnürte Paket.

Was ist denn da drin? fragte sie, Kousols?

Ich weiß nicht, erwiderte Luzie. Ich habe das Paket vorgefunden und uicht
augerührt.

Ich würde aber doch nachgesehen haben, was darin ist, meinte Hilda.
Luzie machte eine abwehrende Bewegung,

Aha, deines Mannes Geheimnisse, sagte Hilda. Dn schämst dich, in seine
Privatangelegenheiten hineinzusehen. Kann ich dir nicht verdenken.
Luzie traten die Tränen in die Augen.

Verzeih, rief Hilda, ich wollte dich nicht kränken. Glaube mir, es wird alles
wieder gut. Er kommt wieder, er hat nicht gefunden, was er suchte.

Ich weiß es, sagte Luzie. O Hilda, rief sie in ausbrechendem Schmerze, warum
mußte Wenzel sein Glück und sein Haus zum Opfer bringen? Für nichts! Für
ein Phantom! Ich weiß es, es gelingt ihm nichts. Es ist, wie wenn ein Fluch
ans seinem Werke läge. Wenn er ein großer Dichter geworden wäre, ich hätte
mich fügen müssen. Ich hätte gesagt: Für diese Größe bin ich zu klein. Aber
für nichts! Glück und Frieden und Gewissen für nichts! Für eine Reihe von
Enttäuschungen!

Siehst du, das ist seine Strafe, sagt Hilda.

Und die meine, und die meiner Kinder.

(Schluß folgt)




Wenn nun dein Manu von dir gegangen wäre, sagte Luzie, und er kehrte
zurück, würdest du ihn denn mit Freuden empfangen?

Mein Philipp? rief Hilda, mein goldner Herzensmann? Undenkbar!

So habe ich auch gedacht, Hilda, sagte Luzie. Ich hielt es auch für undenkbar,
und daun war das Gold doch nicht echt. Wenn du nun in meiner Lage wärst,
was würdest du tun?

Hilda zog die Brauen zusammen und rieb sich die Stirn. Ich würde ihm
die Augen auskratzen, rief sie lachend und zugleich erzürnt. Oder vielmehr, ich
würde es schon vorher getan haben.

Luzie verscheuchte den Gedanken, der sie eben beschäftigt hatte, und sagte in
andern: Tone: Nun aber erzähle von deiner Reise.

Luzie erzählte.

Und was macht die Kunst?

Du meinst bei Mama? Mama hat Richard Wagner abgesetzt, und uun baut
sie ein neues Mausoleum voller Denkmale für Papa. Weißt du, Luzie, die Kunst
ist eine Schmarotzerpflanze. Wo der Nährboden knapp wird, läßt sie die Blätter
hängen. Ohne Geld auch kein Wagner. Für Mama ist das am Ende ganz gut,
denn ihr Wagnerschwarm war am Ende nicht mehr schön. Ich denke mir, Papa
hat ihr eine Kur verordnen wollen. Aber jeder Spaß muß doch auch einmal ein
Ende haben. Wir aber sehen kein Ende, und es wird nichts übrig bleiben, als
daß wir die Villa verkaufen müssen. Huudiug sagt, es sei eine Pferdekur. Und
Huuding tut mir auch am meisten leid. Er wäre gern in ein Korps eingetreten,
aber dazu langt es nicht. Und Hunding ist der allerschlimmste mit dem Ein¬
schränken.

Hilda erhob sich und trat vor den Arnheim. Ihre Augen fielen auf das ver¬
schnürte Paket.

Was ist denn da drin? fragte sie, Kousols?

Ich weiß nicht, erwiderte Luzie. Ich habe das Paket vorgefunden und uicht
augerührt.

Ich würde aber doch nachgesehen haben, was darin ist, meinte Hilda.
Luzie machte eine abwehrende Bewegung,

Aha, deines Mannes Geheimnisse, sagte Hilda. Dn schämst dich, in seine
Privatangelegenheiten hineinzusehen. Kann ich dir nicht verdenken.
Luzie traten die Tränen in die Augen.

Verzeih, rief Hilda, ich wollte dich nicht kränken. Glaube mir, es wird alles
wieder gut. Er kommt wieder, er hat nicht gefunden, was er suchte.

Ich weiß es, sagte Luzie. O Hilda, rief sie in ausbrechendem Schmerze, warum
mußte Wenzel sein Glück und sein Haus zum Opfer bringen? Für nichts! Für
ein Phantom! Ich weiß es, es gelingt ihm nichts. Es ist, wie wenn ein Fluch
ans seinem Werke läge. Wenn er ein großer Dichter geworden wäre, ich hätte
mich fügen müssen. Ich hätte gesagt: Für diese Größe bin ich zu klein. Aber
für nichts! Glück und Frieden und Gewissen für nichts! Für eine Reihe von
Enttäuschungen!

Siehst du, das ist seine Strafe, sagt Hilda.

Und die meine, und die meiner Kinder.

(Schluß folgt)




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[0520] Wenn nun dein Manu von dir gegangen wäre, sagte Luzie, und er kehrte zurück, würdest du ihn denn mit Freuden empfangen? Mein Philipp? rief Hilda, mein goldner Herzensmann? Undenkbar! So habe ich auch gedacht, Hilda, sagte Luzie. Ich hielt es auch für undenkbar, und daun war das Gold doch nicht echt. Wenn du nun in meiner Lage wärst, was würdest du tun? Hilda zog die Brauen zusammen und rieb sich die Stirn. Ich würde ihm die Augen auskratzen, rief sie lachend und zugleich erzürnt. Oder vielmehr, ich würde es schon vorher getan haben. Luzie verscheuchte den Gedanken, der sie eben beschäftigt hatte, und sagte in andern: Tone: Nun aber erzähle von deiner Reise. Luzie erzählte. Und was macht die Kunst? Du meinst bei Mama? Mama hat Richard Wagner abgesetzt, und uun baut sie ein neues Mausoleum voller Denkmale für Papa. Weißt du, Luzie, die Kunst ist eine Schmarotzerpflanze. Wo der Nährboden knapp wird, läßt sie die Blätter hängen. Ohne Geld auch kein Wagner. Für Mama ist das am Ende ganz gut, denn ihr Wagnerschwarm war am Ende nicht mehr schön. Ich denke mir, Papa hat ihr eine Kur verordnen wollen. Aber jeder Spaß muß doch auch einmal ein Ende haben. Wir aber sehen kein Ende, und es wird nichts übrig bleiben, als daß wir die Villa verkaufen müssen. Huudiug sagt, es sei eine Pferdekur. Und Huuding tut mir auch am meisten leid. Er wäre gern in ein Korps eingetreten, aber dazu langt es nicht. Und Hunding ist der allerschlimmste mit dem Ein¬ schränken. Hilda erhob sich und trat vor den Arnheim. Ihre Augen fielen auf das ver¬ schnürte Paket. Was ist denn da drin? fragte sie, Kousols? Ich weiß nicht, erwiderte Luzie. Ich habe das Paket vorgefunden und uicht augerührt. Ich würde aber doch nachgesehen haben, was darin ist, meinte Hilda. Luzie machte eine abwehrende Bewegung, Aha, deines Mannes Geheimnisse, sagte Hilda. Dn schämst dich, in seine Privatangelegenheiten hineinzusehen. Kann ich dir nicht verdenken. Luzie traten die Tränen in die Augen. Verzeih, rief Hilda, ich wollte dich nicht kränken. Glaube mir, es wird alles wieder gut. Er kommt wieder, er hat nicht gefunden, was er suchte. Ich weiß es, sagte Luzie. O Hilda, rief sie in ausbrechendem Schmerze, warum mußte Wenzel sein Glück und sein Haus zum Opfer bringen? Für nichts! Für ein Phantom! Ich weiß es, es gelingt ihm nichts. Es ist, wie wenn ein Fluch ans seinem Werke läge. Wenn er ein großer Dichter geworden wäre, ich hätte mich fügen müssen. Ich hätte gesagt: Für diese Größe bin ich zu klein. Aber für nichts! Glück und Frieden und Gewissen für nichts! Für eine Reihe von Enttäuschungen! Siehst du, das ist seine Strafe, sagt Hilda. Und die meine, und die meiner Kinder. (Schluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/520>, abgerufen am 23.07.2024.