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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

schwanden, die glückliche Zeit, wo es ihm vergönnt war, sich harmonisch aus¬
zubilden und die fruchtbaren Keime zu künftiger Größe zu entwickeln?

In dem Kreise schwärmender Freunde, die Friedrich hier um sich sammelte,
stand Keyserling! an der ersten Stelle. Seine geselligen Talente, seine sprudelnde
Lebhaftigkeit -- die wie sein dunkler Teint ein Erbteil seiner Mutter, einer
vornehmen Italienerin, sein mochte -- kamen in dem fröhlichen Rheinsberger
Treiben recht eigentlich zur Geltung. Aber auch in den ernsten Studien, auf
die sich Friedrich nun mit fast unersättlichen Eifer stürzte, blieb er der Genosse
des Freundes. Er teilte Friedrichs Enthusiasmus für die schönen Wissenschaften,
hatte er doch selbst horazische Oden und Popes "Lockenraub" ins Französische
übersetzt, vor allem aber seine Bewunderung für das glänzendste Gestirn am
literarischen Himmel der Zeit, für Voltaire. Als moderner Argonaut ist er,
wie Friedrich scherzte, von Rheinsberg nach Cirey gezogen, um Geschenke zu
überbringen und das Goldne Vlies zu holen, neue und womöglich noch unge¬
druckte Werke des Meisters.

In dem Begleitschreiben hebt er die beiden Eigenschaften hervor, die ihn
an dem Freunde besonders anzogen. Er rühmt seine reichen geistigen Gaben
und seinen feinen Takt. Noch größer aber war die Treue und Hingebung,
mit der Cäsarion die Freundschaft des Kronprinzen vergalt. Niemals hat
Friedrich einen enthusiastischem Verehrer gehabt; er wollte, wie ein Zeitgenosse
von ihm sagt, daß ein jeder ihn mit seinen Augen sehe, ihn kenne und liebe
wie er. Auch nach Friedrichs Thronbesteigung blieb Keyserling! in seiner un¬
mittelbaren Nähe. Der König ernannte ihn zu seinem Obersten und zu seinem
Generaladjutanten und -- was Cäsarion sicherlich als eine besondre Ehrung
empfunden haben wird -- bei Erneuerung der Akademie der Wissenschaften zu
ihrem Mitgliede. Erst mit vierundvierzig Jahren hat sich Keyserlingk den
eignen Herd gegründet. Am 30. November 1742 führte er die einundzwanzig-
jährige schöne und geistvolle Gräfin Eleonore von Schlieben, eine Tochter des
Oberjägermeisters Grafen Schlieben-Sanditten und Hofdame der Königin, heim.
Wie lebhaften Anteil der König an dem Glück des Freundes nahm, hat er in
sehr eigenartiger Weise bewiesen. Er dichtete zur Vermählungsfeier einen kleinen
Schwank, den er "Der Modenarr", 1s Liuxs as 1a Uvah betitelte. Man sucht
ihn vergebens in den Oeuvres Zu ?uno80vo.s as Lanssouei. Der König, ein
allzustrenger Kritiker, hat ihn ebensowenig wie seine andern dramatischen Kleinig¬
keiten für würdig gehalten, unter seine Werke aufgenommen zu werden. Erst
die akademische Gesamtausgabe hat ihn, nach dem wiederaufgefundnen Autograph
des Königs, ans Licht gebracht. Friedrich hat auch sonst wohl seine Muse bei
Hochzeiten von Verwandten und Freunden in Anspruch genommen. So hat
er seinem Bruder Heinrich bei seiner Vermählung im Jahre 1752 ein Epithalame
gewidmet und für seinen Bruder Ferdinand 1755 sogar eine kleine Oper, den
leavis als l'aiuour verfaßt. Bei der ungemein raschen Produktivität, über die
er verfügte, war es ihm ein leichtes, einige hundert Verse schnell hinzuwerfen.


Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

schwanden, die glückliche Zeit, wo es ihm vergönnt war, sich harmonisch aus¬
zubilden und die fruchtbaren Keime zu künftiger Größe zu entwickeln?

In dem Kreise schwärmender Freunde, die Friedrich hier um sich sammelte,
stand Keyserling! an der ersten Stelle. Seine geselligen Talente, seine sprudelnde
Lebhaftigkeit — die wie sein dunkler Teint ein Erbteil seiner Mutter, einer
vornehmen Italienerin, sein mochte — kamen in dem fröhlichen Rheinsberger
Treiben recht eigentlich zur Geltung. Aber auch in den ernsten Studien, auf
die sich Friedrich nun mit fast unersättlichen Eifer stürzte, blieb er der Genosse
des Freundes. Er teilte Friedrichs Enthusiasmus für die schönen Wissenschaften,
hatte er doch selbst horazische Oden und Popes „Lockenraub" ins Französische
übersetzt, vor allem aber seine Bewunderung für das glänzendste Gestirn am
literarischen Himmel der Zeit, für Voltaire. Als moderner Argonaut ist er,
wie Friedrich scherzte, von Rheinsberg nach Cirey gezogen, um Geschenke zu
überbringen und das Goldne Vlies zu holen, neue und womöglich noch unge¬
druckte Werke des Meisters.

In dem Begleitschreiben hebt er die beiden Eigenschaften hervor, die ihn
an dem Freunde besonders anzogen. Er rühmt seine reichen geistigen Gaben
und seinen feinen Takt. Noch größer aber war die Treue und Hingebung,
mit der Cäsarion die Freundschaft des Kronprinzen vergalt. Niemals hat
Friedrich einen enthusiastischem Verehrer gehabt; er wollte, wie ein Zeitgenosse
von ihm sagt, daß ein jeder ihn mit seinen Augen sehe, ihn kenne und liebe
wie er. Auch nach Friedrichs Thronbesteigung blieb Keyserling! in seiner un¬
mittelbaren Nähe. Der König ernannte ihn zu seinem Obersten und zu seinem
Generaladjutanten und — was Cäsarion sicherlich als eine besondre Ehrung
empfunden haben wird — bei Erneuerung der Akademie der Wissenschaften zu
ihrem Mitgliede. Erst mit vierundvierzig Jahren hat sich Keyserlingk den
eignen Herd gegründet. Am 30. November 1742 führte er die einundzwanzig-
jährige schöne und geistvolle Gräfin Eleonore von Schlieben, eine Tochter des
Oberjägermeisters Grafen Schlieben-Sanditten und Hofdame der Königin, heim.
Wie lebhaften Anteil der König an dem Glück des Freundes nahm, hat er in
sehr eigenartiger Weise bewiesen. Er dichtete zur Vermählungsfeier einen kleinen
Schwank, den er „Der Modenarr", 1s Liuxs as 1a Uvah betitelte. Man sucht
ihn vergebens in den Oeuvres Zu ?uno80vo.s as Lanssouei. Der König, ein
allzustrenger Kritiker, hat ihn ebensowenig wie seine andern dramatischen Kleinig¬
keiten für würdig gehalten, unter seine Werke aufgenommen zu werden. Erst
die akademische Gesamtausgabe hat ihn, nach dem wiederaufgefundnen Autograph
des Königs, ans Licht gebracht. Friedrich hat auch sonst wohl seine Muse bei
Hochzeiten von Verwandten und Freunden in Anspruch genommen. So hat
er seinem Bruder Heinrich bei seiner Vermählung im Jahre 1752 ein Epithalame
gewidmet und für seinen Bruder Ferdinand 1755 sogar eine kleine Oper, den
leavis als l'aiuour verfaßt. Bei der ungemein raschen Produktivität, über die
er verfügte, war es ihm ein leichtes, einige hundert Verse schnell hinzuwerfen.


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[0038] Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen schwanden, die glückliche Zeit, wo es ihm vergönnt war, sich harmonisch aus¬ zubilden und die fruchtbaren Keime zu künftiger Größe zu entwickeln? In dem Kreise schwärmender Freunde, die Friedrich hier um sich sammelte, stand Keyserling! an der ersten Stelle. Seine geselligen Talente, seine sprudelnde Lebhaftigkeit — die wie sein dunkler Teint ein Erbteil seiner Mutter, einer vornehmen Italienerin, sein mochte — kamen in dem fröhlichen Rheinsberger Treiben recht eigentlich zur Geltung. Aber auch in den ernsten Studien, auf die sich Friedrich nun mit fast unersättlichen Eifer stürzte, blieb er der Genosse des Freundes. Er teilte Friedrichs Enthusiasmus für die schönen Wissenschaften, hatte er doch selbst horazische Oden und Popes „Lockenraub" ins Französische übersetzt, vor allem aber seine Bewunderung für das glänzendste Gestirn am literarischen Himmel der Zeit, für Voltaire. Als moderner Argonaut ist er, wie Friedrich scherzte, von Rheinsberg nach Cirey gezogen, um Geschenke zu überbringen und das Goldne Vlies zu holen, neue und womöglich noch unge¬ druckte Werke des Meisters. In dem Begleitschreiben hebt er die beiden Eigenschaften hervor, die ihn an dem Freunde besonders anzogen. Er rühmt seine reichen geistigen Gaben und seinen feinen Takt. Noch größer aber war die Treue und Hingebung, mit der Cäsarion die Freundschaft des Kronprinzen vergalt. Niemals hat Friedrich einen enthusiastischem Verehrer gehabt; er wollte, wie ein Zeitgenosse von ihm sagt, daß ein jeder ihn mit seinen Augen sehe, ihn kenne und liebe wie er. Auch nach Friedrichs Thronbesteigung blieb Keyserling! in seiner un¬ mittelbaren Nähe. Der König ernannte ihn zu seinem Obersten und zu seinem Generaladjutanten und — was Cäsarion sicherlich als eine besondre Ehrung empfunden haben wird — bei Erneuerung der Akademie der Wissenschaften zu ihrem Mitgliede. Erst mit vierundvierzig Jahren hat sich Keyserlingk den eignen Herd gegründet. Am 30. November 1742 führte er die einundzwanzig- jährige schöne und geistvolle Gräfin Eleonore von Schlieben, eine Tochter des Oberjägermeisters Grafen Schlieben-Sanditten und Hofdame der Königin, heim. Wie lebhaften Anteil der König an dem Glück des Freundes nahm, hat er in sehr eigenartiger Weise bewiesen. Er dichtete zur Vermählungsfeier einen kleinen Schwank, den er „Der Modenarr", 1s Liuxs as 1a Uvah betitelte. Man sucht ihn vergebens in den Oeuvres Zu ?uno80vo.s as Lanssouei. Der König, ein allzustrenger Kritiker, hat ihn ebensowenig wie seine andern dramatischen Kleinig¬ keiten für würdig gehalten, unter seine Werke aufgenommen zu werden. Erst die akademische Gesamtausgabe hat ihn, nach dem wiederaufgefundnen Autograph des Königs, ans Licht gebracht. Friedrich hat auch sonst wohl seine Muse bei Hochzeiten von Verwandten und Freunden in Anspruch genommen. So hat er seinem Bruder Heinrich bei seiner Vermählung im Jahre 1752 ein Epithalame gewidmet und für seinen Bruder Ferdinand 1755 sogar eine kleine Oper, den leavis als l'aiuour verfaßt. Bei der ungemein raschen Produktivität, über die er verfügte, war es ihm ein leichtes, einige hundert Verse schnell hinzuwerfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/38>, abgerufen am 03.07.2024.