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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ein Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

er sich auf das Studium der Literatur, der Philosophie und der Mathematik.
Er vollendete dann seine allgemeine Bildung durch Reisen im Auslande und
durch einen zweijährigen Aufenthalt in Paris. Aber er fühlte nicht den Beruf
in sich, ein Mann der Feder zu werden. Sein Ehrgeiz war, als Soldat empor¬
zusteigen. Er kam nach Berlin, um dem König von Preußen seine Dienste
anzubieten. Friedrich Wilhelm schickte ihn 1724 als Leutnant zu den Rathenower
Kürassierer. Aber er blieb nur wenig Jahre bei seinem Regiment. Die
glänzenden Eigenschaften des jungen Offiziers erregten die Aufmerksamkeit des
Königs. Wie er sich einst aus den Laufgräben vor Stralsund einen jungen
Freiwilligen, Duham de Jandun, als Lehrer für seinen Sohn geholt hatte, so
erkannte er jetzt in dem jungen Kurländer den geeigneten Gesellschafter für den
herangewachsnen Kronprinzen. Er machte ihn im Jahre 1729 zum Gefährten
seines Sohnes, und bald entwickelte sich zwischen beiden trotz des bedeutenden
Altersunterschieds -- Keyserling! war um vierzehn Jahre älter -- eine innige
Herzensfreundschaft, die, wie Friedrich später einmal gesagt hat, niemals durch
eine Wolke getrübt worden ist. Und wie hätte auch Dietrich Keyserlingk auf
den leicht empfänglichen Sinn des jungen Prinzen nicht einen außerordentlichen
Eindruck machen sollen? Er verband mit einer vorzüglichen Bildung, um die
Friedrich ihn beneidete, Talente, die jede vornehme Gesellschaft entzücken mußten.
Er dichtete, er sang, er komponierte, hatte vortreffliche Kenntnisse in der Malerei
und Architektur, war ein kühner Reiter, ein unermüdlicher Tänzer, ein heiterer,
sorgloser Zechkumpan. Dem Prinzen gegenüber war er von hinreißender
Liebenswürdigkeit, ohne darum, wie Friedrich später laut gerühmt hat, das
oberste Gesetz der Freundschaft zu verletzen: dem Freunde auch über seine Fehler
die reine, ungeschminkte Wahrheit zu sagen.

Trotzdem -- oder vielleicht gerade darum -- hat ihn der Prinz, als in
ihm der unselige Entschluß reifte, sich unerträglichem Zwange durch die Flucht
zu entziehn. in die Einzelheiten des Geheimnisses nicht eingeweiht. So konnte
er, als die Katastrophe über Friedrich und seine Freunde hereinbrach, leicht
seine Schuldlosigkeit nachweisen und wurde, ohne die königliche Gnade zu ver¬
lieren, zu seinem Regiment zurückgeschickt.

Es war die erste Bitte, die der Sohn nach der Versöhnung dem Vater
vorzutragen wagte, daß er Keyserlingk erlauben möge, zu ihm zurückzukehren.
Zunächst wollte der König nichts davon wissen. Erst als an der völligen
Unterwerfung des Sohnes nicht mehr zu zweifeln war, als er den verhaßten
Ehebund geschlossen, und der König ihm den eignen Hofhalt in Rheinsberg ein¬
richtete, durfte er den Freund zurückrufen. Die Sonne ist durch den Winter¬
nebel gedrungen, jubelte Friedrich, als Cäsarion -- nicht anders als unter
dieser antiquisierenden Form pflegte er den Freund zu rufen -- in Rheinsberg
eintraf.

Wer kennt sie nicht, die goldnen Tage von Rheinsberg, in denen die
furchtbaren Eindrücke einer allzu harten Jugend allmählich aus Friedrichs Seele


Ein Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

er sich auf das Studium der Literatur, der Philosophie und der Mathematik.
Er vollendete dann seine allgemeine Bildung durch Reisen im Auslande und
durch einen zweijährigen Aufenthalt in Paris. Aber er fühlte nicht den Beruf
in sich, ein Mann der Feder zu werden. Sein Ehrgeiz war, als Soldat empor¬
zusteigen. Er kam nach Berlin, um dem König von Preußen seine Dienste
anzubieten. Friedrich Wilhelm schickte ihn 1724 als Leutnant zu den Rathenower
Kürassierer. Aber er blieb nur wenig Jahre bei seinem Regiment. Die
glänzenden Eigenschaften des jungen Offiziers erregten die Aufmerksamkeit des
Königs. Wie er sich einst aus den Laufgräben vor Stralsund einen jungen
Freiwilligen, Duham de Jandun, als Lehrer für seinen Sohn geholt hatte, so
erkannte er jetzt in dem jungen Kurländer den geeigneten Gesellschafter für den
herangewachsnen Kronprinzen. Er machte ihn im Jahre 1729 zum Gefährten
seines Sohnes, und bald entwickelte sich zwischen beiden trotz des bedeutenden
Altersunterschieds — Keyserling! war um vierzehn Jahre älter — eine innige
Herzensfreundschaft, die, wie Friedrich später einmal gesagt hat, niemals durch
eine Wolke getrübt worden ist. Und wie hätte auch Dietrich Keyserlingk auf
den leicht empfänglichen Sinn des jungen Prinzen nicht einen außerordentlichen
Eindruck machen sollen? Er verband mit einer vorzüglichen Bildung, um die
Friedrich ihn beneidete, Talente, die jede vornehme Gesellschaft entzücken mußten.
Er dichtete, er sang, er komponierte, hatte vortreffliche Kenntnisse in der Malerei
und Architektur, war ein kühner Reiter, ein unermüdlicher Tänzer, ein heiterer,
sorgloser Zechkumpan. Dem Prinzen gegenüber war er von hinreißender
Liebenswürdigkeit, ohne darum, wie Friedrich später laut gerühmt hat, das
oberste Gesetz der Freundschaft zu verletzen: dem Freunde auch über seine Fehler
die reine, ungeschminkte Wahrheit zu sagen.

Trotzdem — oder vielleicht gerade darum — hat ihn der Prinz, als in
ihm der unselige Entschluß reifte, sich unerträglichem Zwange durch die Flucht
zu entziehn. in die Einzelheiten des Geheimnisses nicht eingeweiht. So konnte
er, als die Katastrophe über Friedrich und seine Freunde hereinbrach, leicht
seine Schuldlosigkeit nachweisen und wurde, ohne die königliche Gnade zu ver¬
lieren, zu seinem Regiment zurückgeschickt.

Es war die erste Bitte, die der Sohn nach der Versöhnung dem Vater
vorzutragen wagte, daß er Keyserlingk erlauben möge, zu ihm zurückzukehren.
Zunächst wollte der König nichts davon wissen. Erst als an der völligen
Unterwerfung des Sohnes nicht mehr zu zweifeln war, als er den verhaßten
Ehebund geschlossen, und der König ihm den eignen Hofhalt in Rheinsberg ein¬
richtete, durfte er den Freund zurückrufen. Die Sonne ist durch den Winter¬
nebel gedrungen, jubelte Friedrich, als Cäsarion — nicht anders als unter
dieser antiquisierenden Form pflegte er den Freund zu rufen — in Rheinsberg
eintraf.

Wer kennt sie nicht, die goldnen Tage von Rheinsberg, in denen die
furchtbaren Eindrücke einer allzu harten Jugend allmählich aus Friedrichs Seele


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/37>, abgerufen am 12.12.2024.