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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ein Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

Wunsch, zu werden ein Held wie jener. Still und bescheiden zieht der Sieger
im heißen Kampfe heimwärts. Die Ehre allein genügt ihm als einziger Lohn.

Wie anders ist ein Volksfest bei uns, sagen wir mal das Turnfest, das
doch seinem idealen Streben nach gewiß Ähnlichkeit mit solchen japanischen
Feiern haben müßte. Zunächst ist schon am Abend vorher Begrüßung der
Gäste mit energischem Humpenschwingen; der Festtag selber wird eingeleitet
durch einen "solennen" Frühschoppen, der die Grundlage für die Tagesstimmung
gibt, dann erfolgt ein Umzug: Frack, weiße Binde, Zylinder ist die deutsche
männliche Festuniform, einige Turner folgen. Nun kommt das Festessen,
dessen Hauptbestandteil die Festreden sind, mit denen sich die verschieden Ver¬
treter gegenseitig als Hauptstützen des Vaterlandes preisen.

Die stark rotweinköpsigen Schiedsrichter sehen nun das Wetturnen an,
es wird damit von vielen meist mehr als eine unangenehme Last denn als
Hauptfeier des Tages betrachtet, die man möglichst rasch erledigt, denn nun
gehts zum Kommers, der die Feier würdig abschließt. saurer Hering und
Selterwasser sind am nächsten Tage begehrte Genußmittel.

Was bleibt da übrig? Das Gute, was an körperlicher und geistiger
Spannkraft von wenigen gezeigt wurde, es wird ertränkt in dem Alkoholgenuß
und dem Festesrausch der großen Menge. Nicht eine Zunahme der Volkskraft
bedeutet solches Fest, sondern eine Schädigung in körperlicher, moralischer und
materieller Beziehung, plumpsinnliche Genüsse, Massenvertilgung von Alkohol,
falsche Eitelkeit, das sind die Kennzeichen unsrer meisten Volksfeste, auch solcher,
deren einziger Zweck in der Hebung idealer Güter zu liegen scheint und liegen
müßte.

Die Weckung und Hebung solcher Werte liegt bei uns noch ganz im
argen, und nur ein Mittel gibt es dagegen: Pflege des Sports, das heißt
ritterlicher Übung des Körpers und damit gleichzeitige Rückkehr zur ewig jungen
und verjüngenden Natur.




(Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen
Prof. ol', G. peis er von

i einer seiner Freunde hat dem Herzen Friedrichs des Großen so
nahe gestanden wie der Kurländer Dietrich von Keyserling!. Mit
rascher und lebhafter Auffassungskraft begabt, hatte er sich schon
auf dem Gymnasium zu Königsberg unter seinen Mitschülern ganz
I besonders hervorgetan. Durch vier Reden in deutscher, lateinischer,
griechischer und französischer Sprache, die er an einem Tage hielt, verschaffte
er sich siebzehnjährig den Zugang zur Universität. Mit glühendem Eifer warfIM


Ein Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen

Wunsch, zu werden ein Held wie jener. Still und bescheiden zieht der Sieger
im heißen Kampfe heimwärts. Die Ehre allein genügt ihm als einziger Lohn.

Wie anders ist ein Volksfest bei uns, sagen wir mal das Turnfest, das
doch seinem idealen Streben nach gewiß Ähnlichkeit mit solchen japanischen
Feiern haben müßte. Zunächst ist schon am Abend vorher Begrüßung der
Gäste mit energischem Humpenschwingen; der Festtag selber wird eingeleitet
durch einen „solennen" Frühschoppen, der die Grundlage für die Tagesstimmung
gibt, dann erfolgt ein Umzug: Frack, weiße Binde, Zylinder ist die deutsche
männliche Festuniform, einige Turner folgen. Nun kommt das Festessen,
dessen Hauptbestandteil die Festreden sind, mit denen sich die verschieden Ver¬
treter gegenseitig als Hauptstützen des Vaterlandes preisen.

Die stark rotweinköpsigen Schiedsrichter sehen nun das Wetturnen an,
es wird damit von vielen meist mehr als eine unangenehme Last denn als
Hauptfeier des Tages betrachtet, die man möglichst rasch erledigt, denn nun
gehts zum Kommers, der die Feier würdig abschließt. saurer Hering und
Selterwasser sind am nächsten Tage begehrte Genußmittel.

Was bleibt da übrig? Das Gute, was an körperlicher und geistiger
Spannkraft von wenigen gezeigt wurde, es wird ertränkt in dem Alkoholgenuß
und dem Festesrausch der großen Menge. Nicht eine Zunahme der Volkskraft
bedeutet solches Fest, sondern eine Schädigung in körperlicher, moralischer und
materieller Beziehung, plumpsinnliche Genüsse, Massenvertilgung von Alkohol,
falsche Eitelkeit, das sind die Kennzeichen unsrer meisten Volksfeste, auch solcher,
deren einziger Zweck in der Hebung idealer Güter zu liegen scheint und liegen
müßte.

Die Weckung und Hebung solcher Werte liegt bei uns noch ganz im
argen, und nur ein Mittel gibt es dagegen: Pflege des Sports, das heißt
ritterlicher Übung des Körpers und damit gleichzeitige Rückkehr zur ewig jungen
und verjüngenden Natur.




(Lin Hochzeitsschwank Friedrichs des Großen
Prof. ol', G. peis er von

i einer seiner Freunde hat dem Herzen Friedrichs des Großen so
nahe gestanden wie der Kurländer Dietrich von Keyserling!. Mit
rascher und lebhafter Auffassungskraft begabt, hatte er sich schon
auf dem Gymnasium zu Königsberg unter seinen Mitschülern ganz
I besonders hervorgetan. Durch vier Reden in deutscher, lateinischer,
griechischer und französischer Sprache, die er an einem Tage hielt, verschaffte
er sich siebzehnjährig den Zugang zur Universität. Mit glühendem Eifer warfIM


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/36>, abgerufen am 12.12.2024.