Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
was können wir von Japan lernen?

des Engländers noch überlegen, trägt dazu bei, auf seine eigne Kraft mit
größtem Selbstvertrauen zu blicken.

Neben der moralischen Erziehung behauptet aber die Stählung des
Körpers ihr vollstes Recht. Der Japaner ist trefflich geübt in den ritter¬
lichen Leibesübungen, und wie jeder Engländer so ist auch jeder Japaner in
sportlichen Denken erzogen und bringt diesen körperlichen Leistungen das
größte Verständnis und die größte Teilnahme entgegen; hier sind es nicht wie
in England hauptsächlich die Pferderennen und Fußballkämpfe, sondern der
Kampf mit zwei Schwertern, mit einem Schwert, Lanze und Dolch sowie
Ringkampfe.

Solche körperliche Übungen, vor allem der das größte Geschick erfordernde
und dafür am höchsten geschätzte, in allen Kreisen gepflegte Zweischwerter¬
kampf*), erhalten den Körper geschmeidig, schärfen den Blick für Angriff und
Blöße des Gegners, für eignen Vorstoß und Abwehr. Immer wird aber
dabei der Hauptwert auf ein vornehmes Handeln gelegt, sich hinreißen zu
lassen, würde als schimpflich angesehen werden, und das ist infolgedessen auch
völlig ausgeschlossen. Keine wüste Prügelei darf dabei herauskommen, sondern
es muß immer ein ritterlicher Kampf bleiben, worum es sich auch handeln
mag. Überall im Lande sind die sogenannten Rittervereine, denen sich jung
und alt, reich und arm, vornehm und gering anschließt. Sie stehn unter
dem Schutz der Besten des Landes und sind die vorzüglichsten Pflegestätten
dieser den Körper und den Geist stählenden Kampfspiele.

Und gerade darin liegt ein Hauptzug japanischer Tüchtigkeit, daß jeder¬
mann und alle Stände an solchem Sport den größten Anteil nehmen und
nicht wie bei uns Deutschen die körperliche Leistung und ihre Wertung nur
wenigen überläßt, für die sich auch nur eine weniger zahlreiche Masse inter¬
essiert; es spricht sich dies am deutlichsten aus auf den alle Volksklassen ver¬
einigenden Nationalfesten. Kein Alkohol, kein wüster Lärm mit Blechmusik
und Pauke. Ernst und bedächtig ziehen die kleinen geschmeidigen Kämpfer
zum Festplatz. Der Kampf ist schwer, denn wohlgeübt ist der Gegner, nur
Meister der körperlichen Übungen, des Schwerterkampfes dürfen sich da messen,
wo jedermann im Volke und unter den Zuschauern selbst ein durchgebildeter
Kämpfer ist und dem Wettstreit mit der schärfsten Aufmerksamkeit und dem
vollsten Verständnis folgt.

Um so größer ist die Begeisterung, um so höher der Ruhm, der dem
Sieger zuteil wird. Er wird nicht in Festreden zwischen Fisch und Braten
gefeiert, aber das Volk nennt ihn als einen ihrer Besten, und die Jugend
erzählt von ihm mit stiller Bewunderung und erfüllt von dem glühenden



*) Bezeichnend ist, daß die Schwertfegerei noch heute in Japan im größten Ansehen steht
und noch heute vom höchsten Adel ausgeübt wird, wie es auch in den germanischen Helden¬
sagen von unsern Altvordern berichtet wird.
was können wir von Japan lernen?

des Engländers noch überlegen, trägt dazu bei, auf seine eigne Kraft mit
größtem Selbstvertrauen zu blicken.

Neben der moralischen Erziehung behauptet aber die Stählung des
Körpers ihr vollstes Recht. Der Japaner ist trefflich geübt in den ritter¬
lichen Leibesübungen, und wie jeder Engländer so ist auch jeder Japaner in
sportlichen Denken erzogen und bringt diesen körperlichen Leistungen das
größte Verständnis und die größte Teilnahme entgegen; hier sind es nicht wie
in England hauptsächlich die Pferderennen und Fußballkämpfe, sondern der
Kampf mit zwei Schwertern, mit einem Schwert, Lanze und Dolch sowie
Ringkampfe.

Solche körperliche Übungen, vor allem der das größte Geschick erfordernde
und dafür am höchsten geschätzte, in allen Kreisen gepflegte Zweischwerter¬
kampf*), erhalten den Körper geschmeidig, schärfen den Blick für Angriff und
Blöße des Gegners, für eignen Vorstoß und Abwehr. Immer wird aber
dabei der Hauptwert auf ein vornehmes Handeln gelegt, sich hinreißen zu
lassen, würde als schimpflich angesehen werden, und das ist infolgedessen auch
völlig ausgeschlossen. Keine wüste Prügelei darf dabei herauskommen, sondern
es muß immer ein ritterlicher Kampf bleiben, worum es sich auch handeln
mag. Überall im Lande sind die sogenannten Rittervereine, denen sich jung
und alt, reich und arm, vornehm und gering anschließt. Sie stehn unter
dem Schutz der Besten des Landes und sind die vorzüglichsten Pflegestätten
dieser den Körper und den Geist stählenden Kampfspiele.

Und gerade darin liegt ein Hauptzug japanischer Tüchtigkeit, daß jeder¬
mann und alle Stände an solchem Sport den größten Anteil nehmen und
nicht wie bei uns Deutschen die körperliche Leistung und ihre Wertung nur
wenigen überläßt, für die sich auch nur eine weniger zahlreiche Masse inter¬
essiert; es spricht sich dies am deutlichsten aus auf den alle Volksklassen ver¬
einigenden Nationalfesten. Kein Alkohol, kein wüster Lärm mit Blechmusik
und Pauke. Ernst und bedächtig ziehen die kleinen geschmeidigen Kämpfer
zum Festplatz. Der Kampf ist schwer, denn wohlgeübt ist der Gegner, nur
Meister der körperlichen Übungen, des Schwerterkampfes dürfen sich da messen,
wo jedermann im Volke und unter den Zuschauern selbst ein durchgebildeter
Kämpfer ist und dem Wettstreit mit der schärfsten Aufmerksamkeit und dem
vollsten Verständnis folgt.

Um so größer ist die Begeisterung, um so höher der Ruhm, der dem
Sieger zuteil wird. Er wird nicht in Festreden zwischen Fisch und Braten
gefeiert, aber das Volk nennt ihn als einen ihrer Besten, und die Jugend
erzählt von ihm mit stiller Bewunderung und erfüllt von dem glühenden



*) Bezeichnend ist, daß die Schwertfegerei noch heute in Japan im größten Ansehen steht
und noch heute vom höchsten Adel ausgeübt wird, wie es auch in den germanischen Helden¬
sagen von unsern Altvordern berichtet wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0035" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312386"/>
          <fw type="header" place="top"> was können wir von Japan lernen?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_109" prev="#ID_108"> des Engländers noch überlegen, trägt dazu bei, auf seine eigne Kraft mit<lb/>
größtem Selbstvertrauen zu blicken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_110"> Neben der moralischen Erziehung behauptet aber die Stählung des<lb/>
Körpers ihr vollstes Recht. Der Japaner ist trefflich geübt in den ritter¬<lb/>
lichen Leibesübungen, und wie jeder Engländer so ist auch jeder Japaner in<lb/>
sportlichen Denken erzogen und bringt diesen körperlichen Leistungen das<lb/>
größte Verständnis und die größte Teilnahme entgegen; hier sind es nicht wie<lb/>
in England hauptsächlich die Pferderennen und Fußballkämpfe, sondern der<lb/>
Kampf mit zwei Schwertern, mit einem Schwert, Lanze und Dolch sowie<lb/>
Ringkampfe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_111"> Solche körperliche Übungen, vor allem der das größte Geschick erfordernde<lb/>
und dafür am höchsten geschätzte, in allen Kreisen gepflegte Zweischwerter¬<lb/>
kampf*), erhalten den Körper geschmeidig, schärfen den Blick für Angriff und<lb/>
Blöße des Gegners, für eignen Vorstoß und Abwehr. Immer wird aber<lb/>
dabei der Hauptwert auf ein vornehmes Handeln gelegt, sich hinreißen zu<lb/>
lassen, würde als schimpflich angesehen werden, und das ist infolgedessen auch<lb/>
völlig ausgeschlossen. Keine wüste Prügelei darf dabei herauskommen, sondern<lb/>
es muß immer ein ritterlicher Kampf bleiben, worum es sich auch handeln<lb/>
mag. Überall im Lande sind die sogenannten Rittervereine, denen sich jung<lb/>
und alt, reich und arm, vornehm und gering anschließt. Sie stehn unter<lb/>
dem Schutz der Besten des Landes und sind die vorzüglichsten Pflegestätten<lb/>
dieser den Körper und den Geist stählenden Kampfspiele.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_112"> Und gerade darin liegt ein Hauptzug japanischer Tüchtigkeit, daß jeder¬<lb/>
mann und alle Stände an solchem Sport den größten Anteil nehmen und<lb/>
nicht wie bei uns Deutschen die körperliche Leistung und ihre Wertung nur<lb/>
wenigen überläßt, für die sich auch nur eine weniger zahlreiche Masse inter¬<lb/>
essiert; es spricht sich dies am deutlichsten aus auf den alle Volksklassen ver¬<lb/>
einigenden Nationalfesten. Kein Alkohol, kein wüster Lärm mit Blechmusik<lb/>
und Pauke. Ernst und bedächtig ziehen die kleinen geschmeidigen Kämpfer<lb/>
zum Festplatz. Der Kampf ist schwer, denn wohlgeübt ist der Gegner, nur<lb/>
Meister der körperlichen Übungen, des Schwerterkampfes dürfen sich da messen,<lb/>
wo jedermann im Volke und unter den Zuschauern selbst ein durchgebildeter<lb/>
Kämpfer ist und dem Wettstreit mit der schärfsten Aufmerksamkeit und dem<lb/>
vollsten Verständnis folgt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_113" next="#ID_114"> Um so größer ist die Begeisterung, um so höher der Ruhm, der dem<lb/>
Sieger zuteil wird. Er wird nicht in Festreden zwischen Fisch und Braten<lb/>
gefeiert, aber das Volk nennt ihn als einen ihrer Besten, und die Jugend<lb/>
erzählt von ihm mit stiller Bewunderung und erfüllt von dem glühenden</p><lb/>
          <note xml:id="FID_10" place="foot"> *) Bezeichnend ist, daß die Schwertfegerei noch heute in Japan im größten Ansehen steht<lb/>
und noch heute vom höchsten Adel ausgeübt wird, wie es auch in den germanischen Helden¬<lb/>
sagen von unsern Altvordern berichtet wird.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0035] was können wir von Japan lernen? des Engländers noch überlegen, trägt dazu bei, auf seine eigne Kraft mit größtem Selbstvertrauen zu blicken. Neben der moralischen Erziehung behauptet aber die Stählung des Körpers ihr vollstes Recht. Der Japaner ist trefflich geübt in den ritter¬ lichen Leibesübungen, und wie jeder Engländer so ist auch jeder Japaner in sportlichen Denken erzogen und bringt diesen körperlichen Leistungen das größte Verständnis und die größte Teilnahme entgegen; hier sind es nicht wie in England hauptsächlich die Pferderennen und Fußballkämpfe, sondern der Kampf mit zwei Schwertern, mit einem Schwert, Lanze und Dolch sowie Ringkampfe. Solche körperliche Übungen, vor allem der das größte Geschick erfordernde und dafür am höchsten geschätzte, in allen Kreisen gepflegte Zweischwerter¬ kampf*), erhalten den Körper geschmeidig, schärfen den Blick für Angriff und Blöße des Gegners, für eignen Vorstoß und Abwehr. Immer wird aber dabei der Hauptwert auf ein vornehmes Handeln gelegt, sich hinreißen zu lassen, würde als schimpflich angesehen werden, und das ist infolgedessen auch völlig ausgeschlossen. Keine wüste Prügelei darf dabei herauskommen, sondern es muß immer ein ritterlicher Kampf bleiben, worum es sich auch handeln mag. Überall im Lande sind die sogenannten Rittervereine, denen sich jung und alt, reich und arm, vornehm und gering anschließt. Sie stehn unter dem Schutz der Besten des Landes und sind die vorzüglichsten Pflegestätten dieser den Körper und den Geist stählenden Kampfspiele. Und gerade darin liegt ein Hauptzug japanischer Tüchtigkeit, daß jeder¬ mann und alle Stände an solchem Sport den größten Anteil nehmen und nicht wie bei uns Deutschen die körperliche Leistung und ihre Wertung nur wenigen überläßt, für die sich auch nur eine weniger zahlreiche Masse inter¬ essiert; es spricht sich dies am deutlichsten aus auf den alle Volksklassen ver¬ einigenden Nationalfesten. Kein Alkohol, kein wüster Lärm mit Blechmusik und Pauke. Ernst und bedächtig ziehen die kleinen geschmeidigen Kämpfer zum Festplatz. Der Kampf ist schwer, denn wohlgeübt ist der Gegner, nur Meister der körperlichen Übungen, des Schwerterkampfes dürfen sich da messen, wo jedermann im Volke und unter den Zuschauern selbst ein durchgebildeter Kämpfer ist und dem Wettstreit mit der schärfsten Aufmerksamkeit und dem vollsten Verständnis folgt. Um so größer ist die Begeisterung, um so höher der Ruhm, der dem Sieger zuteil wird. Er wird nicht in Festreden zwischen Fisch und Braten gefeiert, aber das Volk nennt ihn als einen ihrer Besten, und die Jugend erzählt von ihm mit stiller Bewunderung und erfüllt von dem glühenden *) Bezeichnend ist, daß die Schwertfegerei noch heute in Japan im größten Ansehen steht und noch heute vom höchsten Adel ausgeübt wird, wie es auch in den germanischen Helden¬ sagen von unsern Altvordern berichtet wird.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/35
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/35>, abgerufen am 23.07.2024.