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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Einigung Südafrikas

dieser Klasse einzureihen, und die Minen haben bis jetzt das Land eigentlich
nur ausgebeutet, direkt nichts dafür geleistet, sondern im Gegenteil, sie sind
schuld an allen unaufhörlichen Wirrnissen, an allem Blut, an allem Elend.
Südafrika ist das reichste Gold- und Diamantenland der Erde, in dem
reichsten Gold- und Diamantenland ist heute, schon nach der großen fünf¬
jährigen Abwanderung, durchschnittlich jeder fünfte Mann ohne regelmüßiges
Einkommen. Das Kap ist am Rande des Staatsbankrotts. Mit einer neuen
Steuerpolitik wird eine neue Minenpolitik Hand in Hand gehen müssen.

Sieht man ab von den kleinern Parochialdifferenzen, so ist das den
Einigungsbestrebungen gefahrdrohendste Element die Eingebornenpolitik der
verschiednen Staaten. In den vier Staaten zusammen kommen auf je einen
Weißen etwa drei bis vier Eingeborne. Wenn es auch unsinniges Gerede ist,
daß sich diese vier ganz verschiednen Farbigen je zusammenschweißen lassen
würden, um dem einen Weißen zu Leibe zu gehen, so liegt die enorme Be¬
deutung der einheitlichen Behandlung einer solchen Masse, die sich unter dem
Schutze der Weißen im Frieden noch in viel größerm Verhältnis vermehrt
als das Herrenvolk selbst, auf der Hand. Am Kap haben die Farbigen be¬
kanntlich Stimmrecht, sofern sie ihren Namen schreiben können und im Besitze
eines Wertes oder Vermögens von 60 Pfund Sterling in irgendwelcher Form
sind oder ein ganz kleines bestimmtes regelmäßiges Einkommen haben. Eine sehr
bedeutende Zahl erfüllt diese Bedingungen, und sie wächst von Jahr zu Jahr.
Seinen Namen lernt bei dem von den Parteien dazu eingerichteten Unterricht ein
Analphabet hinzeichnen, des Besitzes von Vieh im Werte von 60 Pfund Sterling
kann sich wohl jeder verheiratete Kaffer rühmen. Weder Natal noch Transvaal
und Orangia haben sich zu dem Unfugs bereitfinden lassen, ihren Farbigen das
erste bürgerliche Ehrenrecht zuzuwerfen, dem jetzt noch zwei Drittel aller Ger-
Manen kaum ein rechtes Verständnis entgegenbringen können, geschweige denn
Bauens und Hottentotten, deren ganze Eintagskultur nicht mehr als ein Nach¬
plappern sein kann. Mit stillem Zorn und mit Verachtung sehen die drei Kolonien
auf das Unwesen, das ihnen zugebracht werden soll. Dabei sagen sie: "Ganz
abgesehen davon, daß uns eure Eingebornenpolitik zunächst widerstrebt, ver¬
schiebt diese Stimmasse eurer Eingebornen die Verhültniszcchlen der Wühler
in den Kolonien. Die unendlich fruchtbare schwarze Wählerschaft wird es euch
einmal möglich machen, uns durch die berühmte kompakte Majorität an die
Wand zu drücken." Hier berührt sich die Eingebornenfrage eng mit dem
Problem der Vertretung der einzelnen Teilstaaten bei der Gesamtregierung.
Ein Vorschlag ist in der Hinsicht schon vom Kap gemacht worden. Die
Mehrheit der Kapbürger sähe wohl überhaupt gern, daß den Eingebornen das
Stimmrecht entzogen würde, aber da fürchten sich die beiden politischen
Parteien im Parlament voreinander. Die Progressiven werden den Antrag
nicht wagen, und der Bond auch nicht, weil beide die schwarze Hilfsstellung
bei den Wahlen brauchen; und welche von beiden Parteien sich immer zum
Handlanger des Gesamtwillens machen ließe, die andre träte augenblicklich


Die Einigung Südafrikas

dieser Klasse einzureihen, und die Minen haben bis jetzt das Land eigentlich
nur ausgebeutet, direkt nichts dafür geleistet, sondern im Gegenteil, sie sind
schuld an allen unaufhörlichen Wirrnissen, an allem Blut, an allem Elend.
Südafrika ist das reichste Gold- und Diamantenland der Erde, in dem
reichsten Gold- und Diamantenland ist heute, schon nach der großen fünf¬
jährigen Abwanderung, durchschnittlich jeder fünfte Mann ohne regelmüßiges
Einkommen. Das Kap ist am Rande des Staatsbankrotts. Mit einer neuen
Steuerpolitik wird eine neue Minenpolitik Hand in Hand gehen müssen.

Sieht man ab von den kleinern Parochialdifferenzen, so ist das den
Einigungsbestrebungen gefahrdrohendste Element die Eingebornenpolitik der
verschiednen Staaten. In den vier Staaten zusammen kommen auf je einen
Weißen etwa drei bis vier Eingeborne. Wenn es auch unsinniges Gerede ist,
daß sich diese vier ganz verschiednen Farbigen je zusammenschweißen lassen
würden, um dem einen Weißen zu Leibe zu gehen, so liegt die enorme Be¬
deutung der einheitlichen Behandlung einer solchen Masse, die sich unter dem
Schutze der Weißen im Frieden noch in viel größerm Verhältnis vermehrt
als das Herrenvolk selbst, auf der Hand. Am Kap haben die Farbigen be¬
kanntlich Stimmrecht, sofern sie ihren Namen schreiben können und im Besitze
eines Wertes oder Vermögens von 60 Pfund Sterling in irgendwelcher Form
sind oder ein ganz kleines bestimmtes regelmäßiges Einkommen haben. Eine sehr
bedeutende Zahl erfüllt diese Bedingungen, und sie wächst von Jahr zu Jahr.
Seinen Namen lernt bei dem von den Parteien dazu eingerichteten Unterricht ein
Analphabet hinzeichnen, des Besitzes von Vieh im Werte von 60 Pfund Sterling
kann sich wohl jeder verheiratete Kaffer rühmen. Weder Natal noch Transvaal
und Orangia haben sich zu dem Unfugs bereitfinden lassen, ihren Farbigen das
erste bürgerliche Ehrenrecht zuzuwerfen, dem jetzt noch zwei Drittel aller Ger-
Manen kaum ein rechtes Verständnis entgegenbringen können, geschweige denn
Bauens und Hottentotten, deren ganze Eintagskultur nicht mehr als ein Nach¬
plappern sein kann. Mit stillem Zorn und mit Verachtung sehen die drei Kolonien
auf das Unwesen, das ihnen zugebracht werden soll. Dabei sagen sie: „Ganz
abgesehen davon, daß uns eure Eingebornenpolitik zunächst widerstrebt, ver¬
schiebt diese Stimmasse eurer Eingebornen die Verhültniszcchlen der Wühler
in den Kolonien. Die unendlich fruchtbare schwarze Wählerschaft wird es euch
einmal möglich machen, uns durch die berühmte kompakte Majorität an die
Wand zu drücken." Hier berührt sich die Eingebornenfrage eng mit dem
Problem der Vertretung der einzelnen Teilstaaten bei der Gesamtregierung.
Ein Vorschlag ist in der Hinsicht schon vom Kap gemacht worden. Die
Mehrheit der Kapbürger sähe wohl überhaupt gern, daß den Eingebornen das
Stimmrecht entzogen würde, aber da fürchten sich die beiden politischen
Parteien im Parlament voreinander. Die Progressiven werden den Antrag
nicht wagen, und der Bond auch nicht, weil beide die schwarze Hilfsstellung
bei den Wahlen brauchen; und welche von beiden Parteien sich immer zum
Handlanger des Gesamtwillens machen ließe, die andre träte augenblicklich


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[0339] Die Einigung Südafrikas dieser Klasse einzureihen, und die Minen haben bis jetzt das Land eigentlich nur ausgebeutet, direkt nichts dafür geleistet, sondern im Gegenteil, sie sind schuld an allen unaufhörlichen Wirrnissen, an allem Blut, an allem Elend. Südafrika ist das reichste Gold- und Diamantenland der Erde, in dem reichsten Gold- und Diamantenland ist heute, schon nach der großen fünf¬ jährigen Abwanderung, durchschnittlich jeder fünfte Mann ohne regelmüßiges Einkommen. Das Kap ist am Rande des Staatsbankrotts. Mit einer neuen Steuerpolitik wird eine neue Minenpolitik Hand in Hand gehen müssen. Sieht man ab von den kleinern Parochialdifferenzen, so ist das den Einigungsbestrebungen gefahrdrohendste Element die Eingebornenpolitik der verschiednen Staaten. In den vier Staaten zusammen kommen auf je einen Weißen etwa drei bis vier Eingeborne. Wenn es auch unsinniges Gerede ist, daß sich diese vier ganz verschiednen Farbigen je zusammenschweißen lassen würden, um dem einen Weißen zu Leibe zu gehen, so liegt die enorme Be¬ deutung der einheitlichen Behandlung einer solchen Masse, die sich unter dem Schutze der Weißen im Frieden noch in viel größerm Verhältnis vermehrt als das Herrenvolk selbst, auf der Hand. Am Kap haben die Farbigen be¬ kanntlich Stimmrecht, sofern sie ihren Namen schreiben können und im Besitze eines Wertes oder Vermögens von 60 Pfund Sterling in irgendwelcher Form sind oder ein ganz kleines bestimmtes regelmäßiges Einkommen haben. Eine sehr bedeutende Zahl erfüllt diese Bedingungen, und sie wächst von Jahr zu Jahr. Seinen Namen lernt bei dem von den Parteien dazu eingerichteten Unterricht ein Analphabet hinzeichnen, des Besitzes von Vieh im Werte von 60 Pfund Sterling kann sich wohl jeder verheiratete Kaffer rühmen. Weder Natal noch Transvaal und Orangia haben sich zu dem Unfugs bereitfinden lassen, ihren Farbigen das erste bürgerliche Ehrenrecht zuzuwerfen, dem jetzt noch zwei Drittel aller Ger- Manen kaum ein rechtes Verständnis entgegenbringen können, geschweige denn Bauens und Hottentotten, deren ganze Eintagskultur nicht mehr als ein Nach¬ plappern sein kann. Mit stillem Zorn und mit Verachtung sehen die drei Kolonien auf das Unwesen, das ihnen zugebracht werden soll. Dabei sagen sie: „Ganz abgesehen davon, daß uns eure Eingebornenpolitik zunächst widerstrebt, ver¬ schiebt diese Stimmasse eurer Eingebornen die Verhültniszcchlen der Wühler in den Kolonien. Die unendlich fruchtbare schwarze Wählerschaft wird es euch einmal möglich machen, uns durch die berühmte kompakte Majorität an die Wand zu drücken." Hier berührt sich die Eingebornenfrage eng mit dem Problem der Vertretung der einzelnen Teilstaaten bei der Gesamtregierung. Ein Vorschlag ist in der Hinsicht schon vom Kap gemacht worden. Die Mehrheit der Kapbürger sähe wohl überhaupt gern, daß den Eingebornen das Stimmrecht entzogen würde, aber da fürchten sich die beiden politischen Parteien im Parlament voreinander. Die Progressiven werden den Antrag nicht wagen, und der Bond auch nicht, weil beide die schwarze Hilfsstellung bei den Wahlen brauchen; und welche von beiden Parteien sich immer zum Handlanger des Gesamtwillens machen ließe, die andre träte augenblicklich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/339>, abgerufen am 12.12.2024.