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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Lmigung Südafrikas

Delagoabai konkurriert im Handel mit den Jnlandstaaten Transvaal und Frei¬
staat, sich aber seit der Gründung und dem Ausschießen der Minenstadt
Johannesburg im Jahre 1885 besonders bemüht, den Transitverkehr dieser
Stadt zu erhalten. Kapstadt, das wohl Europa am nächsten lag, räumlich
aber am weitesten vom Inlande getrennt war, schied bald für alles andre als
den Personenverkehr aus. Port Elizabeth hielt sich lange, mehr durch die
Tüchtigkeit seiner Kaufleute und die frühe hohe Blüte seines Handels als
durch seine geographische Lage. Durham und Delagoabai aber erwiesen sich
als örtlich dem "Rande" näher, und sie nahmen der Kapkolonie immer mehr
vom Durchgangsverkehr ab. Um ihn nicht ganz zu verlieren, warf diese sich
auf ihre kürzeste Eisenbahnlinie von der See in das Innere, auf die von
East London ausgehende. Sie drückte auf ihr die Raten per Tonne so sehr
hinunter, daß sie denen von Durham aus gleichkamen. East London wurde
der "Fechthafen" (KZIitinA xort), dadurch verblieb dem Kap wohl ein Teil des
Handels, der sonst an Durham gefallen wäre, aber Port Elizabeth wurde
neidisch auf East London. Heute liegen die Verhältnisse so, daß Transvaal,
das am billigsten über Delagoabai importieren kann, obgleich dieser Ort einem
Fremdstaat angehört, nicht Natal und dem Kap zuliebe höhere Frachten zahlen
will; Natal, dem die Energie des ganzen Volkes den ausgezeichneten Hafen
Durham geschaffen hat, will den nicht zum Besten des Kaps geopfert sehen;
umgekehrt aber will das Kap mit seinen drei rivalisierenden Häfen, die schwere
Opfer gekostet haben, nicht dauernd etwas an Natal abgeben und dafür einen
nur größern Kampf im eignen Hause eintauschen. Tatsächlich hat Südafrika
zuviel an seinen vier großen Häfen und Bahnlinien (von Delagoa und der
Delagoalinie überhaupt abgesehen), und da der Einheitsstaat doch auch Ge¬
schehenes und Bestehendes nicht ignorieren kann noch über Revenüen verfügen
wird, die einen beständigen Aufwand an großen Unterhaltungskosten ohne Ver¬
zinsung gestatten, findet selbst er ein unendlich schwieriges Problem vor. Ein
nur föderativer Staat könnte es nie lösen.

Was die direkten Steuern angeht, so wird man sich leicht verständigen.
In dieser Richtung hat man bisher in Südafrika wenig getan und hat um
so mehr aus den indirekten Steuern herausgeschlagen, die Handel und Wandel
oft schwer geschädigt haben. Die Männer des Handels und Wandels aber
sind nie gehört worden. Die Farmer einerseits und die Mineninteressenten
andrerseits, in deren Händen das Regiment abwechselnd ruhte, haben immer
dafür gesorgt, daß ihre Sphären möglichst steuerfrei blieben. Erst jetzt hat
man am Kap unter dem Druck der Verhältnisse angefangen, die direkten
Steuerschrauben etwas anzuziehen. Daß man den Farmer wieder schonte, ist
nicht so unrecht, wie es scheint, denn für Südafrika bedeutet er das einzige
wirklich staatserhaltende Element, alles andre fast gehört im guten oder
weniger guten Sinne zum Glücksrittertum, das kommt und geht, am liebsten
geht und etwas mitnimmt, und sich im Herzensgrunde den Teufel um des
Landes Zukunft kümmert. Fast jeder, der mit den Minen zu tun hat, ist


Die Lmigung Südafrikas

Delagoabai konkurriert im Handel mit den Jnlandstaaten Transvaal und Frei¬
staat, sich aber seit der Gründung und dem Ausschießen der Minenstadt
Johannesburg im Jahre 1885 besonders bemüht, den Transitverkehr dieser
Stadt zu erhalten. Kapstadt, das wohl Europa am nächsten lag, räumlich
aber am weitesten vom Inlande getrennt war, schied bald für alles andre als
den Personenverkehr aus. Port Elizabeth hielt sich lange, mehr durch die
Tüchtigkeit seiner Kaufleute und die frühe hohe Blüte seines Handels als
durch seine geographische Lage. Durham und Delagoabai aber erwiesen sich
als örtlich dem „Rande" näher, und sie nahmen der Kapkolonie immer mehr
vom Durchgangsverkehr ab. Um ihn nicht ganz zu verlieren, warf diese sich
auf ihre kürzeste Eisenbahnlinie von der See in das Innere, auf die von
East London ausgehende. Sie drückte auf ihr die Raten per Tonne so sehr
hinunter, daß sie denen von Durham aus gleichkamen. East London wurde
der „Fechthafen" (KZIitinA xort), dadurch verblieb dem Kap wohl ein Teil des
Handels, der sonst an Durham gefallen wäre, aber Port Elizabeth wurde
neidisch auf East London. Heute liegen die Verhältnisse so, daß Transvaal,
das am billigsten über Delagoabai importieren kann, obgleich dieser Ort einem
Fremdstaat angehört, nicht Natal und dem Kap zuliebe höhere Frachten zahlen
will; Natal, dem die Energie des ganzen Volkes den ausgezeichneten Hafen
Durham geschaffen hat, will den nicht zum Besten des Kaps geopfert sehen;
umgekehrt aber will das Kap mit seinen drei rivalisierenden Häfen, die schwere
Opfer gekostet haben, nicht dauernd etwas an Natal abgeben und dafür einen
nur größern Kampf im eignen Hause eintauschen. Tatsächlich hat Südafrika
zuviel an seinen vier großen Häfen und Bahnlinien (von Delagoa und der
Delagoalinie überhaupt abgesehen), und da der Einheitsstaat doch auch Ge¬
schehenes und Bestehendes nicht ignorieren kann noch über Revenüen verfügen
wird, die einen beständigen Aufwand an großen Unterhaltungskosten ohne Ver¬
zinsung gestatten, findet selbst er ein unendlich schwieriges Problem vor. Ein
nur föderativer Staat könnte es nie lösen.

Was die direkten Steuern angeht, so wird man sich leicht verständigen.
In dieser Richtung hat man bisher in Südafrika wenig getan und hat um
so mehr aus den indirekten Steuern herausgeschlagen, die Handel und Wandel
oft schwer geschädigt haben. Die Männer des Handels und Wandels aber
sind nie gehört worden. Die Farmer einerseits und die Mineninteressenten
andrerseits, in deren Händen das Regiment abwechselnd ruhte, haben immer
dafür gesorgt, daß ihre Sphären möglichst steuerfrei blieben. Erst jetzt hat
man am Kap unter dem Druck der Verhältnisse angefangen, die direkten
Steuerschrauben etwas anzuziehen. Daß man den Farmer wieder schonte, ist
nicht so unrecht, wie es scheint, denn für Südafrika bedeutet er das einzige
wirklich staatserhaltende Element, alles andre fast gehört im guten oder
weniger guten Sinne zum Glücksrittertum, das kommt und geht, am liebsten
geht und etwas mitnimmt, und sich im Herzensgrunde den Teufel um des
Landes Zukunft kümmert. Fast jeder, der mit den Minen zu tun hat, ist


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[0338] Die Lmigung Südafrikas Delagoabai konkurriert im Handel mit den Jnlandstaaten Transvaal und Frei¬ staat, sich aber seit der Gründung und dem Ausschießen der Minenstadt Johannesburg im Jahre 1885 besonders bemüht, den Transitverkehr dieser Stadt zu erhalten. Kapstadt, das wohl Europa am nächsten lag, räumlich aber am weitesten vom Inlande getrennt war, schied bald für alles andre als den Personenverkehr aus. Port Elizabeth hielt sich lange, mehr durch die Tüchtigkeit seiner Kaufleute und die frühe hohe Blüte seines Handels als durch seine geographische Lage. Durham und Delagoabai aber erwiesen sich als örtlich dem „Rande" näher, und sie nahmen der Kapkolonie immer mehr vom Durchgangsverkehr ab. Um ihn nicht ganz zu verlieren, warf diese sich auf ihre kürzeste Eisenbahnlinie von der See in das Innere, auf die von East London ausgehende. Sie drückte auf ihr die Raten per Tonne so sehr hinunter, daß sie denen von Durham aus gleichkamen. East London wurde der „Fechthafen" (KZIitinA xort), dadurch verblieb dem Kap wohl ein Teil des Handels, der sonst an Durham gefallen wäre, aber Port Elizabeth wurde neidisch auf East London. Heute liegen die Verhältnisse so, daß Transvaal, das am billigsten über Delagoabai importieren kann, obgleich dieser Ort einem Fremdstaat angehört, nicht Natal und dem Kap zuliebe höhere Frachten zahlen will; Natal, dem die Energie des ganzen Volkes den ausgezeichneten Hafen Durham geschaffen hat, will den nicht zum Besten des Kaps geopfert sehen; umgekehrt aber will das Kap mit seinen drei rivalisierenden Häfen, die schwere Opfer gekostet haben, nicht dauernd etwas an Natal abgeben und dafür einen nur größern Kampf im eignen Hause eintauschen. Tatsächlich hat Südafrika zuviel an seinen vier großen Häfen und Bahnlinien (von Delagoa und der Delagoalinie überhaupt abgesehen), und da der Einheitsstaat doch auch Ge¬ schehenes und Bestehendes nicht ignorieren kann noch über Revenüen verfügen wird, die einen beständigen Aufwand an großen Unterhaltungskosten ohne Ver¬ zinsung gestatten, findet selbst er ein unendlich schwieriges Problem vor. Ein nur föderativer Staat könnte es nie lösen. Was die direkten Steuern angeht, so wird man sich leicht verständigen. In dieser Richtung hat man bisher in Südafrika wenig getan und hat um so mehr aus den indirekten Steuern herausgeschlagen, die Handel und Wandel oft schwer geschädigt haben. Die Männer des Handels und Wandels aber sind nie gehört worden. Die Farmer einerseits und die Mineninteressenten andrerseits, in deren Händen das Regiment abwechselnd ruhte, haben immer dafür gesorgt, daß ihre Sphären möglichst steuerfrei blieben. Erst jetzt hat man am Kap unter dem Druck der Verhältnisse angefangen, die direkten Steuerschrauben etwas anzuziehen. Daß man den Farmer wieder schonte, ist nicht so unrecht, wie es scheint, denn für Südafrika bedeutet er das einzige wirklich staatserhaltende Element, alles andre fast gehört im guten oder weniger guten Sinne zum Glücksrittertum, das kommt und geht, am liebsten geht und etwas mitnimmt, und sich im Herzensgrunde den Teufel um des Landes Zukunft kümmert. Fast jeder, der mit den Minen zu tun hat, ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/338>, abgerufen am 23.07.2024.