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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Einigung Südafrikas

schaffen müssen, weniger gefährlich ist, wenn sich diese Vereine völlig ver¬
schmelzen, als wenn bei einer Sonderexistenz die Gelegenheit zu zentrifugalen
Bestrebungen immer wieder eifrig ergriffen wird. Die Interessengruppen, die
sich nach der Verschmelzung bilden, bringen kein steriles Erbe mit sich, ihre
Basis ist die nicht mehr diskutable Einheit, und Parteibildung ist nötig, wenn
das Staatsleben nicht verknöchern soll.

Das Verlangen aller Staaten nach der Hauptstadt ist schon erwähnt
worden. Geschichtlich hat ohne Zweifel das Kap das älteste Anrecht darauf,
wie die Kapstadt neben ein paar holländischen Landstädtchen überhaupt die
einzige weiße Siedlungsstütte in Südafrika ist, in der den Wandernden ein
bißchen Ehrfurcht vor dem Gewordnen ankommen kann. Durham, das schöne
nennen es viele, ist vornehmer, tropischer und im Sommer ungesunder; die
wenigsten werden seine Wahl unterstützen. Am zentralsten liegt Blomfontein,
farblos und reizlos mitten im dürren alten Freistaatveldt; es wäre recht ein
Platz für ein ganz verschlafnes, entwicklungsfeindliches Burenregiment. Aus
jedem frischen Gedanken, der über See von Europa käme, wo doch alle Ge¬
danken herkommen müssen, wäre Saft und Kraft weggetrocknet, ehe die ent¬
setzlich langsame Bahn ihn hinaufgekeucht hätte an die "Blumcnquelle". Aber
wenn sich drei Starke nicht einigen können, wählen sie oft den vierten
schwächsten zum König, und zu allen Zeiten war Blomfontein die neutralste
Stadt. Johannesburg und Pretoria? Johannesburg ist die lebendige Stadt,
in vieler Beziehung eine gar nicht afrikanische Stadt, aber von den Minen
und ihrem Einfluß soll die Zentralregierung so weit wie möglich weg.
Kimberley kommt überhaupt nicht in Frage. Gegen Kapstadt führt man an,
es sei einem feindlichen Angriff zu sehr ausgesetzt.

Ein südafrikanischer Zollverein hat schon bestanden und bestand noch bis
zum Ende vorigen Jahres. Man wird sich von neuem einigen können.
Wirklich zu schützen hat das Kap nur seine von geradezu kindischen Prinzipien¬
reitern verschriene Wein- und Branntweinindustrie und Transvaal seinen
Tabakbau. Ein gutes und kluges Schutzzollsystem könnte überall zur Gründung
von Fabriken führen; bis jetzt war der Grundsatz im Zollwesen fast nur der,
den Staaten Einkünfte zuzuführen. Das meiste Geschrei wird bei der Neu¬
ordnung der Dinge um den Wein und Branntwein des Kaps erhoben werden.
Die Produzenten sitzen mit Kellern voll von gutem Weine und durchaus
nicht schlechtem Weinschnaps da bei verschlossenem Absatzgebiet und müssen
verhungern, wenn das so fortgeht. Bis jetzt bestand für alle Alkoholpro¬
dukte noch eine Zwischenstaarssteuer, und um diese werden die urmächtigen
Temperenzler, die Natalrumbrenner und die Kapweinfärmer kämpfen. Er¬
schwert wird die Einigung durch die in allen Staaten verschiedne und viel¬
fach mit der Zollerhebung verquickte SpritsteNer. ' ^ '

In der Hafenfrage und der eng mit- ihr verbundnen Eisenbahnfrage
bringt die Kapkolonie schon im eignen Hause streitende Parteien mit. Von
je haben die Häfen Kapstadt, Port Elizabeth, East London, Durham und


Die Einigung Südafrikas

schaffen müssen, weniger gefährlich ist, wenn sich diese Vereine völlig ver¬
schmelzen, als wenn bei einer Sonderexistenz die Gelegenheit zu zentrifugalen
Bestrebungen immer wieder eifrig ergriffen wird. Die Interessengruppen, die
sich nach der Verschmelzung bilden, bringen kein steriles Erbe mit sich, ihre
Basis ist die nicht mehr diskutable Einheit, und Parteibildung ist nötig, wenn
das Staatsleben nicht verknöchern soll.

Das Verlangen aller Staaten nach der Hauptstadt ist schon erwähnt
worden. Geschichtlich hat ohne Zweifel das Kap das älteste Anrecht darauf,
wie die Kapstadt neben ein paar holländischen Landstädtchen überhaupt die
einzige weiße Siedlungsstütte in Südafrika ist, in der den Wandernden ein
bißchen Ehrfurcht vor dem Gewordnen ankommen kann. Durham, das schöne
nennen es viele, ist vornehmer, tropischer und im Sommer ungesunder; die
wenigsten werden seine Wahl unterstützen. Am zentralsten liegt Blomfontein,
farblos und reizlos mitten im dürren alten Freistaatveldt; es wäre recht ein
Platz für ein ganz verschlafnes, entwicklungsfeindliches Burenregiment. Aus
jedem frischen Gedanken, der über See von Europa käme, wo doch alle Ge¬
danken herkommen müssen, wäre Saft und Kraft weggetrocknet, ehe die ent¬
setzlich langsame Bahn ihn hinaufgekeucht hätte an die „Blumcnquelle". Aber
wenn sich drei Starke nicht einigen können, wählen sie oft den vierten
schwächsten zum König, und zu allen Zeiten war Blomfontein die neutralste
Stadt. Johannesburg und Pretoria? Johannesburg ist die lebendige Stadt,
in vieler Beziehung eine gar nicht afrikanische Stadt, aber von den Minen
und ihrem Einfluß soll die Zentralregierung so weit wie möglich weg.
Kimberley kommt überhaupt nicht in Frage. Gegen Kapstadt führt man an,
es sei einem feindlichen Angriff zu sehr ausgesetzt.

Ein südafrikanischer Zollverein hat schon bestanden und bestand noch bis
zum Ende vorigen Jahres. Man wird sich von neuem einigen können.
Wirklich zu schützen hat das Kap nur seine von geradezu kindischen Prinzipien¬
reitern verschriene Wein- und Branntweinindustrie und Transvaal seinen
Tabakbau. Ein gutes und kluges Schutzzollsystem könnte überall zur Gründung
von Fabriken führen; bis jetzt war der Grundsatz im Zollwesen fast nur der,
den Staaten Einkünfte zuzuführen. Das meiste Geschrei wird bei der Neu¬
ordnung der Dinge um den Wein und Branntwein des Kaps erhoben werden.
Die Produzenten sitzen mit Kellern voll von gutem Weine und durchaus
nicht schlechtem Weinschnaps da bei verschlossenem Absatzgebiet und müssen
verhungern, wenn das so fortgeht. Bis jetzt bestand für alle Alkoholpro¬
dukte noch eine Zwischenstaarssteuer, und um diese werden die urmächtigen
Temperenzler, die Natalrumbrenner und die Kapweinfärmer kämpfen. Er¬
schwert wird die Einigung durch die in allen Staaten verschiedne und viel¬
fach mit der Zollerhebung verquickte SpritsteNer. ' ^ '

In der Hafenfrage und der eng mit- ihr verbundnen Eisenbahnfrage
bringt die Kapkolonie schon im eignen Hause streitende Parteien mit. Von
je haben die Häfen Kapstadt, Port Elizabeth, East London, Durham und


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[0337] Die Einigung Südafrikas schaffen müssen, weniger gefährlich ist, wenn sich diese Vereine völlig ver¬ schmelzen, als wenn bei einer Sonderexistenz die Gelegenheit zu zentrifugalen Bestrebungen immer wieder eifrig ergriffen wird. Die Interessengruppen, die sich nach der Verschmelzung bilden, bringen kein steriles Erbe mit sich, ihre Basis ist die nicht mehr diskutable Einheit, und Parteibildung ist nötig, wenn das Staatsleben nicht verknöchern soll. Das Verlangen aller Staaten nach der Hauptstadt ist schon erwähnt worden. Geschichtlich hat ohne Zweifel das Kap das älteste Anrecht darauf, wie die Kapstadt neben ein paar holländischen Landstädtchen überhaupt die einzige weiße Siedlungsstütte in Südafrika ist, in der den Wandernden ein bißchen Ehrfurcht vor dem Gewordnen ankommen kann. Durham, das schöne nennen es viele, ist vornehmer, tropischer und im Sommer ungesunder; die wenigsten werden seine Wahl unterstützen. Am zentralsten liegt Blomfontein, farblos und reizlos mitten im dürren alten Freistaatveldt; es wäre recht ein Platz für ein ganz verschlafnes, entwicklungsfeindliches Burenregiment. Aus jedem frischen Gedanken, der über See von Europa käme, wo doch alle Ge¬ danken herkommen müssen, wäre Saft und Kraft weggetrocknet, ehe die ent¬ setzlich langsame Bahn ihn hinaufgekeucht hätte an die „Blumcnquelle". Aber wenn sich drei Starke nicht einigen können, wählen sie oft den vierten schwächsten zum König, und zu allen Zeiten war Blomfontein die neutralste Stadt. Johannesburg und Pretoria? Johannesburg ist die lebendige Stadt, in vieler Beziehung eine gar nicht afrikanische Stadt, aber von den Minen und ihrem Einfluß soll die Zentralregierung so weit wie möglich weg. Kimberley kommt überhaupt nicht in Frage. Gegen Kapstadt führt man an, es sei einem feindlichen Angriff zu sehr ausgesetzt. Ein südafrikanischer Zollverein hat schon bestanden und bestand noch bis zum Ende vorigen Jahres. Man wird sich von neuem einigen können. Wirklich zu schützen hat das Kap nur seine von geradezu kindischen Prinzipien¬ reitern verschriene Wein- und Branntweinindustrie und Transvaal seinen Tabakbau. Ein gutes und kluges Schutzzollsystem könnte überall zur Gründung von Fabriken führen; bis jetzt war der Grundsatz im Zollwesen fast nur der, den Staaten Einkünfte zuzuführen. Das meiste Geschrei wird bei der Neu¬ ordnung der Dinge um den Wein und Branntwein des Kaps erhoben werden. Die Produzenten sitzen mit Kellern voll von gutem Weine und durchaus nicht schlechtem Weinschnaps da bei verschlossenem Absatzgebiet und müssen verhungern, wenn das so fortgeht. Bis jetzt bestand für alle Alkoholpro¬ dukte noch eine Zwischenstaarssteuer, und um diese werden die urmächtigen Temperenzler, die Natalrumbrenner und die Kapweinfärmer kämpfen. Er¬ schwert wird die Einigung durch die in allen Staaten verschiedne und viel¬ fach mit der Zollerhebung verquickte SpritsteNer. ' ^ ' In der Hafenfrage und der eng mit- ihr verbundnen Eisenbahnfrage bringt die Kapkolonie schon im eignen Hause streitende Parteien mit. Von je haben die Häfen Kapstadt, Port Elizabeth, East London, Durham und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/337>, abgerufen am 03.07.2024.