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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Einigung Südafrikas

Staaten recht wenig beliebt. Das unglückliche Jamesonministerium mit seinem
wohlmeinenden Chef und seinem in dessen beständiger Abwesenheit meist
schwatzenden Vizechef, dem Clown und Maulhelden Suard, hat keine Dumm¬
heit und Unfähigkeit unversucht gelassen, das Kap mißachtet zu machen. Bei
eiuer Föderation würde das Kap durch die Masse der Bevölkerung, denn die
Hälfte der Bewohner von ganz Südafrika sind dort ansässig, notwendig einen
sehr großen Einfluß auf die Leitung und das Geschick des Gesamtstaats er¬
langen. In dem Augenblick aber vollzöge sich bei den andern Staaten und
ihren Bürgern ganz menschlich der Umschwung von der Geringachtung zum
Haß, und der Treppenwitz der Weltgeschichte hätte sich erfüllt, daß der lang¬
ersehnte Bundesstaat der George Grey, Rhodes und Krüger nur eine recht
sichtbare Bühne geliefert hätte für ein ganz besondres Pandämonium der
Zwietracht. Bei der Unifikation lägen die Verhältnisse anders; um das zu
verstehn, muß man von den noch bestehenden Zustünden Enropas und Deutsch¬
lands im besondern absehen, wo fast alle Stunden weit eines andern Gaues
Grenze läuft mit besondern Menschen, die wieder besonders denken und reden.
Südafrika ist noch zu nahe der Völkerwandrung, aber fast schon zu weit
in die Neuzeit hineingerückt, als daß es Resultate lokaler Seßhaftigkeit an
seinen weißen Bewohnern überhaupt zeigen könnte. Gewiß gibt es süd¬
afrikanische Typen, wenn man genau zusieht eigentlich drei, oder wenn man
weiter greift, fünf. Da sind die Afrikander (Buren, die Kolonisten holländischer,
hugenottischer, deutscher Abkunft), die englischen Afrikaner (die Kolonisten
englischer Abkunft), die Briten, die sich vorübergehend im Lande aufhalten
und durchaus von den englischen Afrikanern getrennt zu halten sind und sich
nicht eins mit ihnen fühlen, die Ausländer (deutsche Mineninteressenten semi¬
tischen Ursprungs usw.), schließlich die deutscheu Afrikander (Farmer und Klein¬
handwerker, die den verschiednen rein deutschen Siedlungen entwuchsen).

Aber diese Typen sind nicht örtlich begrenzt. Vom Tafelberg bis an den
Limpopo, ja bis an den Sambesi und von Maseking bis nach Durham sitzen sie,
und wenn einer Tage und Wochen unterwegs ist, trifft er immer wieder auf
die gleichen Menschen, nur daß etwa die Verhältniszahlen in den verschiednen
Städten und Orten verschieden sind. Wenn Kapland als Staat etwas historisch
gewordnes ist mit historisch gewordnen Grenzen, und dasselbe natürlich
-- g. äistineticm vier g, clillörsuvö -- gelten muß von Transvaal, Orängia und
Natal, so haben doch die trennenden Linien für das Volksgefühl kaum eine
andre Bedeutung als etwa die Formen und Normen, die durch eine Vereins¬
zugehörigkeit gegeben werden. Hüben "ut drüben sitzen Afrikander, hüben
und drüben englische Afrikaner, und Blut ist dicker als Wasser, und Afrikander
hüben und drüben stehn sich untereinander nun einmal näher als Afrikander
und Afrikaner im gleichen Koloniestaat.

Bleibt man bei dem Vereinsvergleiche, der der verständlichste ist, so sehr
er hinkt, so wird man auch zugeben, daß es bei vier rivalisierenden Vereinen,
die zur Erreichung eines gemeinsamen großen Ziels eine Zentmlorganisation


Die Einigung Südafrikas

Staaten recht wenig beliebt. Das unglückliche Jamesonministerium mit seinem
wohlmeinenden Chef und seinem in dessen beständiger Abwesenheit meist
schwatzenden Vizechef, dem Clown und Maulhelden Suard, hat keine Dumm¬
heit und Unfähigkeit unversucht gelassen, das Kap mißachtet zu machen. Bei
eiuer Föderation würde das Kap durch die Masse der Bevölkerung, denn die
Hälfte der Bewohner von ganz Südafrika sind dort ansässig, notwendig einen
sehr großen Einfluß auf die Leitung und das Geschick des Gesamtstaats er¬
langen. In dem Augenblick aber vollzöge sich bei den andern Staaten und
ihren Bürgern ganz menschlich der Umschwung von der Geringachtung zum
Haß, und der Treppenwitz der Weltgeschichte hätte sich erfüllt, daß der lang¬
ersehnte Bundesstaat der George Grey, Rhodes und Krüger nur eine recht
sichtbare Bühne geliefert hätte für ein ganz besondres Pandämonium der
Zwietracht. Bei der Unifikation lägen die Verhältnisse anders; um das zu
verstehn, muß man von den noch bestehenden Zustünden Enropas und Deutsch¬
lands im besondern absehen, wo fast alle Stunden weit eines andern Gaues
Grenze läuft mit besondern Menschen, die wieder besonders denken und reden.
Südafrika ist noch zu nahe der Völkerwandrung, aber fast schon zu weit
in die Neuzeit hineingerückt, als daß es Resultate lokaler Seßhaftigkeit an
seinen weißen Bewohnern überhaupt zeigen könnte. Gewiß gibt es süd¬
afrikanische Typen, wenn man genau zusieht eigentlich drei, oder wenn man
weiter greift, fünf. Da sind die Afrikander (Buren, die Kolonisten holländischer,
hugenottischer, deutscher Abkunft), die englischen Afrikaner (die Kolonisten
englischer Abkunft), die Briten, die sich vorübergehend im Lande aufhalten
und durchaus von den englischen Afrikanern getrennt zu halten sind und sich
nicht eins mit ihnen fühlen, die Ausländer (deutsche Mineninteressenten semi¬
tischen Ursprungs usw.), schließlich die deutscheu Afrikander (Farmer und Klein¬
handwerker, die den verschiednen rein deutschen Siedlungen entwuchsen).

Aber diese Typen sind nicht örtlich begrenzt. Vom Tafelberg bis an den
Limpopo, ja bis an den Sambesi und von Maseking bis nach Durham sitzen sie,
und wenn einer Tage und Wochen unterwegs ist, trifft er immer wieder auf
die gleichen Menschen, nur daß etwa die Verhältniszahlen in den verschiednen
Städten und Orten verschieden sind. Wenn Kapland als Staat etwas historisch
gewordnes ist mit historisch gewordnen Grenzen, und dasselbe natürlich
— g. äistineticm vier g, clillörsuvö — gelten muß von Transvaal, Orängia und
Natal, so haben doch die trennenden Linien für das Volksgefühl kaum eine
andre Bedeutung als etwa die Formen und Normen, die durch eine Vereins¬
zugehörigkeit gegeben werden. Hüben »ut drüben sitzen Afrikander, hüben
und drüben englische Afrikaner, und Blut ist dicker als Wasser, und Afrikander
hüben und drüben stehn sich untereinander nun einmal näher als Afrikander
und Afrikaner im gleichen Koloniestaat.

Bleibt man bei dem Vereinsvergleiche, der der verständlichste ist, so sehr
er hinkt, so wird man auch zugeben, daß es bei vier rivalisierenden Vereinen,
die zur Erreichung eines gemeinsamen großen Ziels eine Zentmlorganisation


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[0336] Die Einigung Südafrikas Staaten recht wenig beliebt. Das unglückliche Jamesonministerium mit seinem wohlmeinenden Chef und seinem in dessen beständiger Abwesenheit meist schwatzenden Vizechef, dem Clown und Maulhelden Suard, hat keine Dumm¬ heit und Unfähigkeit unversucht gelassen, das Kap mißachtet zu machen. Bei eiuer Föderation würde das Kap durch die Masse der Bevölkerung, denn die Hälfte der Bewohner von ganz Südafrika sind dort ansässig, notwendig einen sehr großen Einfluß auf die Leitung und das Geschick des Gesamtstaats er¬ langen. In dem Augenblick aber vollzöge sich bei den andern Staaten und ihren Bürgern ganz menschlich der Umschwung von der Geringachtung zum Haß, und der Treppenwitz der Weltgeschichte hätte sich erfüllt, daß der lang¬ ersehnte Bundesstaat der George Grey, Rhodes und Krüger nur eine recht sichtbare Bühne geliefert hätte für ein ganz besondres Pandämonium der Zwietracht. Bei der Unifikation lägen die Verhältnisse anders; um das zu verstehn, muß man von den noch bestehenden Zustünden Enropas und Deutsch¬ lands im besondern absehen, wo fast alle Stunden weit eines andern Gaues Grenze läuft mit besondern Menschen, die wieder besonders denken und reden. Südafrika ist noch zu nahe der Völkerwandrung, aber fast schon zu weit in die Neuzeit hineingerückt, als daß es Resultate lokaler Seßhaftigkeit an seinen weißen Bewohnern überhaupt zeigen könnte. Gewiß gibt es süd¬ afrikanische Typen, wenn man genau zusieht eigentlich drei, oder wenn man weiter greift, fünf. Da sind die Afrikander (Buren, die Kolonisten holländischer, hugenottischer, deutscher Abkunft), die englischen Afrikaner (die Kolonisten englischer Abkunft), die Briten, die sich vorübergehend im Lande aufhalten und durchaus von den englischen Afrikanern getrennt zu halten sind und sich nicht eins mit ihnen fühlen, die Ausländer (deutsche Mineninteressenten semi¬ tischen Ursprungs usw.), schließlich die deutscheu Afrikander (Farmer und Klein¬ handwerker, die den verschiednen rein deutschen Siedlungen entwuchsen). Aber diese Typen sind nicht örtlich begrenzt. Vom Tafelberg bis an den Limpopo, ja bis an den Sambesi und von Maseking bis nach Durham sitzen sie, und wenn einer Tage und Wochen unterwegs ist, trifft er immer wieder auf die gleichen Menschen, nur daß etwa die Verhältniszahlen in den verschiednen Städten und Orten verschieden sind. Wenn Kapland als Staat etwas historisch gewordnes ist mit historisch gewordnen Grenzen, und dasselbe natürlich — g. äistineticm vier g, clillörsuvö — gelten muß von Transvaal, Orängia und Natal, so haben doch die trennenden Linien für das Volksgefühl kaum eine andre Bedeutung als etwa die Formen und Normen, die durch eine Vereins¬ zugehörigkeit gegeben werden. Hüben »ut drüben sitzen Afrikander, hüben und drüben englische Afrikaner, und Blut ist dicker als Wasser, und Afrikander hüben und drüben stehn sich untereinander nun einmal näher als Afrikander und Afrikaner im gleichen Koloniestaat. Bleibt man bei dem Vereinsvergleiche, der der verständlichste ist, so sehr er hinkt, so wird man auch zugeben, daß es bei vier rivalisierenden Vereinen, die zur Erreichung eines gemeinsamen großen Ziels eine Zentmlorganisation

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/336>, abgerufen am 23.07.2024.