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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Einigung Südafrikas

Die Freunde der Unifikation erklären, nicht nur weil sie amerikanische,
schweizerische und deutsche Geschichte gelesen haben: "Das Element, das eine
Föderation zusammenhält, ist die Gefahr von außen." Sie führen aus, daß
dem südafrikanischen Bundesstaat eine solche Gefahr nicht droht und drohen
wird; dabei wird mit dem Schlagwort der ?ax LritMiiiog. gespielt, was nicht
nötig ist. Die Schlußfolgerung lassen sie ihre Hörer ziehen, und doch wäre
es ihnen eigentlich nötig, sich viel negativer auszudrücken, wenn man nicht,
wo englische Art und Weise zu Hause ist oder dem öffentlichen Leben die
Richtungslinien gegeben hat, an die Zuckerhülleu gewohnt wäre. Der richtige
Einwurf lautete etwa: So gewaltig türmen sich die Schwierigkeiten auf, weil
die Interessen der Einzelstaaten fast feindlich sind, daß ein Bund, aus dem
heraus nicht alle Augen auf einen jeden Einzelstaat zugleich angreifenden äußern
Feind gerichtet wären, notwendig sich und alle Teile in der gewaltigen Glut¬
hitze innerer Reibungen verzehren müßte.

Die Schwierigkeiten sind mannigfacher Natur. Sie beginnen für den
unbeteiligten Beobachter fast mit Lappalien. Gestritten wird, welche Landes¬
hauptstadt Reichshauptstadt werden soll. Wie diese Frage, die in einem gänzlich
verarmten Lande, wo das Interesse des einzelnen nur auf den persönlichen
Gelderwerb gerichtet ist und sich in ihm erschöpft, und wo soziale Instinkte den
Individuen fast fehlen, immerhin durchaus aufregender wirkt, als das sonst
möglich wäre, sind auch die meisten andern Streitfragen solche, die Pound,
Shilling und Pence der Städte und Interessengruppen sehr stark berühren. Eines
jeden Herz hängt am Gelde, der Brite aber, Kanfmannsnatur durch und durch,
die, sobald es aus freien Stücken geschieht, splendider sein kann als irgendeine
andre, haßt keinen Appell mehr, und keiner findet in seinem Herzen unange¬
nehmem Widerhall als der an seine Börse. Die Afrikander sind die letzten,
die ein Titelchen ihres Besitzes aufgeben würden, und Opferwilligkeit ist ihnen
zu allen Zeiten fremd, ihnen fehlt der kaufmännische Blick voraus für die wirt¬
schaftlichen Schwierigkeiten und Folgen, die sie freilich als Ackerbauer, Be¬
amten und Pastoren unmittelbar gar nicht zu tragen hätten. Ihre Sorge
gilt deshalb zumeist den Hemmnissen der Einigung, die ganz allgemein als
die bedeutendsten angesehen werden müssen, die nicht durch Opferwilligkeit be¬
seitigt werden können, nicht die Sache einzelner Klassen, sondern die eines
jeden und aller sind, nämlich der Eingebornenfrage, der Stimmrecht- und
(mehr versteckt) der Rassenfrage.

Es ist kein Zufall oder persönliche Liebhaberei, daß gerade der Premier¬
minister der Kapkolonie ein eifriger Verfechter der Unifikation ist und der
Föderation ablehnend gegenübersteht. Der Mann, der über ein Menschen¬
alter im öffentlichen Leben steht, weiß, daß das Kapland als ältester und
-- in unserm Sinne -- historisch gewordner Staat in Südafrika die größte
Masse von Schwierigkeiten oder gefährlichen Reibflächen in eine Föderation
hineinbringen müßte, weil er die schärfsten und am schwersten zu verwischenden
Eigenzüge hat. Schon heute siud diese Eigenzüge bei den drei andern


Die Einigung Südafrikas

Die Freunde der Unifikation erklären, nicht nur weil sie amerikanische,
schweizerische und deutsche Geschichte gelesen haben: „Das Element, das eine
Föderation zusammenhält, ist die Gefahr von außen." Sie führen aus, daß
dem südafrikanischen Bundesstaat eine solche Gefahr nicht droht und drohen
wird; dabei wird mit dem Schlagwort der ?ax LritMiiiog. gespielt, was nicht
nötig ist. Die Schlußfolgerung lassen sie ihre Hörer ziehen, und doch wäre
es ihnen eigentlich nötig, sich viel negativer auszudrücken, wenn man nicht,
wo englische Art und Weise zu Hause ist oder dem öffentlichen Leben die
Richtungslinien gegeben hat, an die Zuckerhülleu gewohnt wäre. Der richtige
Einwurf lautete etwa: So gewaltig türmen sich die Schwierigkeiten auf, weil
die Interessen der Einzelstaaten fast feindlich sind, daß ein Bund, aus dem
heraus nicht alle Augen auf einen jeden Einzelstaat zugleich angreifenden äußern
Feind gerichtet wären, notwendig sich und alle Teile in der gewaltigen Glut¬
hitze innerer Reibungen verzehren müßte.

Die Schwierigkeiten sind mannigfacher Natur. Sie beginnen für den
unbeteiligten Beobachter fast mit Lappalien. Gestritten wird, welche Landes¬
hauptstadt Reichshauptstadt werden soll. Wie diese Frage, die in einem gänzlich
verarmten Lande, wo das Interesse des einzelnen nur auf den persönlichen
Gelderwerb gerichtet ist und sich in ihm erschöpft, und wo soziale Instinkte den
Individuen fast fehlen, immerhin durchaus aufregender wirkt, als das sonst
möglich wäre, sind auch die meisten andern Streitfragen solche, die Pound,
Shilling und Pence der Städte und Interessengruppen sehr stark berühren. Eines
jeden Herz hängt am Gelde, der Brite aber, Kanfmannsnatur durch und durch,
die, sobald es aus freien Stücken geschieht, splendider sein kann als irgendeine
andre, haßt keinen Appell mehr, und keiner findet in seinem Herzen unange¬
nehmem Widerhall als der an seine Börse. Die Afrikander sind die letzten,
die ein Titelchen ihres Besitzes aufgeben würden, und Opferwilligkeit ist ihnen
zu allen Zeiten fremd, ihnen fehlt der kaufmännische Blick voraus für die wirt¬
schaftlichen Schwierigkeiten und Folgen, die sie freilich als Ackerbauer, Be¬
amten und Pastoren unmittelbar gar nicht zu tragen hätten. Ihre Sorge
gilt deshalb zumeist den Hemmnissen der Einigung, die ganz allgemein als
die bedeutendsten angesehen werden müssen, die nicht durch Opferwilligkeit be¬
seitigt werden können, nicht die Sache einzelner Klassen, sondern die eines
jeden und aller sind, nämlich der Eingebornenfrage, der Stimmrecht- und
(mehr versteckt) der Rassenfrage.

Es ist kein Zufall oder persönliche Liebhaberei, daß gerade der Premier¬
minister der Kapkolonie ein eifriger Verfechter der Unifikation ist und der
Föderation ablehnend gegenübersteht. Der Mann, der über ein Menschen¬
alter im öffentlichen Leben steht, weiß, daß das Kapland als ältester und
— in unserm Sinne — historisch gewordner Staat in Südafrika die größte
Masse von Schwierigkeiten oder gefährlichen Reibflächen in eine Föderation
hineinbringen müßte, weil er die schärfsten und am schwersten zu verwischenden
Eigenzüge hat. Schon heute siud diese Eigenzüge bei den drei andern


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[0335] Die Einigung Südafrikas Die Freunde der Unifikation erklären, nicht nur weil sie amerikanische, schweizerische und deutsche Geschichte gelesen haben: „Das Element, das eine Föderation zusammenhält, ist die Gefahr von außen." Sie führen aus, daß dem südafrikanischen Bundesstaat eine solche Gefahr nicht droht und drohen wird; dabei wird mit dem Schlagwort der ?ax LritMiiiog. gespielt, was nicht nötig ist. Die Schlußfolgerung lassen sie ihre Hörer ziehen, und doch wäre es ihnen eigentlich nötig, sich viel negativer auszudrücken, wenn man nicht, wo englische Art und Weise zu Hause ist oder dem öffentlichen Leben die Richtungslinien gegeben hat, an die Zuckerhülleu gewohnt wäre. Der richtige Einwurf lautete etwa: So gewaltig türmen sich die Schwierigkeiten auf, weil die Interessen der Einzelstaaten fast feindlich sind, daß ein Bund, aus dem heraus nicht alle Augen auf einen jeden Einzelstaat zugleich angreifenden äußern Feind gerichtet wären, notwendig sich und alle Teile in der gewaltigen Glut¬ hitze innerer Reibungen verzehren müßte. Die Schwierigkeiten sind mannigfacher Natur. Sie beginnen für den unbeteiligten Beobachter fast mit Lappalien. Gestritten wird, welche Landes¬ hauptstadt Reichshauptstadt werden soll. Wie diese Frage, die in einem gänzlich verarmten Lande, wo das Interesse des einzelnen nur auf den persönlichen Gelderwerb gerichtet ist und sich in ihm erschöpft, und wo soziale Instinkte den Individuen fast fehlen, immerhin durchaus aufregender wirkt, als das sonst möglich wäre, sind auch die meisten andern Streitfragen solche, die Pound, Shilling und Pence der Städte und Interessengruppen sehr stark berühren. Eines jeden Herz hängt am Gelde, der Brite aber, Kanfmannsnatur durch und durch, die, sobald es aus freien Stücken geschieht, splendider sein kann als irgendeine andre, haßt keinen Appell mehr, und keiner findet in seinem Herzen unange¬ nehmem Widerhall als der an seine Börse. Die Afrikander sind die letzten, die ein Titelchen ihres Besitzes aufgeben würden, und Opferwilligkeit ist ihnen zu allen Zeiten fremd, ihnen fehlt der kaufmännische Blick voraus für die wirt¬ schaftlichen Schwierigkeiten und Folgen, die sie freilich als Ackerbauer, Be¬ amten und Pastoren unmittelbar gar nicht zu tragen hätten. Ihre Sorge gilt deshalb zumeist den Hemmnissen der Einigung, die ganz allgemein als die bedeutendsten angesehen werden müssen, die nicht durch Opferwilligkeit be¬ seitigt werden können, nicht die Sache einzelner Klassen, sondern die eines jeden und aller sind, nämlich der Eingebornenfrage, der Stimmrecht- und (mehr versteckt) der Rassenfrage. Es ist kein Zufall oder persönliche Liebhaberei, daß gerade der Premier¬ minister der Kapkolonie ein eifriger Verfechter der Unifikation ist und der Föderation ablehnend gegenübersteht. Der Mann, der über ein Menschen¬ alter im öffentlichen Leben steht, weiß, daß das Kapland als ältester und — in unserm Sinne — historisch gewordner Staat in Südafrika die größte Masse von Schwierigkeiten oder gefährlichen Reibflächen in eine Föderation hineinbringen müßte, weil er die schärfsten und am schwersten zu verwischenden Eigenzüge hat. Schon heute siud diese Eigenzüge bei den drei andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/335>, abgerufen am 03.07.2024.