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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Einigung Südafrikas

mangelnden Verbindungen in dem 500000 Quadratmeilen großen Territorium,
das nur mit fünf Millionen Menschen, Schwarze eingeschlossen, besetzt ist, das
Bundesparlament der bestmöglichen Verwaltung wegen, ja um überhaupt die
Verwaltung zu ermöglichen, neue praktische Provinzialgrenzen schaffen kann. In
diesen Kunstprodukten von Provinzen mag dann sehr wohl ein Institut wie
etwa die Provinziallandtage eingerichtet werden. Bei den durchaus heterogenen
Verhältnissen des Subkontinents ist eine solche Neubildung fast eine eonäitio hos
yng. non. Eine rein zentrale Regierung wäre in diesem Lande des pedantischen
Freiheitseifers ohnehin in den ersten Jahren so viel Angriffen gekränkter
Landesteile ausgesetzt, daß sie sich, um überhaupt dauern zu können, wenigstens
die gefährlichsten und bissigsten aller menschlichen Leidenschaften, Parochial-
ärger und Parochialhaß, vom Halse halten muß.

Für Unifikation plädieren der Premierminister der Kapkolonie und hinter
ihm und mit ihm die größte Masse der Afrikander (oder Buren, um ver¬
ständlich zu sein) in der Kapkolonie; in Orangia und Transvaal hat die
Unifikation unter den Afrikandern schon weniger Anhänger, wenn auch immerhin
ihre Anzahl nicht klein ist.

Die Vorfechter für Föderation sind namentlich die angelsächsischen Afrikaner,
unter ihnen das ganze Land Natal, das überhaupt dem Einigungsgedanken
aus leicht begreiflichen Gründen eine nur sehr temperierte Liebe entgegen¬
bringt. Den englischen Afrikanern (den "Colonials") schließen sich die Stock¬
briten an, soweit sie Neigung oder Beruf in Südafrika festhält, und sie sich
überhaupt darüber beruhigen können, daß die Buren wieder soviel mitzureden
haben, wobei sie vergessen, daß eben dies die Friedensbedingung war, die den
Krieg vor sechs Jahren beendigte.

Die partikularistischen Afrikander halten ebenso fest an der Föderation,
und das scheinen auch die 18000 deutschen Kapuntertanen zu tun. Die
internationalen Mineninteressenten dagegen neigen in der Majorität zur Uni¬
fikation. Erwähnt muß werden, daß viele Anhänger der Föderation nicht
Gegner der Unifikation sind, im Gegenteil sagen: "Unser endliches Ziel ist
die Unifikation, aber wir wollen schrittweise voran. Entscheiden wir uns zur
Unifikation, dann kann diese plötzliche Vorwärtsentwicklung, die allzuviel des
Künstlicher und Gewollten in sich trägt, plötzlich einen solch gefährlichen Ab¬
grund vor uns auftun, daß der ganze hübsche Einheitsgedanke, dem ohnehin
von allzuviel theoretisch präparierter Nahrung die Beine nicht zu stark sind,
an uns vorbei ins Loch fällt. Mit der Föderation wachsen wir hinein in die
Unifikation."

Wenn man gern zugibt, daß bei einem Mißerfolge der Unifikation das
nachträgliche Aufnehmen des föderativem Gedankens ausgeschlossen erscheint,
muß man doch lächeln über die Opportunisten, die das übermäßige Beharrungs¬
vermögen von Engländern und Holländern so unterschätzen, daß sie meinen, nach
etwa zwei oder drei lustigen Erfolgjahren könne man ohne weiteres die föderative
Halbraststation verlassen, um den Marsch zur völligen Einheit anzutreten.


Die Einigung Südafrikas

mangelnden Verbindungen in dem 500000 Quadratmeilen großen Territorium,
das nur mit fünf Millionen Menschen, Schwarze eingeschlossen, besetzt ist, das
Bundesparlament der bestmöglichen Verwaltung wegen, ja um überhaupt die
Verwaltung zu ermöglichen, neue praktische Provinzialgrenzen schaffen kann. In
diesen Kunstprodukten von Provinzen mag dann sehr wohl ein Institut wie
etwa die Provinziallandtage eingerichtet werden. Bei den durchaus heterogenen
Verhältnissen des Subkontinents ist eine solche Neubildung fast eine eonäitio hos
yng. non. Eine rein zentrale Regierung wäre in diesem Lande des pedantischen
Freiheitseifers ohnehin in den ersten Jahren so viel Angriffen gekränkter
Landesteile ausgesetzt, daß sie sich, um überhaupt dauern zu können, wenigstens
die gefährlichsten und bissigsten aller menschlichen Leidenschaften, Parochial-
ärger und Parochialhaß, vom Halse halten muß.

Für Unifikation plädieren der Premierminister der Kapkolonie und hinter
ihm und mit ihm die größte Masse der Afrikander (oder Buren, um ver¬
ständlich zu sein) in der Kapkolonie; in Orangia und Transvaal hat die
Unifikation unter den Afrikandern schon weniger Anhänger, wenn auch immerhin
ihre Anzahl nicht klein ist.

Die Vorfechter für Föderation sind namentlich die angelsächsischen Afrikaner,
unter ihnen das ganze Land Natal, das überhaupt dem Einigungsgedanken
aus leicht begreiflichen Gründen eine nur sehr temperierte Liebe entgegen¬
bringt. Den englischen Afrikanern (den „Colonials") schließen sich die Stock¬
briten an, soweit sie Neigung oder Beruf in Südafrika festhält, und sie sich
überhaupt darüber beruhigen können, daß die Buren wieder soviel mitzureden
haben, wobei sie vergessen, daß eben dies die Friedensbedingung war, die den
Krieg vor sechs Jahren beendigte.

Die partikularistischen Afrikander halten ebenso fest an der Föderation,
und das scheinen auch die 18000 deutschen Kapuntertanen zu tun. Die
internationalen Mineninteressenten dagegen neigen in der Majorität zur Uni¬
fikation. Erwähnt muß werden, daß viele Anhänger der Föderation nicht
Gegner der Unifikation sind, im Gegenteil sagen: „Unser endliches Ziel ist
die Unifikation, aber wir wollen schrittweise voran. Entscheiden wir uns zur
Unifikation, dann kann diese plötzliche Vorwärtsentwicklung, die allzuviel des
Künstlicher und Gewollten in sich trägt, plötzlich einen solch gefährlichen Ab¬
grund vor uns auftun, daß der ganze hübsche Einheitsgedanke, dem ohnehin
von allzuviel theoretisch präparierter Nahrung die Beine nicht zu stark sind,
an uns vorbei ins Loch fällt. Mit der Föderation wachsen wir hinein in die
Unifikation."

Wenn man gern zugibt, daß bei einem Mißerfolge der Unifikation das
nachträgliche Aufnehmen des föderativem Gedankens ausgeschlossen erscheint,
muß man doch lächeln über die Opportunisten, die das übermäßige Beharrungs¬
vermögen von Engländern und Holländern so unterschätzen, daß sie meinen, nach
etwa zwei oder drei lustigen Erfolgjahren könne man ohne weiteres die föderative
Halbraststation verlassen, um den Marsch zur völligen Einheit anzutreten.


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[0334] Die Einigung Südafrikas mangelnden Verbindungen in dem 500000 Quadratmeilen großen Territorium, das nur mit fünf Millionen Menschen, Schwarze eingeschlossen, besetzt ist, das Bundesparlament der bestmöglichen Verwaltung wegen, ja um überhaupt die Verwaltung zu ermöglichen, neue praktische Provinzialgrenzen schaffen kann. In diesen Kunstprodukten von Provinzen mag dann sehr wohl ein Institut wie etwa die Provinziallandtage eingerichtet werden. Bei den durchaus heterogenen Verhältnissen des Subkontinents ist eine solche Neubildung fast eine eonäitio hos yng. non. Eine rein zentrale Regierung wäre in diesem Lande des pedantischen Freiheitseifers ohnehin in den ersten Jahren so viel Angriffen gekränkter Landesteile ausgesetzt, daß sie sich, um überhaupt dauern zu können, wenigstens die gefährlichsten und bissigsten aller menschlichen Leidenschaften, Parochial- ärger und Parochialhaß, vom Halse halten muß. Für Unifikation plädieren der Premierminister der Kapkolonie und hinter ihm und mit ihm die größte Masse der Afrikander (oder Buren, um ver¬ ständlich zu sein) in der Kapkolonie; in Orangia und Transvaal hat die Unifikation unter den Afrikandern schon weniger Anhänger, wenn auch immerhin ihre Anzahl nicht klein ist. Die Vorfechter für Föderation sind namentlich die angelsächsischen Afrikaner, unter ihnen das ganze Land Natal, das überhaupt dem Einigungsgedanken aus leicht begreiflichen Gründen eine nur sehr temperierte Liebe entgegen¬ bringt. Den englischen Afrikanern (den „Colonials") schließen sich die Stock¬ briten an, soweit sie Neigung oder Beruf in Südafrika festhält, und sie sich überhaupt darüber beruhigen können, daß die Buren wieder soviel mitzureden haben, wobei sie vergessen, daß eben dies die Friedensbedingung war, die den Krieg vor sechs Jahren beendigte. Die partikularistischen Afrikander halten ebenso fest an der Föderation, und das scheinen auch die 18000 deutschen Kapuntertanen zu tun. Die internationalen Mineninteressenten dagegen neigen in der Majorität zur Uni¬ fikation. Erwähnt muß werden, daß viele Anhänger der Föderation nicht Gegner der Unifikation sind, im Gegenteil sagen: „Unser endliches Ziel ist die Unifikation, aber wir wollen schrittweise voran. Entscheiden wir uns zur Unifikation, dann kann diese plötzliche Vorwärtsentwicklung, die allzuviel des Künstlicher und Gewollten in sich trägt, plötzlich einen solch gefährlichen Ab¬ grund vor uns auftun, daß der ganze hübsche Einheitsgedanke, dem ohnehin von allzuviel theoretisch präparierter Nahrung die Beine nicht zu stark sind, an uns vorbei ins Loch fällt. Mit der Föderation wachsen wir hinein in die Unifikation." Wenn man gern zugibt, daß bei einem Mißerfolge der Unifikation das nachträgliche Aufnehmen des föderativem Gedankens ausgeschlossen erscheint, muß man doch lächeln über die Opportunisten, die das übermäßige Beharrungs¬ vermögen von Engländern und Holländern so unterschätzen, daß sie meinen, nach etwa zwei oder drei lustigen Erfolgjahren könne man ohne weiteres die föderative Halbraststation verlassen, um den Marsch zur völligen Einheit anzutreten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/334>, abgerufen am 12.12.2024.