Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Die mittelalterliche Uircheiibankunst in der Terra ti Bari Motive dem Orient, welche Frankreich entsprangen. So finden sich zum Bei¬ Gehn wir nun näher auf die Betrachtung der einzelnen Kathedralen in Die mittelalterliche Uircheiibankunst in der Terra ti Bari Motive dem Orient, welche Frankreich entsprangen. So finden sich zum Bei¬ Gehn wir nun näher auf die Betrachtung der einzelnen Kathedralen in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312616"/> <fw type="header" place="top"> Die mittelalterliche Uircheiibankunst in der Terra ti Bari</fw><lb/> <p xml:id="ID_967" prev="#ID_966"> Motive dem Orient, welche Frankreich entsprangen. So finden sich zum Bei¬<lb/> spiel die Kryptenanlagen, die bei keiner apulischen Kirche fehlen, und die bisher<lb/> als eine spezifisch nordische, über Frankreich in Apulien eingedrungne Bauform<lb/> galten, schon an kleinasiatischen und syrischen Kirchenruinen des sechsten Jahr¬<lb/> hunderts vor. Ebenso begegnen wir dem außen viereckigen Chorabschluß, den man<lb/> früher für eine normannische, von England nach Apulien verpflanzte Eigenart<lb/> hielt, an den kleinen byzantinischen Steinkirchen von S. Croce Camerina in<lb/> Sizilien, die nach Orsi (Byzantinische Zeitschrift VII, 1898, S 1f.) aus dem<lb/> sechsten oder achten Jahrhundert stammen. Noch mehr weisen die primitiven,<lb/> unterirdischen Andachtstätten griechischer Mönche in Apulien, besonders in der<lb/> Art, wie sich die roh aus dem Gestein herausgehauene Felsennische an den<lb/> Pfeilergestützten Vorraum schließt, auf die Abhängigkeit von den Höhlenkirchen<lb/> Kleinasiens hin.</p><lb/> <p xml:id="ID_968" next="#ID_969"> Gehn wir nun näher auf die Betrachtung der einzelnen Kathedralen in<lb/> der Terra ti Bari ein, so fällt uus sofort auf, daß fast allen ein gemeinsamer<lb/> Plan zugrunde liegt. Das Vorbild dazu hat offenbar Baris älteste Kirche<lb/> S- Nicola abgegeben, mit deren Bau man schon im Jahre 1087 begann, um<lb/> den damals vom fernen Lycien nach Bari gebrachten Gebeinen des heiligen<lb/> Nikolaus eine würdige Unterkunft zu bereiten. Dieser Heilige, der für einen<lb/> Bischof von Myra unter Konstantin dem Großen gilt, hat von jeher bei dem<lb/> Volke hier unten die größte Verehrung genossen. Ja sein Kult reicht wahr¬<lb/> scheinlich bis in die ferne Heidenzeit zurück, da er vermutlich an Stelle des<lb/> Meeresbeherrschers Neptun in seiner Eigenschaft als Beschützer der Schiffer<lb/> und ihrer schwanken Fahrzeuge trat. San Nicola zu Bari ist daher zu<lb/> einem Hauptwallfahrtsort des Schiffervolks von Süditalien geworden, das dem<lb/> Heiligen heute noch wie vorzeiten zum Dank für Errettung aus Sturm- und<lb/> Wassersuot Seestücke und kleine Fahrzeuge weiht, wie sie zu Dutzenden an<lb/> einer Säule in der dortigen Krypta hangen. Dem hohen Ansehen, das dieses<lb/> Heiligtum genoß, ist es wohl auch zu danken, daß es König Wilhelm der<lb/> Böse, der Sohn Rogers, verschonte, als er im Jahre 1156 die Stadt Bari<lb/> infolge eines Aufruhrs ihrer Bürger zerstören ließ. So kommt es, daß San<lb/> Nicola getreuer als irgendeine andre Bareser Kirche, sogar als der nur wenige<lb/> Jahrzehnte nach ihm entstandne Dom, das Bild der mittelalterlichen apulischen<lb/> Kirchenanlage wiedergibt. In seinem Äußern, besonders in den hochaufgeführten<lb/> bräunlichen Quadermauern haftet ihm etwas Düsteres, ja nordisches an. Und<lb/> in der Tat ist ja mich die geringe Gliederung der Fassade, die eigentlich nur<lb/> »ach einer Betonung der vertikalen statt der horizontalen Linie strebt, nicht<lb/> der Anschauungsweise des Südländers, sondern der der germanischen Völker<lb/> entsprungen. Möglich, daß die Gliederung durch zwei Wandpfeiler, wodurch<lb/> die Einteilung des Innern in drei Schiffe klar zum Ausdruck kommt, den Lango¬<lb/> barden zugehört, deren Anschauungen dadurch, daß dieses Volk jahrhunderte¬<lb/> lang Italien beherrschte, länger und nachhaltiger als die irgendeines andern</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0265]
Die mittelalterliche Uircheiibankunst in der Terra ti Bari
Motive dem Orient, welche Frankreich entsprangen. So finden sich zum Bei¬
spiel die Kryptenanlagen, die bei keiner apulischen Kirche fehlen, und die bisher
als eine spezifisch nordische, über Frankreich in Apulien eingedrungne Bauform
galten, schon an kleinasiatischen und syrischen Kirchenruinen des sechsten Jahr¬
hunderts vor. Ebenso begegnen wir dem außen viereckigen Chorabschluß, den man
früher für eine normannische, von England nach Apulien verpflanzte Eigenart
hielt, an den kleinen byzantinischen Steinkirchen von S. Croce Camerina in
Sizilien, die nach Orsi (Byzantinische Zeitschrift VII, 1898, S 1f.) aus dem
sechsten oder achten Jahrhundert stammen. Noch mehr weisen die primitiven,
unterirdischen Andachtstätten griechischer Mönche in Apulien, besonders in der
Art, wie sich die roh aus dem Gestein herausgehauene Felsennische an den
Pfeilergestützten Vorraum schließt, auf die Abhängigkeit von den Höhlenkirchen
Kleinasiens hin.
Gehn wir nun näher auf die Betrachtung der einzelnen Kathedralen in
der Terra ti Bari ein, so fällt uus sofort auf, daß fast allen ein gemeinsamer
Plan zugrunde liegt. Das Vorbild dazu hat offenbar Baris älteste Kirche
S- Nicola abgegeben, mit deren Bau man schon im Jahre 1087 begann, um
den damals vom fernen Lycien nach Bari gebrachten Gebeinen des heiligen
Nikolaus eine würdige Unterkunft zu bereiten. Dieser Heilige, der für einen
Bischof von Myra unter Konstantin dem Großen gilt, hat von jeher bei dem
Volke hier unten die größte Verehrung genossen. Ja sein Kult reicht wahr¬
scheinlich bis in die ferne Heidenzeit zurück, da er vermutlich an Stelle des
Meeresbeherrschers Neptun in seiner Eigenschaft als Beschützer der Schiffer
und ihrer schwanken Fahrzeuge trat. San Nicola zu Bari ist daher zu
einem Hauptwallfahrtsort des Schiffervolks von Süditalien geworden, das dem
Heiligen heute noch wie vorzeiten zum Dank für Errettung aus Sturm- und
Wassersuot Seestücke und kleine Fahrzeuge weiht, wie sie zu Dutzenden an
einer Säule in der dortigen Krypta hangen. Dem hohen Ansehen, das dieses
Heiligtum genoß, ist es wohl auch zu danken, daß es König Wilhelm der
Böse, der Sohn Rogers, verschonte, als er im Jahre 1156 die Stadt Bari
infolge eines Aufruhrs ihrer Bürger zerstören ließ. So kommt es, daß San
Nicola getreuer als irgendeine andre Bareser Kirche, sogar als der nur wenige
Jahrzehnte nach ihm entstandne Dom, das Bild der mittelalterlichen apulischen
Kirchenanlage wiedergibt. In seinem Äußern, besonders in den hochaufgeführten
bräunlichen Quadermauern haftet ihm etwas Düsteres, ja nordisches an. Und
in der Tat ist ja mich die geringe Gliederung der Fassade, die eigentlich nur
»ach einer Betonung der vertikalen statt der horizontalen Linie strebt, nicht
der Anschauungsweise des Südländers, sondern der der germanischen Völker
entsprungen. Möglich, daß die Gliederung durch zwei Wandpfeiler, wodurch
die Einteilung des Innern in drei Schiffe klar zum Ausdruck kommt, den Lango¬
barden zugehört, deren Anschauungen dadurch, daß dieses Volk jahrhunderte¬
lang Italien beherrschte, länger und nachhaltiger als die irgendeines andern
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