Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.germanischen Stammes auf die Entwicklung der italienischen Baukunst einge¬ Weniger klar als das Äußere spiegelt das Innere von San Nicola den germanischen Stammes auf die Entwicklung der italienischen Baukunst einge¬ Weniger klar als das Äußere spiegelt das Innere von San Nicola den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312617"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_969" prev="#ID_968"> germanischen Stammes auf die Entwicklung der italienischen Baukunst einge¬<lb/> wirkt haben müssen. Besonders für Unteritalien, wo erst der berühmte Nor¬<lb/> mannenfürst Robert Guiskard um die Mitte des elften Jahrhunderts die letzten<lb/> Langobardenherrscher, die kleinen Fürsten von Salerno und Capua verdrängte,<lb/> dürfte ihr Einfluß nicht von der Hand zu weisen sein. Zeugnis dafür legen<lb/> die vielen Flechtwerkmotivc ab, die, der langobardischen Kleinkunst entstammend,<lb/> häufiger und länger als sonst irgendwo in apulischen Kirchen als Schmuck an¬<lb/> gebracht wurden. Auch wird es kaum ein Zufall sein, daß die gleiche Fassaden¬<lb/> gliederung in den am meisten von langobardischen Elementen durchsetzten Teilen<lb/> von Oberitalien wiederkehrt, wie ja überhaupt die oberitalienische Kunst im<lb/> Gegensatz zu Mittelitalien eine auffallende Ähnlichkeit mit der Apuliens zeigt.<lb/> So treten uns hier wie dort an den Fassaden die durch Blendbogen verbundnen<lb/> Arkaden und Doppelfenster, dieselben von Löwen getragnen Portale, die Fenster¬<lb/> rosen und der durch Halbkreisbogcn verzierte, dreieckige Giebel entgegen. Dieser<lb/> letzte gehört allerdings auch der normannischen Bauweise an und kann des¬<lb/> wegen ebensogut von dorther in die apulische Kunst eingedrungen sein. Ohne<lb/> Zweifel geht auch die Aufführung von Türmen an der Fassade und an der<lb/> Ostseite auf die Normannen zurück, da der Italiener ja nur den mit der Kirche<lb/> nicht organisch verbundnen Campanile kennt. Leider aber weist keine Kathedrale<lb/> in der Terra ti Bari diesen größten Schmuck nordischer Kirchen in seiner<lb/> Vollendung auf. Denn während San Nicola nur die beiden Westtürme und<lb/> diese nicht einmal fertig zeigt, sind an den Domen zu Bari, Ruvo, Bitonto,<lb/> Molfetta usw. nur die Osttürme ausgeführt. Auch stoßen sie nicht wie an<lb/> den stolzen rheinischen Domen oder zu Cefalü in Sizilien an die Apsis,<lb/> sondern von dieser weit abstehend an das Querhaus an, sind aber mit jener<lb/> durch eine gerade fortlaufende Mauer verbunden, wodurch der ganze Anblick<lb/> etwas ungemein Schwerfälliges, fast Trotziges erhält. Außerdem füllt auch der<lb/> Turm über die Vierung, diese vorzüglichste Zierde normannischer Bauten in<lb/> Frankreich, weg. Seine Stelle nimmt am Dom zu Bari eine Kuppel ein, die<lb/> man auch bei San Nicola in Aussicht genommen hatte. Doch wird man ihren<lb/> Wegfall kaum zu beklngeu haben, da die Domkuppel in ihrer an arabische<lb/> Moscheen erinnernden Form, dem achteckigen, säulengeschmückten Tambour und<lb/> der niedern Kalotte eigentümlich fremdartig, ja stilwidrig auf dem nordisch ernsten<lb/> Bau wirkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_970" next="#ID_971"> Weniger klar als das Äußere spiegelt das Innere von San Nicola den<lb/> Kirchenbaustil der Terra ti Bari in seiner Blütezeit wieder. Denn es ist so¬<lb/> wohl durch einen häßlichen, weißen Kalkbewurf als durch drei das Mittelschiff<lb/> durchsetzende Querbogen entstellt, die man aufgeführt hat, als das altehr-<lb/> würdige Denkmal im vierzehnten Jahrhundert infolge eines heftigen Erdbebens<lb/> zusammenzubrechen drohte. Die alten Formen lassen sich aber trotzdem noch<lb/> deutlich erkennen, deutlicher jedenfalls als im dortigen Dom, den man im sieb¬<lb/> zehnten Jahrhundert in unverständiger Weise modernisiert hat. Diesem Schicksal</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
germanischen Stammes auf die Entwicklung der italienischen Baukunst einge¬
wirkt haben müssen. Besonders für Unteritalien, wo erst der berühmte Nor¬
mannenfürst Robert Guiskard um die Mitte des elften Jahrhunderts die letzten
Langobardenherrscher, die kleinen Fürsten von Salerno und Capua verdrängte,
dürfte ihr Einfluß nicht von der Hand zu weisen sein. Zeugnis dafür legen
die vielen Flechtwerkmotivc ab, die, der langobardischen Kleinkunst entstammend,
häufiger und länger als sonst irgendwo in apulischen Kirchen als Schmuck an¬
gebracht wurden. Auch wird es kaum ein Zufall sein, daß die gleiche Fassaden¬
gliederung in den am meisten von langobardischen Elementen durchsetzten Teilen
von Oberitalien wiederkehrt, wie ja überhaupt die oberitalienische Kunst im
Gegensatz zu Mittelitalien eine auffallende Ähnlichkeit mit der Apuliens zeigt.
So treten uns hier wie dort an den Fassaden die durch Blendbogen verbundnen
Arkaden und Doppelfenster, dieselben von Löwen getragnen Portale, die Fenster¬
rosen und der durch Halbkreisbogcn verzierte, dreieckige Giebel entgegen. Dieser
letzte gehört allerdings auch der normannischen Bauweise an und kann des¬
wegen ebensogut von dorther in die apulische Kunst eingedrungen sein. Ohne
Zweifel geht auch die Aufführung von Türmen an der Fassade und an der
Ostseite auf die Normannen zurück, da der Italiener ja nur den mit der Kirche
nicht organisch verbundnen Campanile kennt. Leider aber weist keine Kathedrale
in der Terra ti Bari diesen größten Schmuck nordischer Kirchen in seiner
Vollendung auf. Denn während San Nicola nur die beiden Westtürme und
diese nicht einmal fertig zeigt, sind an den Domen zu Bari, Ruvo, Bitonto,
Molfetta usw. nur die Osttürme ausgeführt. Auch stoßen sie nicht wie an
den stolzen rheinischen Domen oder zu Cefalü in Sizilien an die Apsis,
sondern von dieser weit abstehend an das Querhaus an, sind aber mit jener
durch eine gerade fortlaufende Mauer verbunden, wodurch der ganze Anblick
etwas ungemein Schwerfälliges, fast Trotziges erhält. Außerdem füllt auch der
Turm über die Vierung, diese vorzüglichste Zierde normannischer Bauten in
Frankreich, weg. Seine Stelle nimmt am Dom zu Bari eine Kuppel ein, die
man auch bei San Nicola in Aussicht genommen hatte. Doch wird man ihren
Wegfall kaum zu beklngeu haben, da die Domkuppel in ihrer an arabische
Moscheen erinnernden Form, dem achteckigen, säulengeschmückten Tambour und
der niedern Kalotte eigentümlich fremdartig, ja stilwidrig auf dem nordisch ernsten
Bau wirkt.
Weniger klar als das Äußere spiegelt das Innere von San Nicola den
Kirchenbaustil der Terra ti Bari in seiner Blütezeit wieder. Denn es ist so¬
wohl durch einen häßlichen, weißen Kalkbewurf als durch drei das Mittelschiff
durchsetzende Querbogen entstellt, die man aufgeführt hat, als das altehr-
würdige Denkmal im vierzehnten Jahrhundert infolge eines heftigen Erdbebens
zusammenzubrechen drohte. Die alten Formen lassen sich aber trotzdem noch
deutlich erkennen, deutlicher jedenfalls als im dortigen Dom, den man im sieb¬
zehnten Jahrhundert in unverständiger Weise modernisiert hat. Diesem Schicksal
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