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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Auswärtige Anleihen in der russischen Buogetgcsetzgcvung

Duma vorübergehend sehr gute Wirkungen gehabt und die Finanzen des
Reichs stabiler gestaltet. Wenn aber die Regierung ans ein dauerndes Vertrauen
des Auslandes rechnen will, muß sie die Finanzen allmählich einer auch sach¬
lichen Kontrolle durch die Volksvertreter zugänglich machen. Gegenwärtig ist
das noch nicht der Fall.

Versuche der Duma, die Artikel 9 und 10 vollständig zu beseitigen und
statt ihrer die sogenannten stsnäinA oräors von 1706 einzusetzen, sind bisher
mißglückt. Auch die in diesem Punkte bescheidnern konstitutionellen Demo¬
kraten haben nichts erreicht. Sie hatten einen Entwurf des Mitglieds im
Departement für Staatswirtschaft, W. P, Tscherewanski, aufgegriffen, der dahin
zielt, Abänderungsvorschläge zum Budget seitens der Budgetkommissionen zu¬
lässig zu machen, sofern die betreffenden Minister usw. damit einverstanden
sind, darüber zu verhandeln. Andernfalls sollen die Kredite analog den früher"
Bestimmungen als "bedingte" gelten, also erst im folgenden Jahre der Be¬
fugnis des Reichsrath und der Reichsduma unterliegen.

Da die ausländischen Geldgeber bisher keinen Druck auf die russische Re¬
gierung ausgeübt haben, blieb alles beim alten.

Auch sonst hat der russische Finanzminister noch keine Schritte getan,
um die Klarheit des Budgets zu heben. Die Klassifizierung wird nach
dem alten System vorgenommen, dessen Abänderung Herr Kokowtzew ver¬
sprach, nachdem er es in der Denkschrift zum Budget von 1907 als un¬
übersichtlich , willkürlich, systemlos charakterisiert hatte. Wenn wir eme
Wendung zum Bessern durchaus feststellen wollen, dann kann auf deu Ton
der Denkschrift zum Budget für 1909 hingewiesen werden. Solche Offen¬
herzigkeit fand man sonst wohl nur in den Geheimberichten des Herrn Witte
an den Zaren. Diesmal aber gab es nichts mehr zu verschleiern. Denn die
Zahlen über die Ernten zeigen seit 1904 wieder einen ständigen Rückgang
der Rohproduktion, *) und die Saatenstandsberichte aus dem vergangnen Herbst
meldeten, daß ein großer Teil der Winterung erfroren ist. Rußlands Finanzen
beruhn aber auf der Getreideausfuhr.


3. Der Abschluß von Anleihen

, Laut Gesetz ist es der Volksvertretung verwehrt, Abmachungen der Re¬
gierung über den Abschluß von Anleihen zu beeinflussen oder gar umzustoßen.
In der Praxis ergibt sich sogar die Tatsache, daß sich die Negierung nicht
für verpflichtet hält, über die Verhandlungen mit den Emissionsbanken nach
deren Abschluß Auskunft zu erteilen. Die Behandlung der Anleihefragen wird
also nach wie vor in undurchdringliches Dunkel gehüllt sein. Angesichts dieser Tat¬
sache ist ein Vergleich mit dem in Deutschland geübten Modus Wohl lehrreich.

Die Aufnahme von Anleihen ist im Deutschen Reiche vorgesehen durch
Artikel 73 der Verfassung von 1871 und näher geregelt dnrch das Gesetz



*) Von 4418 Millionen Pud im Jahre 1904 auf -Z72S Millionen im Jahre 1907,
Auswärtige Anleihen in der russischen Buogetgcsetzgcvung

Duma vorübergehend sehr gute Wirkungen gehabt und die Finanzen des
Reichs stabiler gestaltet. Wenn aber die Regierung ans ein dauerndes Vertrauen
des Auslandes rechnen will, muß sie die Finanzen allmählich einer auch sach¬
lichen Kontrolle durch die Volksvertreter zugänglich machen. Gegenwärtig ist
das noch nicht der Fall.

Versuche der Duma, die Artikel 9 und 10 vollständig zu beseitigen und
statt ihrer die sogenannten stsnäinA oräors von 1706 einzusetzen, sind bisher
mißglückt. Auch die in diesem Punkte bescheidnern konstitutionellen Demo¬
kraten haben nichts erreicht. Sie hatten einen Entwurf des Mitglieds im
Departement für Staatswirtschaft, W. P, Tscherewanski, aufgegriffen, der dahin
zielt, Abänderungsvorschläge zum Budget seitens der Budgetkommissionen zu¬
lässig zu machen, sofern die betreffenden Minister usw. damit einverstanden
sind, darüber zu verhandeln. Andernfalls sollen die Kredite analog den früher»
Bestimmungen als „bedingte" gelten, also erst im folgenden Jahre der Be¬
fugnis des Reichsrath und der Reichsduma unterliegen.

Da die ausländischen Geldgeber bisher keinen Druck auf die russische Re¬
gierung ausgeübt haben, blieb alles beim alten.

Auch sonst hat der russische Finanzminister noch keine Schritte getan,
um die Klarheit des Budgets zu heben. Die Klassifizierung wird nach
dem alten System vorgenommen, dessen Abänderung Herr Kokowtzew ver¬
sprach, nachdem er es in der Denkschrift zum Budget von 1907 als un¬
übersichtlich , willkürlich, systemlos charakterisiert hatte. Wenn wir eme
Wendung zum Bessern durchaus feststellen wollen, dann kann auf deu Ton
der Denkschrift zum Budget für 1909 hingewiesen werden. Solche Offen¬
herzigkeit fand man sonst wohl nur in den Geheimberichten des Herrn Witte
an den Zaren. Diesmal aber gab es nichts mehr zu verschleiern. Denn die
Zahlen über die Ernten zeigen seit 1904 wieder einen ständigen Rückgang
der Rohproduktion, *) und die Saatenstandsberichte aus dem vergangnen Herbst
meldeten, daß ein großer Teil der Winterung erfroren ist. Rußlands Finanzen
beruhn aber auf der Getreideausfuhr.


3. Der Abschluß von Anleihen

, Laut Gesetz ist es der Volksvertretung verwehrt, Abmachungen der Re¬
gierung über den Abschluß von Anleihen zu beeinflussen oder gar umzustoßen.
In der Praxis ergibt sich sogar die Tatsache, daß sich die Negierung nicht
für verpflichtet hält, über die Verhandlungen mit den Emissionsbanken nach
deren Abschluß Auskunft zu erteilen. Die Behandlung der Anleihefragen wird
also nach wie vor in undurchdringliches Dunkel gehüllt sein. Angesichts dieser Tat¬
sache ist ein Vergleich mit dem in Deutschland geübten Modus Wohl lehrreich.

Die Aufnahme von Anleihen ist im Deutschen Reiche vorgesehen durch
Artikel 73 der Verfassung von 1871 und näher geregelt dnrch das Gesetz



*) Von 4418 Millionen Pud im Jahre 1904 auf -Z72S Millionen im Jahre 1907,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/238>, abgerufen am 12.12.2024.