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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Auswärtige Anleihen in der russischen Btidgetgesetzgebung

über die Reichsschulden vom 19. März 1900. Danach darf die Regierung
nur ans Grund eines besondern Gesetzes, das den Reichskanzler ermächtigt,
eine Anleihe oder Schatzscheine auszugeben, Geld zur Deckung von in diesem
Gesetz festbestimmten Ausgaben aufnehmen. Dementsprechend kann die Ini¬
tiative dazu auch tatsächlich sowohl von der Regierung wie von dem die
Ausgaben bewilligenden Parlament misgehn. Bei der Aufstellung des Budget¬
voranschlags wird die aus der Anleihe erwartete Einnahme nebst dem ent¬
sprechenden Gesetzentwurf seitens des Finanzministers eingestellt. Dann wird
der Voranschlag und der Anleihegesetzentwurf erst in der Kommission, dann
im Plenum des Reichstags durchgesehen und der Umfang der aufzunehmenden
Anleihe entsprechend der Entscheidung des Reichstags bestimmt. Die Ein¬
nahmen aus Anleihen finden einen besondern Platz im Budget. Alsdann
erscheint im Namen des Kaisers das Gesetz, das den Reichskanzler zur Auf¬
nahme der Anleihe ermächtigt. Der Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihe, die
Höhe der Zinsen, der Emissionsknrs sind dem Ermessen der Regierung über¬
lassen. Das Ergebnis der Anleihe wird der Neichsschuldenverwaltung und
durch diese der Neichsschuldenkommission, der neben Staatsbeamten auch
Parlamentarier angehören, mitgeteilt. Die Reichsschuldenkommission erstattet
ihrerseits dem Reichstag alljährlich Bericht über den Stand der Reichsschulden.
Die Volksvertretung ist also durch Vermittlung der Neichsschuldenkommission
dauernd über den Stand der Schulden unterrichtet und ist imstande, die Ab¬
machungen der Negierung mit den Emissionsbanken nachzuprüfen. Praktisch
wird die Kontrolle noch erleichtert durch den Umstand, daß es sich in Deutsch¬
land einstweilen nur um innere Anleihen handelt, daß infolgedessen einzig die
Lage des Geldmarkts dafür maßgebend ist, wie die Emissionsbedingungen zu
formulieren sind. Der Einfluß einzelner Bankgruppen ist abgeschwächt durch
das Vorhandensein mehrerer solcher konkurrierender Gruppen. Dadurch wird
von vornherein der Verdienst der Banken an einer Anleihe in solchen Grenzen
gehalten, die man als angemessen bezeichnen kann.

In Rußland basiert das Recht der Volksvertreter zur Teilnahme an der
Bewilligung von Anleihen auf Artikel 118 der Stantsgrundgesetze, der lautet:

Staatsanleihen zur Deckung von im Voranschlag aufgenommene" wie auch
nicht aufgenommenen Ausgaben werden auf demselben Wege genehmigt, wie es für
die Genehmigung des Reichsbudgets der Ausgaben und Einnahmen festgestellt ist.
Auf dem Wege der obersten Verwaltung werden durch Se. Majestät den Kaiser
genehmigt: Staatsanleihen zur Deckung von Ausgaben in den Fällen und in dem
Umfang, wie es in Artikel 116 (nicht bestätigtes Gesetz) vorgesehn ist, ebenso wie
Anleihen zur Deckung für auf Grund des Artikels 117 (Kriegszeiten) bestimmte
Ausgaben. Zeitpunkt und Bedingungen des Abschlusses der Staatsanleihen werden
auf dem Wege der obersten Verwaltung festgesetzt.

Die Volksvertretung hat somit das Recht, an der Bestimmung der
Höhe einer Anleihe teilzunehmen. Damit endet aber ihre ganze Wirksamkeit,
wenn man nicht die Beaufsichtigung der durch die betreffende Anleihe zu


Auswärtige Anleihen in der russischen Btidgetgesetzgebung

über die Reichsschulden vom 19. März 1900. Danach darf die Regierung
nur ans Grund eines besondern Gesetzes, das den Reichskanzler ermächtigt,
eine Anleihe oder Schatzscheine auszugeben, Geld zur Deckung von in diesem
Gesetz festbestimmten Ausgaben aufnehmen. Dementsprechend kann die Ini¬
tiative dazu auch tatsächlich sowohl von der Regierung wie von dem die
Ausgaben bewilligenden Parlament misgehn. Bei der Aufstellung des Budget¬
voranschlags wird die aus der Anleihe erwartete Einnahme nebst dem ent¬
sprechenden Gesetzentwurf seitens des Finanzministers eingestellt. Dann wird
der Voranschlag und der Anleihegesetzentwurf erst in der Kommission, dann
im Plenum des Reichstags durchgesehen und der Umfang der aufzunehmenden
Anleihe entsprechend der Entscheidung des Reichstags bestimmt. Die Ein¬
nahmen aus Anleihen finden einen besondern Platz im Budget. Alsdann
erscheint im Namen des Kaisers das Gesetz, das den Reichskanzler zur Auf¬
nahme der Anleihe ermächtigt. Der Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihe, die
Höhe der Zinsen, der Emissionsknrs sind dem Ermessen der Regierung über¬
lassen. Das Ergebnis der Anleihe wird der Neichsschuldenverwaltung und
durch diese der Neichsschuldenkommission, der neben Staatsbeamten auch
Parlamentarier angehören, mitgeteilt. Die Reichsschuldenkommission erstattet
ihrerseits dem Reichstag alljährlich Bericht über den Stand der Reichsschulden.
Die Volksvertretung ist also durch Vermittlung der Neichsschuldenkommission
dauernd über den Stand der Schulden unterrichtet und ist imstande, die Ab¬
machungen der Negierung mit den Emissionsbanken nachzuprüfen. Praktisch
wird die Kontrolle noch erleichtert durch den Umstand, daß es sich in Deutsch¬
land einstweilen nur um innere Anleihen handelt, daß infolgedessen einzig die
Lage des Geldmarkts dafür maßgebend ist, wie die Emissionsbedingungen zu
formulieren sind. Der Einfluß einzelner Bankgruppen ist abgeschwächt durch
das Vorhandensein mehrerer solcher konkurrierender Gruppen. Dadurch wird
von vornherein der Verdienst der Banken an einer Anleihe in solchen Grenzen
gehalten, die man als angemessen bezeichnen kann.

In Rußland basiert das Recht der Volksvertreter zur Teilnahme an der
Bewilligung von Anleihen auf Artikel 118 der Stantsgrundgesetze, der lautet:

Staatsanleihen zur Deckung von im Voranschlag aufgenommene» wie auch
nicht aufgenommenen Ausgaben werden auf demselben Wege genehmigt, wie es für
die Genehmigung des Reichsbudgets der Ausgaben und Einnahmen festgestellt ist.
Auf dem Wege der obersten Verwaltung werden durch Se. Majestät den Kaiser
genehmigt: Staatsanleihen zur Deckung von Ausgaben in den Fällen und in dem
Umfang, wie es in Artikel 116 (nicht bestätigtes Gesetz) vorgesehn ist, ebenso wie
Anleihen zur Deckung für auf Grund des Artikels 117 (Kriegszeiten) bestimmte
Ausgaben. Zeitpunkt und Bedingungen des Abschlusses der Staatsanleihen werden
auf dem Wege der obersten Verwaltung festgesetzt.

Die Volksvertretung hat somit das Recht, an der Bestimmung der
Höhe einer Anleihe teilzunehmen. Damit endet aber ihre ganze Wirksamkeit,
wenn man nicht die Beaufsichtigung der durch die betreffende Anleihe zu


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[0239] Auswärtige Anleihen in der russischen Btidgetgesetzgebung über die Reichsschulden vom 19. März 1900. Danach darf die Regierung nur ans Grund eines besondern Gesetzes, das den Reichskanzler ermächtigt, eine Anleihe oder Schatzscheine auszugeben, Geld zur Deckung von in diesem Gesetz festbestimmten Ausgaben aufnehmen. Dementsprechend kann die Ini¬ tiative dazu auch tatsächlich sowohl von der Regierung wie von dem die Ausgaben bewilligenden Parlament misgehn. Bei der Aufstellung des Budget¬ voranschlags wird die aus der Anleihe erwartete Einnahme nebst dem ent¬ sprechenden Gesetzentwurf seitens des Finanzministers eingestellt. Dann wird der Voranschlag und der Anleihegesetzentwurf erst in der Kommission, dann im Plenum des Reichstags durchgesehen und der Umfang der aufzunehmenden Anleihe entsprechend der Entscheidung des Reichstags bestimmt. Die Ein¬ nahmen aus Anleihen finden einen besondern Platz im Budget. Alsdann erscheint im Namen des Kaisers das Gesetz, das den Reichskanzler zur Auf¬ nahme der Anleihe ermächtigt. Der Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihe, die Höhe der Zinsen, der Emissionsknrs sind dem Ermessen der Regierung über¬ lassen. Das Ergebnis der Anleihe wird der Neichsschuldenverwaltung und durch diese der Neichsschuldenkommission, der neben Staatsbeamten auch Parlamentarier angehören, mitgeteilt. Die Reichsschuldenkommission erstattet ihrerseits dem Reichstag alljährlich Bericht über den Stand der Reichsschulden. Die Volksvertretung ist also durch Vermittlung der Neichsschuldenkommission dauernd über den Stand der Schulden unterrichtet und ist imstande, die Ab¬ machungen der Negierung mit den Emissionsbanken nachzuprüfen. Praktisch wird die Kontrolle noch erleichtert durch den Umstand, daß es sich in Deutsch¬ land einstweilen nur um innere Anleihen handelt, daß infolgedessen einzig die Lage des Geldmarkts dafür maßgebend ist, wie die Emissionsbedingungen zu formulieren sind. Der Einfluß einzelner Bankgruppen ist abgeschwächt durch das Vorhandensein mehrerer solcher konkurrierender Gruppen. Dadurch wird von vornherein der Verdienst der Banken an einer Anleihe in solchen Grenzen gehalten, die man als angemessen bezeichnen kann. In Rußland basiert das Recht der Volksvertreter zur Teilnahme an der Bewilligung von Anleihen auf Artikel 118 der Stantsgrundgesetze, der lautet: Staatsanleihen zur Deckung von im Voranschlag aufgenommene» wie auch nicht aufgenommenen Ausgaben werden auf demselben Wege genehmigt, wie es für die Genehmigung des Reichsbudgets der Ausgaben und Einnahmen festgestellt ist. Auf dem Wege der obersten Verwaltung werden durch Se. Majestät den Kaiser genehmigt: Staatsanleihen zur Deckung von Ausgaben in den Fällen und in dem Umfang, wie es in Artikel 116 (nicht bestätigtes Gesetz) vorgesehn ist, ebenso wie Anleihen zur Deckung für auf Grund des Artikels 117 (Kriegszeiten) bestimmte Ausgaben. Zeitpunkt und Bedingungen des Abschlusses der Staatsanleihen werden auf dem Wege der obersten Verwaltung festgesetzt. Die Volksvertretung hat somit das Recht, an der Bestimmung der Höhe einer Anleihe teilzunehmen. Damit endet aber ihre ganze Wirksamkeit, wenn man nicht die Beaufsichtigung der durch die betreffende Anleihe zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/239>, abgerufen am 23.07.2024.