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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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ver Sparer und die Reichsfinanzreform

zu befürchten sein möchten, so könnten sie unter Umständen doch in schwierigen
Zeiten zu einer unliebsamen Bedrückung der Steuerzahler, wenn nicht gerade
zu einem wirtschaftlichen Ruin der einzelnen Gemeinde führen. Einzelne
Regierungen sind daher auch der starken Verbindung beider Kredite entgegen¬
getreten.

Das badische Gesetz macht die Anlegung in Partialobligationen oder
andern Schuldverschreibungen der bürgenden Gemeinden von einer besondern
staatlichen Genehmigung abhängig. In Preußen ist durch Ministerialerlaß vom
5. November 1902 verboten, mehr als ein Viertel des Gesamtbcstandcs der
Sparkasse an den eignen Garantieverband und außerdem an fremde Garantie¬
verbände mehr als noch 25 Prozent, im ganzen also mehr als 50 Prozent des
Gesamtbestandes auszuleihen.

Am ablehnendsten verhält sich die sächsische Regierung. Sie hat durch
Verordnung die Gewährung von Darlehen aus einer Gemeindesparkasse an die
garantierende Gemeinde für unzulässig erklärt und auch die Anlage in Schuld¬
scheinen derselben Gemeinde untersagt, "nicht sowohl wegen mangelnder Sicher¬
heit der Gemeindeschuldscheine, als wegen der zu befürchtenden Beeinträchtigung
der Sparkasse in der nach Befinden erforderlichen Geltendmachung ihrer Rechte
gegenüber der Stadtgemeinde als ihrer Schuldnerin". Ebenso ist in Sachsen-
Altenburg verboten, Sparkassengelder in Anleihepapieren der garantierenden
Gemeinde oder einer Korporation, deren Mitglieder mit den Mitgliedern der
politischen Gemeinde vollständig oder doch zum überwiegenden Teile identisch
sind (Kirchen-, Schul- usw. Gemeinde) anzulegen; gleicherweise sind Darlehen an
diese Korporationen untersagt. Diesen Standpunkt halte ich für den richtigsten.

Zurzeit machen die Anlagen der preußischen Sparkassen in Staatspapieren
10,5 Prozent der Sparguthaben aus, indem 214 Millionen in Schuldver¬
schreibungen des Reiches und 714 Millionen Mark in solchen Preußens angelegt
waren. Dagegen waren in Jnhciberpapieren überhaupt 25 Prozent angelegt.
Meines Erachtens müßten also noch weitere 15 Prozent in Staats- und
Neichscmleihen angelegt sein, schon im Interesse der größern Liquidität der
Sparkassen, denn im Falle eines Rums in Kriegszeiten würden die meisten
Kommunalobligationen nicht verkäuflich sein, und Lombardierungen sind sogut
wie ausgeschlossen. Waren doch 1866 sogar viele deutsche Staatsanleihen um
30 bis 40 Prozent im Kurse gefallen, und Lombardierungen dieser Werte
waren damals trotz der höchsten Zinssätze vielfach gar nicht möglich. Viele
Sparkassen gerieten in schwere Bedrängnis, da ein solcher Ansturm der ihre
Guthaben fordernden ängstlich gewordnen Einleger erfolgte, daß jene völlig zu
versagen drohten. So mußten die Kassen in Karlsruhe und Pforzheim Staats¬
hilfe in Anspruch nehmen. Auch 1870 brachte zunächst sogar einen ähnlichen
Kurssturz der preußischen Anleihen, und in Österreich versagten damals die
Banken auf Vorschüsse. Immerhin sind Staatsanleihen unter allen Verhält¬
nissen noch weit liquidere Werte als die schwerfälligen Kommunalpapiere.


ver Sparer und die Reichsfinanzreform

zu befürchten sein möchten, so könnten sie unter Umständen doch in schwierigen
Zeiten zu einer unliebsamen Bedrückung der Steuerzahler, wenn nicht gerade
zu einem wirtschaftlichen Ruin der einzelnen Gemeinde führen. Einzelne
Regierungen sind daher auch der starken Verbindung beider Kredite entgegen¬
getreten.

Das badische Gesetz macht die Anlegung in Partialobligationen oder
andern Schuldverschreibungen der bürgenden Gemeinden von einer besondern
staatlichen Genehmigung abhängig. In Preußen ist durch Ministerialerlaß vom
5. November 1902 verboten, mehr als ein Viertel des Gesamtbcstandcs der
Sparkasse an den eignen Garantieverband und außerdem an fremde Garantie¬
verbände mehr als noch 25 Prozent, im ganzen also mehr als 50 Prozent des
Gesamtbestandes auszuleihen.

Am ablehnendsten verhält sich die sächsische Regierung. Sie hat durch
Verordnung die Gewährung von Darlehen aus einer Gemeindesparkasse an die
garantierende Gemeinde für unzulässig erklärt und auch die Anlage in Schuld¬
scheinen derselben Gemeinde untersagt, „nicht sowohl wegen mangelnder Sicher¬
heit der Gemeindeschuldscheine, als wegen der zu befürchtenden Beeinträchtigung
der Sparkasse in der nach Befinden erforderlichen Geltendmachung ihrer Rechte
gegenüber der Stadtgemeinde als ihrer Schuldnerin". Ebenso ist in Sachsen-
Altenburg verboten, Sparkassengelder in Anleihepapieren der garantierenden
Gemeinde oder einer Korporation, deren Mitglieder mit den Mitgliedern der
politischen Gemeinde vollständig oder doch zum überwiegenden Teile identisch
sind (Kirchen-, Schul- usw. Gemeinde) anzulegen; gleicherweise sind Darlehen an
diese Korporationen untersagt. Diesen Standpunkt halte ich für den richtigsten.

Zurzeit machen die Anlagen der preußischen Sparkassen in Staatspapieren
10,5 Prozent der Sparguthaben aus, indem 214 Millionen in Schuldver¬
schreibungen des Reiches und 714 Millionen Mark in solchen Preußens angelegt
waren. Dagegen waren in Jnhciberpapieren überhaupt 25 Prozent angelegt.
Meines Erachtens müßten also noch weitere 15 Prozent in Staats- und
Neichscmleihen angelegt sein, schon im Interesse der größern Liquidität der
Sparkassen, denn im Falle eines Rums in Kriegszeiten würden die meisten
Kommunalobligationen nicht verkäuflich sein, und Lombardierungen sind sogut
wie ausgeschlossen. Waren doch 1866 sogar viele deutsche Staatsanleihen um
30 bis 40 Prozent im Kurse gefallen, und Lombardierungen dieser Werte
waren damals trotz der höchsten Zinssätze vielfach gar nicht möglich. Viele
Sparkassen gerieten in schwere Bedrängnis, da ein solcher Ansturm der ihre
Guthaben fordernden ängstlich gewordnen Einleger erfolgte, daß jene völlig zu
versagen drohten. So mußten die Kassen in Karlsruhe und Pforzheim Staats¬
hilfe in Anspruch nehmen. Auch 1870 brachte zunächst sogar einen ähnlichen
Kurssturz der preußischen Anleihen, und in Österreich versagten damals die
Banken auf Vorschüsse. Immerhin sind Staatsanleihen unter allen Verhält¬
nissen noch weit liquidere Werte als die schwerfälligen Kommunalpapiere.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/185>, abgerufen am 23.07.2024.