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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Der Sparer und die Retchsfiiiclnzreform

Der preußische Minister des Innern hat kürzlich zugelassen,, daß die
Sparkassen, die sich freiwillig einer statutarischen Bindung in der Anlegung
ihrer Bestände unterziehen wollen, indem sie eine Anlegung von 30 Prozent
des verzinslich angelegten Vermögens in Jnhaberpapieren, davon die Hälfte in
Reichs- und Staatspapieren, und bis zur Erreichung dieses Besitzstandes die
gleiche Anlegung von vier Zehnteln des jährlichen Vermögenszuwachses statuieren,
eine Verlangsamung der Reservefondsansammlung vornehmen dürfen.

Diese Maßregel ist im Interesse der vielfach vermißten Liquidität freudig
zu begrüßen, aber sie erscheint mir nicht zureichend, da sie auch andre als
Staatsrenten als Anlagepapiere zuläßt; ein solches Verbot könnte freilich nur
im Wege der Gesetzgebung erlassen werden.

Wenn aber hiernach für die Anlage der Sparkapitalien von mündelsichern
Effekten vorzugsweise oder ausschließlich nur Neichsanleihen und Staatsanleihen
in Frage kommen dürfen, dann haben Reich und Staat natürlich allein schon
im Interesse der Sparer und der Sparkassen, die einen großen Teil des Volks¬
vermögens in sich bergen, die unabweisliche Pflicht, ihr Anleihewesen und ihre
Finanzgebarung so einzurichten, daß die von ihnen ausgegebnen Rcntenpapiere
einen angemessenen und stabilen Kursstand haben. Sie haben ferner die Pflicht,
den Sparkassen den möglichst billigen Erwerb ihrer Anleihen zu ermöglichen,
was dadurch geschehen kann, daß ihnen bei der Zeichnung billigere Bedingungen
lind Vorrechte, insbesondre ein geringerer Zeichnungskurs, zugestanden werden.
Jedenfalls empfiehlt es sich, dieses Mittel anzuwenden, solange nicht ein Gesetz
besteht, das den Sparkassen verbietet, Bestände in den Obligationen des eignen
Garantieverbandes anzulegen -- ein Gesetz, das einstweilen aus naheliegenden
Gründen auf Schwierigkeiten stoßen würde.

Wie dringend die Pflicht des Staates ist, die Sparkassen auf jede Weise
zu unterstützen, ergibt sich aus der Bedeutung dieser Institute, die durch die
Zahlen in der Tabelle auf Seite 180 und 181 veranschaulicht wird.

Während nun auf der einen Seite als Pflicht der Gesetzgebung angesehen
werden muß, durch Einführung einer vernünftigen Anleihepolitik im Reiche
dem Sparer eine bessere Möglichkeit zum Sparen zu geben, darf auf der
andern Seite auch die vom Fürsten Bülow in seiner Reichstagsrede cmsge-
sprochue Mahnung zum Sparen von dem einzelnen Staatsbürger nicht un¬
berücksichtigt bleiben. Der Reichskanzler hat in dieser Beziehung auf Frank¬
reich hingewiesen, das an Kapital und Liquidität noch immer das reichste
Land der Erde sei, und zwar hauptsächlich vermöge seines Sparsinns und
seiner Sparkraft. Wenn ich auch die französischen Sparkasseneinrichtungen
-- namentlich wegen der oben berührten engen Verbindung des Sparkassen¬
kredits mit dem Staatskredit -- keineswegs als vorbildlich bezeichnen möchte,
so sind doch andrerseits die Sparleistungen des französischen Volkes als hervor¬
ragend zu bezeichnen. Diesen hat es Frankreich zu verdanken, daß es vor
wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten bewahrt worden ist, wenn


Der Sparer und die Retchsfiiiclnzreform

Der preußische Minister des Innern hat kürzlich zugelassen,, daß die
Sparkassen, die sich freiwillig einer statutarischen Bindung in der Anlegung
ihrer Bestände unterziehen wollen, indem sie eine Anlegung von 30 Prozent
des verzinslich angelegten Vermögens in Jnhaberpapieren, davon die Hälfte in
Reichs- und Staatspapieren, und bis zur Erreichung dieses Besitzstandes die
gleiche Anlegung von vier Zehnteln des jährlichen Vermögenszuwachses statuieren,
eine Verlangsamung der Reservefondsansammlung vornehmen dürfen.

Diese Maßregel ist im Interesse der vielfach vermißten Liquidität freudig
zu begrüßen, aber sie erscheint mir nicht zureichend, da sie auch andre als
Staatsrenten als Anlagepapiere zuläßt; ein solches Verbot könnte freilich nur
im Wege der Gesetzgebung erlassen werden.

Wenn aber hiernach für die Anlage der Sparkapitalien von mündelsichern
Effekten vorzugsweise oder ausschließlich nur Neichsanleihen und Staatsanleihen
in Frage kommen dürfen, dann haben Reich und Staat natürlich allein schon
im Interesse der Sparer und der Sparkassen, die einen großen Teil des Volks¬
vermögens in sich bergen, die unabweisliche Pflicht, ihr Anleihewesen und ihre
Finanzgebarung so einzurichten, daß die von ihnen ausgegebnen Rcntenpapiere
einen angemessenen und stabilen Kursstand haben. Sie haben ferner die Pflicht,
den Sparkassen den möglichst billigen Erwerb ihrer Anleihen zu ermöglichen,
was dadurch geschehen kann, daß ihnen bei der Zeichnung billigere Bedingungen
lind Vorrechte, insbesondre ein geringerer Zeichnungskurs, zugestanden werden.
Jedenfalls empfiehlt es sich, dieses Mittel anzuwenden, solange nicht ein Gesetz
besteht, das den Sparkassen verbietet, Bestände in den Obligationen des eignen
Garantieverbandes anzulegen — ein Gesetz, das einstweilen aus naheliegenden
Gründen auf Schwierigkeiten stoßen würde.

Wie dringend die Pflicht des Staates ist, die Sparkassen auf jede Weise
zu unterstützen, ergibt sich aus der Bedeutung dieser Institute, die durch die
Zahlen in der Tabelle auf Seite 180 und 181 veranschaulicht wird.

Während nun auf der einen Seite als Pflicht der Gesetzgebung angesehen
werden muß, durch Einführung einer vernünftigen Anleihepolitik im Reiche
dem Sparer eine bessere Möglichkeit zum Sparen zu geben, darf auf der
andern Seite auch die vom Fürsten Bülow in seiner Reichstagsrede cmsge-
sprochue Mahnung zum Sparen von dem einzelnen Staatsbürger nicht un¬
berücksichtigt bleiben. Der Reichskanzler hat in dieser Beziehung auf Frank¬
reich hingewiesen, das an Kapital und Liquidität noch immer das reichste
Land der Erde sei, und zwar hauptsächlich vermöge seines Sparsinns und
seiner Sparkraft. Wenn ich auch die französischen Sparkasseneinrichtungen
— namentlich wegen der oben berührten engen Verbindung des Sparkassen¬
kredits mit dem Staatskredit — keineswegs als vorbildlich bezeichnen möchte,
so sind doch andrerseits die Sparleistungen des französischen Volkes als hervor¬
ragend zu bezeichnen. Diesen hat es Frankreich zu verdanken, daß es vor
wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten bewahrt worden ist, wenn


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[0186] Der Sparer und die Retchsfiiiclnzreform Der preußische Minister des Innern hat kürzlich zugelassen,, daß die Sparkassen, die sich freiwillig einer statutarischen Bindung in der Anlegung ihrer Bestände unterziehen wollen, indem sie eine Anlegung von 30 Prozent des verzinslich angelegten Vermögens in Jnhaberpapieren, davon die Hälfte in Reichs- und Staatspapieren, und bis zur Erreichung dieses Besitzstandes die gleiche Anlegung von vier Zehnteln des jährlichen Vermögenszuwachses statuieren, eine Verlangsamung der Reservefondsansammlung vornehmen dürfen. Diese Maßregel ist im Interesse der vielfach vermißten Liquidität freudig zu begrüßen, aber sie erscheint mir nicht zureichend, da sie auch andre als Staatsrenten als Anlagepapiere zuläßt; ein solches Verbot könnte freilich nur im Wege der Gesetzgebung erlassen werden. Wenn aber hiernach für die Anlage der Sparkapitalien von mündelsichern Effekten vorzugsweise oder ausschließlich nur Neichsanleihen und Staatsanleihen in Frage kommen dürfen, dann haben Reich und Staat natürlich allein schon im Interesse der Sparer und der Sparkassen, die einen großen Teil des Volks¬ vermögens in sich bergen, die unabweisliche Pflicht, ihr Anleihewesen und ihre Finanzgebarung so einzurichten, daß die von ihnen ausgegebnen Rcntenpapiere einen angemessenen und stabilen Kursstand haben. Sie haben ferner die Pflicht, den Sparkassen den möglichst billigen Erwerb ihrer Anleihen zu ermöglichen, was dadurch geschehen kann, daß ihnen bei der Zeichnung billigere Bedingungen lind Vorrechte, insbesondre ein geringerer Zeichnungskurs, zugestanden werden. Jedenfalls empfiehlt es sich, dieses Mittel anzuwenden, solange nicht ein Gesetz besteht, das den Sparkassen verbietet, Bestände in den Obligationen des eignen Garantieverbandes anzulegen — ein Gesetz, das einstweilen aus naheliegenden Gründen auf Schwierigkeiten stoßen würde. Wie dringend die Pflicht des Staates ist, die Sparkassen auf jede Weise zu unterstützen, ergibt sich aus der Bedeutung dieser Institute, die durch die Zahlen in der Tabelle auf Seite 180 und 181 veranschaulicht wird. Während nun auf der einen Seite als Pflicht der Gesetzgebung angesehen werden muß, durch Einführung einer vernünftigen Anleihepolitik im Reiche dem Sparer eine bessere Möglichkeit zum Sparen zu geben, darf auf der andern Seite auch die vom Fürsten Bülow in seiner Reichstagsrede cmsge- sprochue Mahnung zum Sparen von dem einzelnen Staatsbürger nicht un¬ berücksichtigt bleiben. Der Reichskanzler hat in dieser Beziehung auf Frank¬ reich hingewiesen, das an Kapital und Liquidität noch immer das reichste Land der Erde sei, und zwar hauptsächlich vermöge seines Sparsinns und seiner Sparkraft. Wenn ich auch die französischen Sparkasseneinrichtungen — namentlich wegen der oben berührten engen Verbindung des Sparkassen¬ kredits mit dem Staatskredit — keineswegs als vorbildlich bezeichnen möchte, so sind doch andrerseits die Sparleistungen des französischen Volkes als hervor¬ ragend zu bezeichnen. Diesen hat es Frankreich zu verdanken, daß es vor wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten bewahrt worden ist, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/186>, abgerufen am 23.07.2024.