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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Militärische Rückblicke auf das I-Hr ^08

bewaffneten Macht bilden. Das uns verbündete Heer ist somit das erste aller
großen europäischen Armeen, das den festen Verband freiwilliger Motorrad¬
fahrer organisiert hat, während man zum Beispiel bei uns von dieser Idee
zurückgekommen ist und jedenfalls kein fest geschlossenes militärisches Nad¬
fahrerkorps aufstellen wird. Endlich bleibt noch zu nennen die Vermehrung
der Katers bei der militär-aeronautischen Anstalt in Wien und bei den Festungs¬
abteilungen in Przemysl, Krakau, Trient, Pola und Cattaro. Diese Ma߬
nahme erscheint von der größten Wichtigkeit, denn das Militärluftschiffer-
wesen in Österreich-Ungarn hat bisher nicht gleichen Schritt gehalten mit den
Fortschritten bei andern Armeen. Das gilt namentlich für das Gebiet der
lenkbarem Luftschiffe, die dort noch gar nicht gebaut sind. Die Schuld trifft
aber nicht die Militärverwaltung, vielmehr hat lediglich der Mangel an
Mitteln verhindert, daß die sonst so rührigen Männer der Aeronautik ihre ver-
schiednen Pläne zur Ausführung bringen konnten. Von mehreren Stellen
aus sind aber jetzt Aufrufe zu freiwilligen Beiträgen für den Bau von Luft¬
schiffer ergangen, sodaß wir vielleicht schon in diesem Jahre davon hören
werden, daß man in Österreich-Ungarn den Vorsprung andrer Mächte nahezu
eingeholt hat. Gegenwärtig ist das militärische Interesse Österreich-Ungarns
auf den Schutz seiner Grenzen gegen Serbien und Montenegro gerichtet.
Denn trotz aller offiziösen Friedensversicherungen wird uns von zuverlässigster
Seite berichtet, daß schon fünf Armeekorps Mobilmachungsavisos in Händen
haben. Vor allen Dingen wird es sich dabei um das fünfzehnte Korps
(Sarajewo) und um das dreizehnte (Agram) handeln. Hier treffen fortgesetzt
Reserven ein, um die einzelnen Truppenteile allmählich auf Kriegsfuß zu
bringen, und die in diesen Tagen eingegcmgne Meldung, daß mit den mobilen
Heereskörpern zunächst die Grenze gegen Montenegro abgesperrt werden solle,
zeigt, daß die oberste Heeresleitung mit ihren Sicherheitsmaßnahmen Ernst
machen will.

In Italien ist auf militärischem Gebiete der bemerkenswerteste Vorgang
die Einsetzung eines Kriegsministers aus zivilem Beruf. Als Nachfolger eines so
tüchtigen Soldaten, wie es der General Vigano ist, hat M. Casana kein leichtes
Amt. Wenigstens ist es ihm aber doch gelungen, bei der Kammer einen Kredit
von 223 Millionen Lire durchzudrücken, der ihn mit den noch dazu seinem
Vorgänger bewilligten 60 Millionen unter anderm in den Stand setzen soll,
das Feld- und Gebirgsartilleriematerial zu erneuern, die Befestigungen an der
Küste und im Innern zu modernisieren, neue Truppenübungsplätze neben den
schon vorhandnen anzulegen und das Pferdematerial zu verbessern. Die aus-
geworfnen Gelder sollen auf den Zeitraum bis zum Jahre 1917 verteilt werden;
im Budget von 1908/09 werden davon 13 Millionen verbraucht, 1910/11
sollen 25 Millionen verwandt werden. Eine wichtige Verfügung Casanas war
es, daß er die dem Generalstabschef der Armee gegebne größere Selbständigkeit
und Unabhängigkeit vom Kriegsminister, die General Vigano noch kurz vor


Militärische Rückblicke auf das I-Hr ^08

bewaffneten Macht bilden. Das uns verbündete Heer ist somit das erste aller
großen europäischen Armeen, das den festen Verband freiwilliger Motorrad¬
fahrer organisiert hat, während man zum Beispiel bei uns von dieser Idee
zurückgekommen ist und jedenfalls kein fest geschlossenes militärisches Nad¬
fahrerkorps aufstellen wird. Endlich bleibt noch zu nennen die Vermehrung
der Katers bei der militär-aeronautischen Anstalt in Wien und bei den Festungs¬
abteilungen in Przemysl, Krakau, Trient, Pola und Cattaro. Diese Ma߬
nahme erscheint von der größten Wichtigkeit, denn das Militärluftschiffer-
wesen in Österreich-Ungarn hat bisher nicht gleichen Schritt gehalten mit den
Fortschritten bei andern Armeen. Das gilt namentlich für das Gebiet der
lenkbarem Luftschiffe, die dort noch gar nicht gebaut sind. Die Schuld trifft
aber nicht die Militärverwaltung, vielmehr hat lediglich der Mangel an
Mitteln verhindert, daß die sonst so rührigen Männer der Aeronautik ihre ver-
schiednen Pläne zur Ausführung bringen konnten. Von mehreren Stellen
aus sind aber jetzt Aufrufe zu freiwilligen Beiträgen für den Bau von Luft¬
schiffer ergangen, sodaß wir vielleicht schon in diesem Jahre davon hören
werden, daß man in Österreich-Ungarn den Vorsprung andrer Mächte nahezu
eingeholt hat. Gegenwärtig ist das militärische Interesse Österreich-Ungarns
auf den Schutz seiner Grenzen gegen Serbien und Montenegro gerichtet.
Denn trotz aller offiziösen Friedensversicherungen wird uns von zuverlässigster
Seite berichtet, daß schon fünf Armeekorps Mobilmachungsavisos in Händen
haben. Vor allen Dingen wird es sich dabei um das fünfzehnte Korps
(Sarajewo) und um das dreizehnte (Agram) handeln. Hier treffen fortgesetzt
Reserven ein, um die einzelnen Truppenteile allmählich auf Kriegsfuß zu
bringen, und die in diesen Tagen eingegcmgne Meldung, daß mit den mobilen
Heereskörpern zunächst die Grenze gegen Montenegro abgesperrt werden solle,
zeigt, daß die oberste Heeresleitung mit ihren Sicherheitsmaßnahmen Ernst
machen will.

In Italien ist auf militärischem Gebiete der bemerkenswerteste Vorgang
die Einsetzung eines Kriegsministers aus zivilem Beruf. Als Nachfolger eines so
tüchtigen Soldaten, wie es der General Vigano ist, hat M. Casana kein leichtes
Amt. Wenigstens ist es ihm aber doch gelungen, bei der Kammer einen Kredit
von 223 Millionen Lire durchzudrücken, der ihn mit den noch dazu seinem
Vorgänger bewilligten 60 Millionen unter anderm in den Stand setzen soll,
das Feld- und Gebirgsartilleriematerial zu erneuern, die Befestigungen an der
Küste und im Innern zu modernisieren, neue Truppenübungsplätze neben den
schon vorhandnen anzulegen und das Pferdematerial zu verbessern. Die aus-
geworfnen Gelder sollen auf den Zeitraum bis zum Jahre 1917 verteilt werden;
im Budget von 1908/09 werden davon 13 Millionen verbraucht, 1910/11
sollen 25 Millionen verwandt werden. Eine wichtige Verfügung Casanas war
es, daß er die dem Generalstabschef der Armee gegebne größere Selbständigkeit
und Unabhängigkeit vom Kriegsminister, die General Vigano noch kurz vor


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[0124] Militärische Rückblicke auf das I-Hr ^08 bewaffneten Macht bilden. Das uns verbündete Heer ist somit das erste aller großen europäischen Armeen, das den festen Verband freiwilliger Motorrad¬ fahrer organisiert hat, während man zum Beispiel bei uns von dieser Idee zurückgekommen ist und jedenfalls kein fest geschlossenes militärisches Nad¬ fahrerkorps aufstellen wird. Endlich bleibt noch zu nennen die Vermehrung der Katers bei der militär-aeronautischen Anstalt in Wien und bei den Festungs¬ abteilungen in Przemysl, Krakau, Trient, Pola und Cattaro. Diese Ma߬ nahme erscheint von der größten Wichtigkeit, denn das Militärluftschiffer- wesen in Österreich-Ungarn hat bisher nicht gleichen Schritt gehalten mit den Fortschritten bei andern Armeen. Das gilt namentlich für das Gebiet der lenkbarem Luftschiffe, die dort noch gar nicht gebaut sind. Die Schuld trifft aber nicht die Militärverwaltung, vielmehr hat lediglich der Mangel an Mitteln verhindert, daß die sonst so rührigen Männer der Aeronautik ihre ver- schiednen Pläne zur Ausführung bringen konnten. Von mehreren Stellen aus sind aber jetzt Aufrufe zu freiwilligen Beiträgen für den Bau von Luft¬ schiffer ergangen, sodaß wir vielleicht schon in diesem Jahre davon hören werden, daß man in Österreich-Ungarn den Vorsprung andrer Mächte nahezu eingeholt hat. Gegenwärtig ist das militärische Interesse Österreich-Ungarns auf den Schutz seiner Grenzen gegen Serbien und Montenegro gerichtet. Denn trotz aller offiziösen Friedensversicherungen wird uns von zuverlässigster Seite berichtet, daß schon fünf Armeekorps Mobilmachungsavisos in Händen haben. Vor allen Dingen wird es sich dabei um das fünfzehnte Korps (Sarajewo) und um das dreizehnte (Agram) handeln. Hier treffen fortgesetzt Reserven ein, um die einzelnen Truppenteile allmählich auf Kriegsfuß zu bringen, und die in diesen Tagen eingegcmgne Meldung, daß mit den mobilen Heereskörpern zunächst die Grenze gegen Montenegro abgesperrt werden solle, zeigt, daß die oberste Heeresleitung mit ihren Sicherheitsmaßnahmen Ernst machen will. In Italien ist auf militärischem Gebiete der bemerkenswerteste Vorgang die Einsetzung eines Kriegsministers aus zivilem Beruf. Als Nachfolger eines so tüchtigen Soldaten, wie es der General Vigano ist, hat M. Casana kein leichtes Amt. Wenigstens ist es ihm aber doch gelungen, bei der Kammer einen Kredit von 223 Millionen Lire durchzudrücken, der ihn mit den noch dazu seinem Vorgänger bewilligten 60 Millionen unter anderm in den Stand setzen soll, das Feld- und Gebirgsartilleriematerial zu erneuern, die Befestigungen an der Küste und im Innern zu modernisieren, neue Truppenübungsplätze neben den schon vorhandnen anzulegen und das Pferdematerial zu verbessern. Die aus- geworfnen Gelder sollen auf den Zeitraum bis zum Jahre 1917 verteilt werden; im Budget von 1908/09 werden davon 13 Millionen verbraucht, 1910/11 sollen 25 Millionen verwandt werden. Eine wichtige Verfügung Casanas war es, daß er die dem Generalstabschef der Armee gegebne größere Selbständigkeit und Unabhängigkeit vom Kriegsminister, die General Vigano noch kurz vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/124>, abgerufen am 03.07.2024.