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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Militärische Rückblicke auf das Zahr ^08

seinem Ausscheiden in einem besondern Erlaß gefordert und begründet hatte,
wieder aufhob. General Pollio, der am 1. Juli dem langjährigen Chef des
Generalstabes Valetta im Amte gefolgt war, ist dadurch wieder in denselben
bescheidnen Tätigkeitsrahmen seiner Vorgänger gerückt und hat in allen großen
Fragen der Landesverteidigung keine entscheidende Stimme. Seine ganze
Selbständigkeit beschränkt sich einzig darauf, daß er befugt ist, wenn es ihm
zweckmäßig erscheint, durch die Generalinspekteure der Artillerie und des Genies
die ständigen Kommissionen dieser beiden Waffen zu einer Sitzung einzuberufen
oder eine Plenarversammlung anzusetzen. In diesem Falle führt der General¬
stabschef den Vorsitz. Gegenüber diesen etwas eingeschränkten Funktionen des
obersten Chefs des Generalstabes bilden die kürzlich erfolgte Erneuerung des
Obersten Rates der Landesverteidigung und der im Vorjahre geschaffne Heeresrat
zwei Tatsachen von weitreichender Bedeutung. Ganz besonders gilt das von
der zuerst genannten Behörde, deren Aufgabe es ist, alle die großen die
Landesverteidigung betreffenden Fragen zu beraten, die Organisationen des
Heeres und der Flotte zu überwachen und die Einheitlichkeit der Verwendung
dieser beiden im Kriege durch geeignete Maßnahmen vorzubereiten. Der Oberste
Rat, der sich zusammensetzt aus dem Ministerpräsidenten, den Ministern des
Krieges und der Marine, den Chefs des Generalstabes und der Marine und
den zu Armee- und Flottenführern im Kriege ausersehenen Generalen und
Admiralen, soll mindestens einmal in jedem Jahre zu einer Konferenz zusammen¬
treten. Casana hat es sich angelegen sein lassen, die Macht und den Einfluß
des Rates zu stärken. Sonst hat auch der neue Minister, gleich wie die meisten
seiner militärischen Vorgänger, mit seinen vielen Bemühungen, wirksame Reformen
für die Armee durchzusetzen, bisher wenig Erfolg gehabt. Schuld daran trägt,
zum Teil wenigstens, die unglückliche Institution des parlamentarischen Unter¬
suchungsausschusses, der sich in alle Dinge mischt und mit seinen Vorschlägen
und Berichten noch immer keinen Abschluß gefunden hat. Die ihm übertragnen
Aufträge sind auf seinen Wunsch bis zum Juni dieses Jahres verlängert worden.
In allen diesen Verhältnissen ist auch der Grund zu suchen, daß sich die Ent¬
scheidung in der Frage des neuen Feldgeschützmaterials solange verzögert hat,
und die beabsichtigte Vermehrung der Kavallerie sowie die Einrichtung von vier
Armeeinspektionen schweben sogar heute noch in der Luft. Nur die Aufbesserung
der Offiziersgehalte ist endlich zur Tatsache geworden, nachdem sie über fünf¬
undzwanzig Jahre die Volksvertreter unter den verschiednen Ministerien be¬
schäftigt hatte. Das Wesentliche dieser Vorteile ist zunächst, daß sie nicht allen
Offizieren zuteil werden, sondern erst beginnen nach zehnjähriger Leutnantszeit.
Dann erhält der Offizier, anstatt jetzt jährlich 3200, 3400 Lire. Der Anfangs¬
gehalt des Hauptmanns wurde um 600 Lire erhöht und beträgt jetzt 4000 Lire.
Den größten Sprung in der Gehaltssteigerung hat der Hauptmann gemacht,
der fünfundzwanzig Jahre Offizier, aber noch nicht fünf Jahre in seinem Range
ist! er bekommt jetzt 4800 Lire anstatt früher nur 3800.


Militärische Rückblicke auf das Zahr ^08

seinem Ausscheiden in einem besondern Erlaß gefordert und begründet hatte,
wieder aufhob. General Pollio, der am 1. Juli dem langjährigen Chef des
Generalstabes Valetta im Amte gefolgt war, ist dadurch wieder in denselben
bescheidnen Tätigkeitsrahmen seiner Vorgänger gerückt und hat in allen großen
Fragen der Landesverteidigung keine entscheidende Stimme. Seine ganze
Selbständigkeit beschränkt sich einzig darauf, daß er befugt ist, wenn es ihm
zweckmäßig erscheint, durch die Generalinspekteure der Artillerie und des Genies
die ständigen Kommissionen dieser beiden Waffen zu einer Sitzung einzuberufen
oder eine Plenarversammlung anzusetzen. In diesem Falle führt der General¬
stabschef den Vorsitz. Gegenüber diesen etwas eingeschränkten Funktionen des
obersten Chefs des Generalstabes bilden die kürzlich erfolgte Erneuerung des
Obersten Rates der Landesverteidigung und der im Vorjahre geschaffne Heeresrat
zwei Tatsachen von weitreichender Bedeutung. Ganz besonders gilt das von
der zuerst genannten Behörde, deren Aufgabe es ist, alle die großen die
Landesverteidigung betreffenden Fragen zu beraten, die Organisationen des
Heeres und der Flotte zu überwachen und die Einheitlichkeit der Verwendung
dieser beiden im Kriege durch geeignete Maßnahmen vorzubereiten. Der Oberste
Rat, der sich zusammensetzt aus dem Ministerpräsidenten, den Ministern des
Krieges und der Marine, den Chefs des Generalstabes und der Marine und
den zu Armee- und Flottenführern im Kriege ausersehenen Generalen und
Admiralen, soll mindestens einmal in jedem Jahre zu einer Konferenz zusammen¬
treten. Casana hat es sich angelegen sein lassen, die Macht und den Einfluß
des Rates zu stärken. Sonst hat auch der neue Minister, gleich wie die meisten
seiner militärischen Vorgänger, mit seinen vielen Bemühungen, wirksame Reformen
für die Armee durchzusetzen, bisher wenig Erfolg gehabt. Schuld daran trägt,
zum Teil wenigstens, die unglückliche Institution des parlamentarischen Unter¬
suchungsausschusses, der sich in alle Dinge mischt und mit seinen Vorschlägen
und Berichten noch immer keinen Abschluß gefunden hat. Die ihm übertragnen
Aufträge sind auf seinen Wunsch bis zum Juni dieses Jahres verlängert worden.
In allen diesen Verhältnissen ist auch der Grund zu suchen, daß sich die Ent¬
scheidung in der Frage des neuen Feldgeschützmaterials solange verzögert hat,
und die beabsichtigte Vermehrung der Kavallerie sowie die Einrichtung von vier
Armeeinspektionen schweben sogar heute noch in der Luft. Nur die Aufbesserung
der Offiziersgehalte ist endlich zur Tatsache geworden, nachdem sie über fünf¬
undzwanzig Jahre die Volksvertreter unter den verschiednen Ministerien be¬
schäftigt hatte. Das Wesentliche dieser Vorteile ist zunächst, daß sie nicht allen
Offizieren zuteil werden, sondern erst beginnen nach zehnjähriger Leutnantszeit.
Dann erhält der Offizier, anstatt jetzt jährlich 3200, 3400 Lire. Der Anfangs¬
gehalt des Hauptmanns wurde um 600 Lire erhöht und beträgt jetzt 4000 Lire.
Den größten Sprung in der Gehaltssteigerung hat der Hauptmann gemacht,
der fünfundzwanzig Jahre Offizier, aber noch nicht fünf Jahre in seinem Range
ist! er bekommt jetzt 4800 Lire anstatt früher nur 3800.


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[0125] Militärische Rückblicke auf das Zahr ^08 seinem Ausscheiden in einem besondern Erlaß gefordert und begründet hatte, wieder aufhob. General Pollio, der am 1. Juli dem langjährigen Chef des Generalstabes Valetta im Amte gefolgt war, ist dadurch wieder in denselben bescheidnen Tätigkeitsrahmen seiner Vorgänger gerückt und hat in allen großen Fragen der Landesverteidigung keine entscheidende Stimme. Seine ganze Selbständigkeit beschränkt sich einzig darauf, daß er befugt ist, wenn es ihm zweckmäßig erscheint, durch die Generalinspekteure der Artillerie und des Genies die ständigen Kommissionen dieser beiden Waffen zu einer Sitzung einzuberufen oder eine Plenarversammlung anzusetzen. In diesem Falle führt der General¬ stabschef den Vorsitz. Gegenüber diesen etwas eingeschränkten Funktionen des obersten Chefs des Generalstabes bilden die kürzlich erfolgte Erneuerung des Obersten Rates der Landesverteidigung und der im Vorjahre geschaffne Heeresrat zwei Tatsachen von weitreichender Bedeutung. Ganz besonders gilt das von der zuerst genannten Behörde, deren Aufgabe es ist, alle die großen die Landesverteidigung betreffenden Fragen zu beraten, die Organisationen des Heeres und der Flotte zu überwachen und die Einheitlichkeit der Verwendung dieser beiden im Kriege durch geeignete Maßnahmen vorzubereiten. Der Oberste Rat, der sich zusammensetzt aus dem Ministerpräsidenten, den Ministern des Krieges und der Marine, den Chefs des Generalstabes und der Marine und den zu Armee- und Flottenführern im Kriege ausersehenen Generalen und Admiralen, soll mindestens einmal in jedem Jahre zu einer Konferenz zusammen¬ treten. Casana hat es sich angelegen sein lassen, die Macht und den Einfluß des Rates zu stärken. Sonst hat auch der neue Minister, gleich wie die meisten seiner militärischen Vorgänger, mit seinen vielen Bemühungen, wirksame Reformen für die Armee durchzusetzen, bisher wenig Erfolg gehabt. Schuld daran trägt, zum Teil wenigstens, die unglückliche Institution des parlamentarischen Unter¬ suchungsausschusses, der sich in alle Dinge mischt und mit seinen Vorschlägen und Berichten noch immer keinen Abschluß gefunden hat. Die ihm übertragnen Aufträge sind auf seinen Wunsch bis zum Juni dieses Jahres verlängert worden. In allen diesen Verhältnissen ist auch der Grund zu suchen, daß sich die Ent¬ scheidung in der Frage des neuen Feldgeschützmaterials solange verzögert hat, und die beabsichtigte Vermehrung der Kavallerie sowie die Einrichtung von vier Armeeinspektionen schweben sogar heute noch in der Luft. Nur die Aufbesserung der Offiziersgehalte ist endlich zur Tatsache geworden, nachdem sie über fünf¬ undzwanzig Jahre die Volksvertreter unter den verschiednen Ministerien be¬ schäftigt hatte. Das Wesentliche dieser Vorteile ist zunächst, daß sie nicht allen Offizieren zuteil werden, sondern erst beginnen nach zehnjähriger Leutnantszeit. Dann erhält der Offizier, anstatt jetzt jährlich 3200, 3400 Lire. Der Anfangs¬ gehalt des Hauptmanns wurde um 600 Lire erhöht und beträgt jetzt 4000 Lire. Den größten Sprung in der Gehaltssteigerung hat der Hauptmann gemacht, der fünfundzwanzig Jahre Offizier, aber noch nicht fünf Jahre in seinem Range ist! er bekommt jetzt 4800 Lire anstatt früher nur 3800.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/125>, abgerufen am 23.07.2024.