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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Siena

ihm den Kardinalshut aufsetzt. Dann sehn wir ihn zum Papst gekrönt, dann in einem
Konzil, bei dem im Hintergrunde wieder so ein merkwürdiger Baum neben einer
Zypresse emporragt. Das folgende Bild ist vielleicht das steifste in der Komposition,
aber stofflich bedeutet es einen Glanzpunkt in Sieuas Geschichte: die Heiligsprechung
der Katharina, der Verlobten Christi, die als Friedensstifterin so günstigen Einfluß
auf die Kirchenpolitik ihrer Zeit gehabt hat. Sienas größte Tochter heilig gesprochen
durch Sienas größten Sohn! Ein erhebender Gedanke! (Enea Silvio ist nicht in
Siena selbst geboren, aber ganz in der Nähe in einem Flecken Corsignano, dem
nach ihm genannten heutigen Pienza, wo noch jetzt Piccolomini in ihrem alten Palaste
wohnen.) Und schließlich sehn wir den Heiligen Vater am Ziel seiner Wünsche und
am Ende seines Lebens angelangt. Er ist in Ancona. um den solange von ihm
geplanten Kreuzzug gegen die Türken zu beschleunigen. In, Hafen wartet schon die
Flotte. Auch der Wind ist bereit, denn wir sehn die Zweige einer hohen Zypresse
lebhaft bewegt, eine jener "langstieligen" Zypressen, die mich selbst in der poetischsten
Stimmung an Pinsel oder gar an Lampenputzer erinnern konnten. Und doch wie
fehlen sie mir schon, die schlanken, dunkeln Kinder jener glücklichern Gefilde! Wie
Julius der Zweite bei der Bestrafung des Heliodor wird Pius in einer Sänfte
getragen, von schönen Jünglingen, die würdig wären, aus der Phantasie des Perugino
entsprungen zu sein. Der weißbärtige Doge von Venedig im faltigen pelzverbrämten
Mantel kniet vor ihm wie der älteste der heiligen drei Könige auf so vielen ackora^ioni
asi maAi. Prächtige Orientalen im Turban erscheinen wie Gestalten aus Tausend
und einer Nacht.

Wenn die Sonne in den hochgewölbten Raum hineiuflutet, weckt sie rings
an den Wänden den strahlendsten Festesglanz. Das wimmelt von Rittern, Mönchen,
Bischöfen, Pagen und Edeldamen, die in die kostbarsten Stoffe gekleidet sind. Es
blitzt das Gold der Königskronen und der päpstlichen Tiaren. Es blitzen die Sporen
an den Schnabelschuhen und die Geschmeide an Menschen und Pferden. Es ist,
als habe man kurz vor dem gänzlichen Verfall des Rittertums einige seiner letzten
Vertreter hier eingeschlossen und durch einen Zauberspruch an die Wände versetzt.

Die Statisten in diesem Festspiel führen ihre Rolle nicht allzu geschickt durch.
Manche zeigen in ihrer Stellung eine fatale Ähnlichkeit mit dem Coeurbuben oder
der Trefledame in einem Kartenspiel. Mir fiel diese Verwandtschaft plötzlich bei
einer gewissen mehrmals wiederkehrenden Handhaltuug auf, die ich nie bei lebenden
Menschen, sondern nur auf Spielkarten gesehn habe. Es wird nämlich bei sonst
geschlossener Hand der Zeigefinger ausgestreckt, ohne daß man auf etwas zeigen
will, und die Hand ist zu tief gehalten, als daß man eine Geste des Lauschers
damit andeuten könne. Das glänzendste Beispiel hierfür bietet der Dominikaner im
Vordergrund auf der "Heiligsprechung Katharinens". Auch kümmern sich die Neben¬
personen herzlich wenig umeinander, und sie sehn aus, als vergäßen sie vollständig
das berühmte Volksgemurmel in Szene zu setzen. Doch sind prächtige Köpfe und
Gestalten darunter, und das Ganze fesselt durch seine träumerische Pracht.

Es ist sehr wohltuend, daß der Custode sich zurückzieht. So bleibt man in
dem kleinen Sanktuarium sich selbst überlassen, und wenn man, wie ich, der einzige
Fremde ist, kann man sich ungestört seinen Betrachtungen hingeben. Von der Decke,
die mit reizenden Grottesken belebt ist, und von den Wänden grüßen die goldnen
Halbmonde der Piccolomini auf blauem Kreuze, die hier mit dem Schlüssel Petri
vereinigt sind. In der Mitte steht eine hübsche antike, leider recht beschädigte Gruppe
der drei Grazien, ein Geschenk des Stifters der Bibliothek, des Francesco Todeschini,
des Neffen Pius des Zweiten, der als Pius der Dritte sehr kurz die Kirche regiert
hat. Seine Krönung hat Pinturicchio im Innern des Domes über dem Eingang
zur Libreria dargestellt.


Siena

ihm den Kardinalshut aufsetzt. Dann sehn wir ihn zum Papst gekrönt, dann in einem
Konzil, bei dem im Hintergrunde wieder so ein merkwürdiger Baum neben einer
Zypresse emporragt. Das folgende Bild ist vielleicht das steifste in der Komposition,
aber stofflich bedeutet es einen Glanzpunkt in Sieuas Geschichte: die Heiligsprechung
der Katharina, der Verlobten Christi, die als Friedensstifterin so günstigen Einfluß
auf die Kirchenpolitik ihrer Zeit gehabt hat. Sienas größte Tochter heilig gesprochen
durch Sienas größten Sohn! Ein erhebender Gedanke! (Enea Silvio ist nicht in
Siena selbst geboren, aber ganz in der Nähe in einem Flecken Corsignano, dem
nach ihm genannten heutigen Pienza, wo noch jetzt Piccolomini in ihrem alten Palaste
wohnen.) Und schließlich sehn wir den Heiligen Vater am Ziel seiner Wünsche und
am Ende seines Lebens angelangt. Er ist in Ancona. um den solange von ihm
geplanten Kreuzzug gegen die Türken zu beschleunigen. In, Hafen wartet schon die
Flotte. Auch der Wind ist bereit, denn wir sehn die Zweige einer hohen Zypresse
lebhaft bewegt, eine jener „langstieligen" Zypressen, die mich selbst in der poetischsten
Stimmung an Pinsel oder gar an Lampenputzer erinnern konnten. Und doch wie
fehlen sie mir schon, die schlanken, dunkeln Kinder jener glücklichern Gefilde! Wie
Julius der Zweite bei der Bestrafung des Heliodor wird Pius in einer Sänfte
getragen, von schönen Jünglingen, die würdig wären, aus der Phantasie des Perugino
entsprungen zu sein. Der weißbärtige Doge von Venedig im faltigen pelzverbrämten
Mantel kniet vor ihm wie der älteste der heiligen drei Könige auf so vielen ackora^ioni
asi maAi. Prächtige Orientalen im Turban erscheinen wie Gestalten aus Tausend
und einer Nacht.

Wenn die Sonne in den hochgewölbten Raum hineiuflutet, weckt sie rings
an den Wänden den strahlendsten Festesglanz. Das wimmelt von Rittern, Mönchen,
Bischöfen, Pagen und Edeldamen, die in die kostbarsten Stoffe gekleidet sind. Es
blitzt das Gold der Königskronen und der päpstlichen Tiaren. Es blitzen die Sporen
an den Schnabelschuhen und die Geschmeide an Menschen und Pferden. Es ist,
als habe man kurz vor dem gänzlichen Verfall des Rittertums einige seiner letzten
Vertreter hier eingeschlossen und durch einen Zauberspruch an die Wände versetzt.

Die Statisten in diesem Festspiel führen ihre Rolle nicht allzu geschickt durch.
Manche zeigen in ihrer Stellung eine fatale Ähnlichkeit mit dem Coeurbuben oder
der Trefledame in einem Kartenspiel. Mir fiel diese Verwandtschaft plötzlich bei
einer gewissen mehrmals wiederkehrenden Handhaltuug auf, die ich nie bei lebenden
Menschen, sondern nur auf Spielkarten gesehn habe. Es wird nämlich bei sonst
geschlossener Hand der Zeigefinger ausgestreckt, ohne daß man auf etwas zeigen
will, und die Hand ist zu tief gehalten, als daß man eine Geste des Lauschers
damit andeuten könne. Das glänzendste Beispiel hierfür bietet der Dominikaner im
Vordergrund auf der „Heiligsprechung Katharinens". Auch kümmern sich die Neben¬
personen herzlich wenig umeinander, und sie sehn aus, als vergäßen sie vollständig
das berühmte Volksgemurmel in Szene zu setzen. Doch sind prächtige Köpfe und
Gestalten darunter, und das Ganze fesselt durch seine träumerische Pracht.

Es ist sehr wohltuend, daß der Custode sich zurückzieht. So bleibt man in
dem kleinen Sanktuarium sich selbst überlassen, und wenn man, wie ich, der einzige
Fremde ist, kann man sich ungestört seinen Betrachtungen hingeben. Von der Decke,
die mit reizenden Grottesken belebt ist, und von den Wänden grüßen die goldnen
Halbmonde der Piccolomini auf blauem Kreuze, die hier mit dem Schlüssel Petri
vereinigt sind. In der Mitte steht eine hübsche antike, leider recht beschädigte Gruppe
der drei Grazien, ein Geschenk des Stifters der Bibliothek, des Francesco Todeschini,
des Neffen Pius des Zweiten, der als Pius der Dritte sehr kurz die Kirche regiert
hat. Seine Krönung hat Pinturicchio im Innern des Domes über dem Eingang
zur Libreria dargestellt.


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[0637] Siena ihm den Kardinalshut aufsetzt. Dann sehn wir ihn zum Papst gekrönt, dann in einem Konzil, bei dem im Hintergrunde wieder so ein merkwürdiger Baum neben einer Zypresse emporragt. Das folgende Bild ist vielleicht das steifste in der Komposition, aber stofflich bedeutet es einen Glanzpunkt in Sieuas Geschichte: die Heiligsprechung der Katharina, der Verlobten Christi, die als Friedensstifterin so günstigen Einfluß auf die Kirchenpolitik ihrer Zeit gehabt hat. Sienas größte Tochter heilig gesprochen durch Sienas größten Sohn! Ein erhebender Gedanke! (Enea Silvio ist nicht in Siena selbst geboren, aber ganz in der Nähe in einem Flecken Corsignano, dem nach ihm genannten heutigen Pienza, wo noch jetzt Piccolomini in ihrem alten Palaste wohnen.) Und schließlich sehn wir den Heiligen Vater am Ziel seiner Wünsche und am Ende seines Lebens angelangt. Er ist in Ancona. um den solange von ihm geplanten Kreuzzug gegen die Türken zu beschleunigen. In, Hafen wartet schon die Flotte. Auch der Wind ist bereit, denn wir sehn die Zweige einer hohen Zypresse lebhaft bewegt, eine jener „langstieligen" Zypressen, die mich selbst in der poetischsten Stimmung an Pinsel oder gar an Lampenputzer erinnern konnten. Und doch wie fehlen sie mir schon, die schlanken, dunkeln Kinder jener glücklichern Gefilde! Wie Julius der Zweite bei der Bestrafung des Heliodor wird Pius in einer Sänfte getragen, von schönen Jünglingen, die würdig wären, aus der Phantasie des Perugino entsprungen zu sein. Der weißbärtige Doge von Venedig im faltigen pelzverbrämten Mantel kniet vor ihm wie der älteste der heiligen drei Könige auf so vielen ackora^ioni asi maAi. Prächtige Orientalen im Turban erscheinen wie Gestalten aus Tausend und einer Nacht. Wenn die Sonne in den hochgewölbten Raum hineiuflutet, weckt sie rings an den Wänden den strahlendsten Festesglanz. Das wimmelt von Rittern, Mönchen, Bischöfen, Pagen und Edeldamen, die in die kostbarsten Stoffe gekleidet sind. Es blitzt das Gold der Königskronen und der päpstlichen Tiaren. Es blitzen die Sporen an den Schnabelschuhen und die Geschmeide an Menschen und Pferden. Es ist, als habe man kurz vor dem gänzlichen Verfall des Rittertums einige seiner letzten Vertreter hier eingeschlossen und durch einen Zauberspruch an die Wände versetzt. Die Statisten in diesem Festspiel führen ihre Rolle nicht allzu geschickt durch. Manche zeigen in ihrer Stellung eine fatale Ähnlichkeit mit dem Coeurbuben oder der Trefledame in einem Kartenspiel. Mir fiel diese Verwandtschaft plötzlich bei einer gewissen mehrmals wiederkehrenden Handhaltuug auf, die ich nie bei lebenden Menschen, sondern nur auf Spielkarten gesehn habe. Es wird nämlich bei sonst geschlossener Hand der Zeigefinger ausgestreckt, ohne daß man auf etwas zeigen will, und die Hand ist zu tief gehalten, als daß man eine Geste des Lauschers damit andeuten könne. Das glänzendste Beispiel hierfür bietet der Dominikaner im Vordergrund auf der „Heiligsprechung Katharinens". Auch kümmern sich die Neben¬ personen herzlich wenig umeinander, und sie sehn aus, als vergäßen sie vollständig das berühmte Volksgemurmel in Szene zu setzen. Doch sind prächtige Köpfe und Gestalten darunter, und das Ganze fesselt durch seine träumerische Pracht. Es ist sehr wohltuend, daß der Custode sich zurückzieht. So bleibt man in dem kleinen Sanktuarium sich selbst überlassen, und wenn man, wie ich, der einzige Fremde ist, kann man sich ungestört seinen Betrachtungen hingeben. Von der Decke, die mit reizenden Grottesken belebt ist, und von den Wänden grüßen die goldnen Halbmonde der Piccolomini auf blauem Kreuze, die hier mit dem Schlüssel Petri vereinigt sind. In der Mitte steht eine hübsche antike, leider recht beschädigte Gruppe der drei Grazien, ein Geschenk des Stifters der Bibliothek, des Francesco Todeschini, des Neffen Pius des Zweiten, der als Pius der Dritte sehr kurz die Kirche regiert hat. Seine Krönung hat Pinturicchio im Innern des Domes über dem Eingang zur Libreria dargestellt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/637>, abgerufen am 21.06.2024.