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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Siena

Wenn ich aus dem Hauptportal heraustrat und den Platz vor mir sah, der
sich rechts bis zum bischöflichen Palaste ausdehnt, dann fiel mir immer die hübsche
Episode ein, die uns in den Korstti al Ls,n Uranossc-o berichtet wird, und der
zufolge der liebenswürdige Mystiker auch nach Siena gekommen ist. Selbst auf die
Gefahr hin, daß manche sie vielleicht schon kennen, möchte ich mir nicht versagen,
sie hier einzuflechten, weil sie gleich charakteristisch ist für den originellen umbrischen
Heiligen wie für die lebhaften streitsüchtigen Sienesen:

Als Se. Franziskus eines Tages mit Bruder Masseo zusammen wanderte und
Bruder Masseo ein Stück vorneweg ging, kamen sie an einen Kreuzweg, von wo
man nach drei Seiten gehn konnte, nach Florenz, nach Siena und nach Arezzo.
Da sprach Bruder Masseo: Vater, welche Straße sollen wir gehn? Se. Franziskus
antwortete: Welche Gott will. Da sagte Bruder Masseo: Wie sollen wir aber
Gottes Willen erfahren? Se. Franziskus erwiderte: Am Zeichen, das ich dir geben
werde: ich befehle dir nun bei dem heiligen Gehorsam, daß du an diesem Kreuzwege
auf diesem Fleck, da du eben stehest, dich immer rundum drehest, wie es die Kinder
zu tun pflegen, und nicht eher dich zu drehen aufhörest, als bis ich es dir sage.
Da fing Bruder Masseo sich zu drehen an und drehte sich so lange herum, daß
es ihm im Kopfe schwindlig ward, wie es zu kommen Pflegt, wenn man sich so
dreht, und daß er mehreremale umfiel; aber da ihn Se. Franziskus nicht aufhören
ließ, und er getreulich folgen wollte, stand er immer wieder auf. Endlich, als er
sich ganz unbändig drehte, sprach Se. Franziskus: Bleibe nun stehn und rühre dich
nicht. Und er blieb stehn, und Se. Franziskus fragte ihn: Wohinwärts steht dir
das Antlitz? Antwortete Bruder Masseo: Gen Siena. Da sagte Se. Franziskus:
Das ist der Weg, den Gott will, daß wir gehn sollen. Während sie nun auf dieser
Straße dahin zogen, fand das Bruder Masseo höchst sonderbar, was Se. Franziskus
ihn hatte tun lassen, ganz wie die Kinder, und vor Laien, die vorüberkamen.
Doch aus Ehrfurcht wagte er nicht, dem heiligen Vater etwas zu sagen. Als sie
sich nun Siena näherten, hörte das Volk von dem Kommen des Heiligen und zog
hinaus ihm entgegen; und aus Verehrung trugen sie ihn mit seinem Gefährten bis
zu dem Palaste des Bischofs, also daß ihre Füße die Erde nicht berührten. Um
dieselbe Stunde hatten einige Männer von Siena Streit miteinander angefangen,
und schon waren ihrer zwei gefallen. Doch da kam Se. Franziskus hinzu und
predigte vor ihnen so fromm und heilig, daß er sie alle untereinander zum Frieden
brachte und zu Einverständnis und großer Einigkeit. Als der Bischof von Siena
von dieser heiligen Tat hörte, die Se. Franziskus vollbracht hatte, lud er ihn zu
sich ein und nahm ihn mit hohen Ehren auf für jenen Tag und auch für die Nacht.
Se. Franziskus aber, der wahrhaftig demütig war und in seinen Werken nur nach
Gottes Ehre trachtete, stand an dem folgenden Morgen in aller Frühe auf und
ging mit seinem Gefährten ohne Wissen des Bischofs davon.

Er muß eine ungeheure Gewalt gehabt haben über die menschlichen Gemüter,
dieser schlichte, reine, gottbegeisterte heilige Franz! Die Sienesen jener Tage durch
Worte zum Frieden zu bringen erscheint fast ebenso unmöglich und wunderbar wie
die anmutige Legende von der Bekehrung des grimmigen Wolfes von Gubbio, der
nachher ein sanfter Frate Lupo wurde.

Sehr gern erinnere ich mich einer Wanderung vom Domplatz aus durch die
Stadt nach Norden hin. Da kam ich schließlich über einen von kräftigen Bäumen
beschatteten Rasenplatz nach San Domenico, wo in einer Sakristei das Porträt der
heiligen Katharina von Andrea Vanni hängt. Es ist rührend in seiner noch etwas
unbeholfnen befangnen Art, rührend in seiner Einfachheit und Anspruchslosigkeit.
Katharina ist als Dominikanerin dargestellt und trägt einen Lilienstengel, während
sie mit der freien Hand einer vor ihr knienden Frau Trost zu spenden scheint. So


Siena

Wenn ich aus dem Hauptportal heraustrat und den Platz vor mir sah, der
sich rechts bis zum bischöflichen Palaste ausdehnt, dann fiel mir immer die hübsche
Episode ein, die uns in den Korstti al Ls,n Uranossc-o berichtet wird, und der
zufolge der liebenswürdige Mystiker auch nach Siena gekommen ist. Selbst auf die
Gefahr hin, daß manche sie vielleicht schon kennen, möchte ich mir nicht versagen,
sie hier einzuflechten, weil sie gleich charakteristisch ist für den originellen umbrischen
Heiligen wie für die lebhaften streitsüchtigen Sienesen:

Als Se. Franziskus eines Tages mit Bruder Masseo zusammen wanderte und
Bruder Masseo ein Stück vorneweg ging, kamen sie an einen Kreuzweg, von wo
man nach drei Seiten gehn konnte, nach Florenz, nach Siena und nach Arezzo.
Da sprach Bruder Masseo: Vater, welche Straße sollen wir gehn? Se. Franziskus
antwortete: Welche Gott will. Da sagte Bruder Masseo: Wie sollen wir aber
Gottes Willen erfahren? Se. Franziskus erwiderte: Am Zeichen, das ich dir geben
werde: ich befehle dir nun bei dem heiligen Gehorsam, daß du an diesem Kreuzwege
auf diesem Fleck, da du eben stehest, dich immer rundum drehest, wie es die Kinder
zu tun pflegen, und nicht eher dich zu drehen aufhörest, als bis ich es dir sage.
Da fing Bruder Masseo sich zu drehen an und drehte sich so lange herum, daß
es ihm im Kopfe schwindlig ward, wie es zu kommen Pflegt, wenn man sich so
dreht, und daß er mehreremale umfiel; aber da ihn Se. Franziskus nicht aufhören
ließ, und er getreulich folgen wollte, stand er immer wieder auf. Endlich, als er
sich ganz unbändig drehte, sprach Se. Franziskus: Bleibe nun stehn und rühre dich
nicht. Und er blieb stehn, und Se. Franziskus fragte ihn: Wohinwärts steht dir
das Antlitz? Antwortete Bruder Masseo: Gen Siena. Da sagte Se. Franziskus:
Das ist der Weg, den Gott will, daß wir gehn sollen. Während sie nun auf dieser
Straße dahin zogen, fand das Bruder Masseo höchst sonderbar, was Se. Franziskus
ihn hatte tun lassen, ganz wie die Kinder, und vor Laien, die vorüberkamen.
Doch aus Ehrfurcht wagte er nicht, dem heiligen Vater etwas zu sagen. Als sie
sich nun Siena näherten, hörte das Volk von dem Kommen des Heiligen und zog
hinaus ihm entgegen; und aus Verehrung trugen sie ihn mit seinem Gefährten bis
zu dem Palaste des Bischofs, also daß ihre Füße die Erde nicht berührten. Um
dieselbe Stunde hatten einige Männer von Siena Streit miteinander angefangen,
und schon waren ihrer zwei gefallen. Doch da kam Se. Franziskus hinzu und
predigte vor ihnen so fromm und heilig, daß er sie alle untereinander zum Frieden
brachte und zu Einverständnis und großer Einigkeit. Als der Bischof von Siena
von dieser heiligen Tat hörte, die Se. Franziskus vollbracht hatte, lud er ihn zu
sich ein und nahm ihn mit hohen Ehren auf für jenen Tag und auch für die Nacht.
Se. Franziskus aber, der wahrhaftig demütig war und in seinen Werken nur nach
Gottes Ehre trachtete, stand an dem folgenden Morgen in aller Frühe auf und
ging mit seinem Gefährten ohne Wissen des Bischofs davon.

Er muß eine ungeheure Gewalt gehabt haben über die menschlichen Gemüter,
dieser schlichte, reine, gottbegeisterte heilige Franz! Die Sienesen jener Tage durch
Worte zum Frieden zu bringen erscheint fast ebenso unmöglich und wunderbar wie
die anmutige Legende von der Bekehrung des grimmigen Wolfes von Gubbio, der
nachher ein sanfter Frate Lupo wurde.

Sehr gern erinnere ich mich einer Wanderung vom Domplatz aus durch die
Stadt nach Norden hin. Da kam ich schließlich über einen von kräftigen Bäumen
beschatteten Rasenplatz nach San Domenico, wo in einer Sakristei das Porträt der
heiligen Katharina von Andrea Vanni hängt. Es ist rührend in seiner noch etwas
unbeholfnen befangnen Art, rührend in seiner Einfachheit und Anspruchslosigkeit.
Katharina ist als Dominikanerin dargestellt und trägt einen Lilienstengel, während
sie mit der freien Hand einer vor ihr knienden Frau Trost zu spenden scheint. So


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[0638] Siena Wenn ich aus dem Hauptportal heraustrat und den Platz vor mir sah, der sich rechts bis zum bischöflichen Palaste ausdehnt, dann fiel mir immer die hübsche Episode ein, die uns in den Korstti al Ls,n Uranossc-o berichtet wird, und der zufolge der liebenswürdige Mystiker auch nach Siena gekommen ist. Selbst auf die Gefahr hin, daß manche sie vielleicht schon kennen, möchte ich mir nicht versagen, sie hier einzuflechten, weil sie gleich charakteristisch ist für den originellen umbrischen Heiligen wie für die lebhaften streitsüchtigen Sienesen: Als Se. Franziskus eines Tages mit Bruder Masseo zusammen wanderte und Bruder Masseo ein Stück vorneweg ging, kamen sie an einen Kreuzweg, von wo man nach drei Seiten gehn konnte, nach Florenz, nach Siena und nach Arezzo. Da sprach Bruder Masseo: Vater, welche Straße sollen wir gehn? Se. Franziskus antwortete: Welche Gott will. Da sagte Bruder Masseo: Wie sollen wir aber Gottes Willen erfahren? Se. Franziskus erwiderte: Am Zeichen, das ich dir geben werde: ich befehle dir nun bei dem heiligen Gehorsam, daß du an diesem Kreuzwege auf diesem Fleck, da du eben stehest, dich immer rundum drehest, wie es die Kinder zu tun pflegen, und nicht eher dich zu drehen aufhörest, als bis ich es dir sage. Da fing Bruder Masseo sich zu drehen an und drehte sich so lange herum, daß es ihm im Kopfe schwindlig ward, wie es zu kommen Pflegt, wenn man sich so dreht, und daß er mehreremale umfiel; aber da ihn Se. Franziskus nicht aufhören ließ, und er getreulich folgen wollte, stand er immer wieder auf. Endlich, als er sich ganz unbändig drehte, sprach Se. Franziskus: Bleibe nun stehn und rühre dich nicht. Und er blieb stehn, und Se. Franziskus fragte ihn: Wohinwärts steht dir das Antlitz? Antwortete Bruder Masseo: Gen Siena. Da sagte Se. Franziskus: Das ist der Weg, den Gott will, daß wir gehn sollen. Während sie nun auf dieser Straße dahin zogen, fand das Bruder Masseo höchst sonderbar, was Se. Franziskus ihn hatte tun lassen, ganz wie die Kinder, und vor Laien, die vorüberkamen. Doch aus Ehrfurcht wagte er nicht, dem heiligen Vater etwas zu sagen. Als sie sich nun Siena näherten, hörte das Volk von dem Kommen des Heiligen und zog hinaus ihm entgegen; und aus Verehrung trugen sie ihn mit seinem Gefährten bis zu dem Palaste des Bischofs, also daß ihre Füße die Erde nicht berührten. Um dieselbe Stunde hatten einige Männer von Siena Streit miteinander angefangen, und schon waren ihrer zwei gefallen. Doch da kam Se. Franziskus hinzu und predigte vor ihnen so fromm und heilig, daß er sie alle untereinander zum Frieden brachte und zu Einverständnis und großer Einigkeit. Als der Bischof von Siena von dieser heiligen Tat hörte, die Se. Franziskus vollbracht hatte, lud er ihn zu sich ein und nahm ihn mit hohen Ehren auf für jenen Tag und auch für die Nacht. Se. Franziskus aber, der wahrhaftig demütig war und in seinen Werken nur nach Gottes Ehre trachtete, stand an dem folgenden Morgen in aller Frühe auf und ging mit seinem Gefährten ohne Wissen des Bischofs davon. Er muß eine ungeheure Gewalt gehabt haben über die menschlichen Gemüter, dieser schlichte, reine, gottbegeisterte heilige Franz! Die Sienesen jener Tage durch Worte zum Frieden zu bringen erscheint fast ebenso unmöglich und wunderbar wie die anmutige Legende von der Bekehrung des grimmigen Wolfes von Gubbio, der nachher ein sanfter Frate Lupo wurde. Sehr gern erinnere ich mich einer Wanderung vom Domplatz aus durch die Stadt nach Norden hin. Da kam ich schließlich über einen von kräftigen Bäumen beschatteten Rasenplatz nach San Domenico, wo in einer Sakristei das Porträt der heiligen Katharina von Andrea Vanni hängt. Es ist rührend in seiner noch etwas unbeholfnen befangnen Art, rührend in seiner Einfachheit und Anspruchslosigkeit. Katharina ist als Dominikanerin dargestellt und trägt einen Lilienstengel, während sie mit der freien Hand einer vor ihr knienden Frau Trost zu spenden scheint. So

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/638>, abgerufen am 21.06.2024.