Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens

Kasten mit Wachsabdichtung auf Lagern verpackt, die mit Filz gefüttert sind.
Die Hülsen und die Ladung werden so gegen die Stöße beim Transport ge¬
sichert und lagcrbeständiger. Seit dem Jahre 1892 werden zur weitern Erhöhung
der Lagerbeständigkeit kupferne Hülsen anstatt der stählernen verwandt.

So arbeitet das Feuerwerkslaboratorium still aber stetig an der Verbesserung
der Nettungsgeschosse.

Die deutschen Rettungsraketen werden in ihren Leistungen von keinem
andern Rettungsgeschoß übertroffen. Bis zum 1. Januar 1907 sind 506 Per¬
sonen durch deutsche Raketenapparate aus Seenot gerettet worden. Das Rettungs¬
geschoß dürfte längst den Schaden wieder ausgeglichen haben, den es in seiner
wilden Zeit als Spreng- und Zündgeschoß der Menschheit gebracht hat. Mit
Genehmigung des Kriegsministeriums wurden im Laufe der Jahre Rettungs¬
raketen nach Rußland, Spanien. Portugal, Frankreich, Rumänien und nach den
Vereinigten Staaten von Amerika geliefert.

Der Lakonismus, womit ich die Entwicklung der Rettungsrakete seit dem
Jahre 1866 schildern mußte, verrät die lautere und bescheidne Quelle, aus der
ich schöpfte: die Mitteilungen der Direktion des militärischen Instituts, das sich
durch diese Arbeiten um die Menschheit verdient gemacht hat.




Der preußische Küstenstrich von der Heimat Arndts bis zur Heimat Kants
ist dem Süddeutschen fremd, auch jetzt noch fremd, obwohl zur Sommerzeit
Ströme von Süddeutschen auf dem Wege zum Meer und Ströme von Nord¬
deutschen auf dem Wege zu den Bergen aneinander vorüberrauschen. Schwere
Mühe macht es dem Lehrer in Quinta, seine Schüler mit dem Kartenbilde
jener Gegenden vertraut zu machen, das sie so kalt ansieht, Unbehagen erfaßt
den Leutnant, den das Kriegsspiel an jene einförmig erscheinende Küste führt,
und wenn dem singenden Wandrer bei den Worten: "Es gibt so manche Straße,
da ich noch nicht marschiert, es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch
probiert", überhaupt ein geographischer Begriff vorschwebt -- preußische oder
Pommersche Straßen und Heidekrüge siud es sicher nicht, an die er dabei denkt.
Fremd klingen dem Süddeutschen die Ortsnamen jener Küste, wie aus düstern
Märchen weht es ihn an, wenn er von Arkona, von der Tromper oder der
Prorer Wiek, von Mönchgut, Jershöft, Leba und Hela hört, der Name Vineta
wird in ihm wach, das volle Tageslicht, das auf Namen wie Stettin und
Varzin ruht, verhindert nicht, daß sich, vom Klänge geweckt, in seiner Phantasie
graue Schatten erheben.

Dichter wuchsen dort dem deutschen Volke: Simon Dach sang an der
Bernsteinküste sein Unke von Tharan, bei Stralsund verlebte Arndt seine frohe
Jugend, Swinemünde ist die Jugeudhcimat Fontanes, Löwes Orgelspiel füllte
die Stiftskirche zu Stettin, Eichendorff brachte das Jahrzehnt, das die Jahre


Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens

Kasten mit Wachsabdichtung auf Lagern verpackt, die mit Filz gefüttert sind.
Die Hülsen und die Ladung werden so gegen die Stöße beim Transport ge¬
sichert und lagcrbeständiger. Seit dem Jahre 1892 werden zur weitern Erhöhung
der Lagerbeständigkeit kupferne Hülsen anstatt der stählernen verwandt.

So arbeitet das Feuerwerkslaboratorium still aber stetig an der Verbesserung
der Nettungsgeschosse.

Die deutschen Rettungsraketen werden in ihren Leistungen von keinem
andern Rettungsgeschoß übertroffen. Bis zum 1. Januar 1907 sind 506 Per¬
sonen durch deutsche Raketenapparate aus Seenot gerettet worden. Das Rettungs¬
geschoß dürfte längst den Schaden wieder ausgeglichen haben, den es in seiner
wilden Zeit als Spreng- und Zündgeschoß der Menschheit gebracht hat. Mit
Genehmigung des Kriegsministeriums wurden im Laufe der Jahre Rettungs¬
raketen nach Rußland, Spanien. Portugal, Frankreich, Rumänien und nach den
Vereinigten Staaten von Amerika geliefert.

Der Lakonismus, womit ich die Entwicklung der Rettungsrakete seit dem
Jahre 1866 schildern mußte, verrät die lautere und bescheidne Quelle, aus der
ich schöpfte: die Mitteilungen der Direktion des militärischen Instituts, das sich
durch diese Arbeiten um die Menschheit verdient gemacht hat.




Der preußische Küstenstrich von der Heimat Arndts bis zur Heimat Kants
ist dem Süddeutschen fremd, auch jetzt noch fremd, obwohl zur Sommerzeit
Ströme von Süddeutschen auf dem Wege zum Meer und Ströme von Nord¬
deutschen auf dem Wege zu den Bergen aneinander vorüberrauschen. Schwere
Mühe macht es dem Lehrer in Quinta, seine Schüler mit dem Kartenbilde
jener Gegenden vertraut zu machen, das sie so kalt ansieht, Unbehagen erfaßt
den Leutnant, den das Kriegsspiel an jene einförmig erscheinende Küste führt,
und wenn dem singenden Wandrer bei den Worten: „Es gibt so manche Straße,
da ich noch nicht marschiert, es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch
probiert", überhaupt ein geographischer Begriff vorschwebt — preußische oder
Pommersche Straßen und Heidekrüge siud es sicher nicht, an die er dabei denkt.
Fremd klingen dem Süddeutschen die Ortsnamen jener Küste, wie aus düstern
Märchen weht es ihn an, wenn er von Arkona, von der Tromper oder der
Prorer Wiek, von Mönchgut, Jershöft, Leba und Hela hört, der Name Vineta
wird in ihm wach, das volle Tageslicht, das auf Namen wie Stettin und
Varzin ruht, verhindert nicht, daß sich, vom Klänge geweckt, in seiner Phantasie
graue Schatten erheben.

Dichter wuchsen dort dem deutschen Volke: Simon Dach sang an der
Bernsteinküste sein Unke von Tharan, bei Stralsund verlebte Arndt seine frohe
Jugend, Swinemünde ist die Jugeudhcimat Fontanes, Löwes Orgelspiel füllte
die Stiftskirche zu Stettin, Eichendorff brachte das Jahrzehnt, das die Jahre


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0627" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312312"/>
          <fw type="header" place="top"> Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2467" prev="#ID_2466"> Kasten mit Wachsabdichtung auf Lagern verpackt, die mit Filz gefüttert sind.<lb/>
Die Hülsen und die Ladung werden so gegen die Stöße beim Transport ge¬<lb/>
sichert und lagcrbeständiger. Seit dem Jahre 1892 werden zur weitern Erhöhung<lb/>
der Lagerbeständigkeit kupferne Hülsen anstatt der stählernen verwandt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2468"> So arbeitet das Feuerwerkslaboratorium still aber stetig an der Verbesserung<lb/>
der Nettungsgeschosse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2469"> Die deutschen Rettungsraketen werden in ihren Leistungen von keinem<lb/>
andern Rettungsgeschoß übertroffen. Bis zum 1. Januar 1907 sind 506 Per¬<lb/>
sonen durch deutsche Raketenapparate aus Seenot gerettet worden. Das Rettungs¬<lb/>
geschoß dürfte längst den Schaden wieder ausgeglichen haben, den es in seiner<lb/>
wilden Zeit als Spreng- und Zündgeschoß der Menschheit gebracht hat. Mit<lb/>
Genehmigung des Kriegsministeriums wurden im Laufe der Jahre Rettungs¬<lb/>
raketen nach Rußland, Spanien. Portugal, Frankreich, Rumänien und nach den<lb/>
Vereinigten Staaten von Amerika geliefert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2470"> Der Lakonismus, womit ich die Entwicklung der Rettungsrakete seit dem<lb/>
Jahre 1866 schildern mußte, verrät die lautere und bescheidne Quelle, aus der<lb/>
ich schöpfte: die Mitteilungen der Direktion des militärischen Instituts, das sich<lb/>
durch diese Arbeiten um die Menschheit verdient gemacht hat.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2471"> Der preußische Küstenstrich von der Heimat Arndts bis zur Heimat Kants<lb/>
ist dem Süddeutschen fremd, auch jetzt noch fremd, obwohl zur Sommerzeit<lb/>
Ströme von Süddeutschen auf dem Wege zum Meer und Ströme von Nord¬<lb/>
deutschen auf dem Wege zu den Bergen aneinander vorüberrauschen. Schwere<lb/>
Mühe macht es dem Lehrer in Quinta, seine Schüler mit dem Kartenbilde<lb/>
jener Gegenden vertraut zu machen, das sie so kalt ansieht, Unbehagen erfaßt<lb/>
den Leutnant, den das Kriegsspiel an jene einförmig erscheinende Küste führt,<lb/>
und wenn dem singenden Wandrer bei den Worten: &#x201E;Es gibt so manche Straße,<lb/>
da ich noch nicht marschiert, es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch<lb/>
probiert", überhaupt ein geographischer Begriff vorschwebt &#x2014; preußische oder<lb/>
Pommersche Straßen und Heidekrüge siud es sicher nicht, an die er dabei denkt.<lb/>
Fremd klingen dem Süddeutschen die Ortsnamen jener Küste, wie aus düstern<lb/>
Märchen weht es ihn an, wenn er von Arkona, von der Tromper oder der<lb/>
Prorer Wiek, von Mönchgut, Jershöft, Leba und Hela hört, der Name Vineta<lb/>
wird in ihm wach, das volle Tageslicht, das auf Namen wie Stettin und<lb/>
Varzin ruht, verhindert nicht, daß sich, vom Klänge geweckt, in seiner Phantasie<lb/>
graue Schatten erheben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2472" next="#ID_2473"> Dichter wuchsen dort dem deutschen Volke: Simon Dach sang an der<lb/>
Bernsteinküste sein Unke von Tharan, bei Stralsund verlebte Arndt seine frohe<lb/>
Jugend, Swinemünde ist die Jugeudhcimat Fontanes, Löwes Orgelspiel füllte<lb/>
die Stiftskirche zu Stettin, Eichendorff brachte das Jahrzehnt, das die Jahre</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0627] Die preußische Artillerie im Dienste des Aüstenrettungswesens Kasten mit Wachsabdichtung auf Lagern verpackt, die mit Filz gefüttert sind. Die Hülsen und die Ladung werden so gegen die Stöße beim Transport ge¬ sichert und lagcrbeständiger. Seit dem Jahre 1892 werden zur weitern Erhöhung der Lagerbeständigkeit kupferne Hülsen anstatt der stählernen verwandt. So arbeitet das Feuerwerkslaboratorium still aber stetig an der Verbesserung der Nettungsgeschosse. Die deutschen Rettungsraketen werden in ihren Leistungen von keinem andern Rettungsgeschoß übertroffen. Bis zum 1. Januar 1907 sind 506 Per¬ sonen durch deutsche Raketenapparate aus Seenot gerettet worden. Das Rettungs¬ geschoß dürfte längst den Schaden wieder ausgeglichen haben, den es in seiner wilden Zeit als Spreng- und Zündgeschoß der Menschheit gebracht hat. Mit Genehmigung des Kriegsministeriums wurden im Laufe der Jahre Rettungs¬ raketen nach Rußland, Spanien. Portugal, Frankreich, Rumänien und nach den Vereinigten Staaten von Amerika geliefert. Der Lakonismus, womit ich die Entwicklung der Rettungsrakete seit dem Jahre 1866 schildern mußte, verrät die lautere und bescheidne Quelle, aus der ich schöpfte: die Mitteilungen der Direktion des militärischen Instituts, das sich durch diese Arbeiten um die Menschheit verdient gemacht hat. Der preußische Küstenstrich von der Heimat Arndts bis zur Heimat Kants ist dem Süddeutschen fremd, auch jetzt noch fremd, obwohl zur Sommerzeit Ströme von Süddeutschen auf dem Wege zum Meer und Ströme von Nord¬ deutschen auf dem Wege zu den Bergen aneinander vorüberrauschen. Schwere Mühe macht es dem Lehrer in Quinta, seine Schüler mit dem Kartenbilde jener Gegenden vertraut zu machen, das sie so kalt ansieht, Unbehagen erfaßt den Leutnant, den das Kriegsspiel an jene einförmig erscheinende Küste führt, und wenn dem singenden Wandrer bei den Worten: „Es gibt so manche Straße, da ich noch nicht marschiert, es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch probiert", überhaupt ein geographischer Begriff vorschwebt — preußische oder Pommersche Straßen und Heidekrüge siud es sicher nicht, an die er dabei denkt. Fremd klingen dem Süddeutschen die Ortsnamen jener Küste, wie aus düstern Märchen weht es ihn an, wenn er von Arkona, von der Tromper oder der Prorer Wiek, von Mönchgut, Jershöft, Leba und Hela hört, der Name Vineta wird in ihm wach, das volle Tageslicht, das auf Namen wie Stettin und Varzin ruht, verhindert nicht, daß sich, vom Klänge geweckt, in seiner Phantasie graue Schatten erheben. Dichter wuchsen dort dem deutschen Volke: Simon Dach sang an der Bernsteinküste sein Unke von Tharan, bei Stralsund verlebte Arndt seine frohe Jugend, Swinemünde ist die Jugeudhcimat Fontanes, Löwes Orgelspiel füllte die Stiftskirche zu Stettin, Eichendorff brachte das Jahrzehnt, das die Jahre

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/627
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/627>, abgerufen am 21.06.2024.