Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

des Raketenbetriebs, Hauptmann Schmölle, diese Aufgabe und schloß sie im
Februar 1866 ab. Von Hauptmann Schmölle rühren wahrscheinlich auch die
Zeichnungen des Transportkarrens, der Egge, der dreizölligen Rettungsrakete
und des Zubehörs dieser Rakete sowie der erste Entwurf der Instruktion her,
da diese Zeichnungen und Schriftstücke von ihm unterschrieben sind.

Seit dem Jahre 1869 werden die Raketen zur Abhaltung der Feuchtig¬
keit, durch die ein Aufquellen der Ladung und eine Zerreißung der Raketen¬
hülsen verursacht werden kann, mit einer Schellacklösung überzogen. Im Ok¬
tober 1869 fanden unter dem stellvertretenden Direktor Hauptmann Bauch auf
dem Schießplatz Tegel Versuche mit einer Ankerrakete statt, bei der die Vorder¬
beschwerung durch ein vierarmiges Untergeschoß gebildet wird. Premierleutnant
steinharte leitete diese Versuche. Die Ankerraketen erschienen dem General¬
sekretär der Deutschen Rettungsgesellschaft Dr. Schuhmacher geeignet, die Mit¬
wirkung der Schiffbrüchigen bei der Rettung überflüssig zu machen. Er sah
in diesem Geschoß ein Mittel, das Boot durch die Brandung an das Wrack
zu bringen. Das Geschoß sollte in der Nähe des Wracks im Meeresgrunde
haften, und an dem damit verbundnen Tau sollte die Bootsmannschaft sich mit
dem Fahrzeug an das Wrack ziehen. Im Spätherbst leiteten der Direktor des
Laboratoriums und Premierleutnant Steinhärte in Bremen Versuche mit Anker¬
raketen. Die Geschosse bestanden die Probe, doch machten sie die andern
Raketen nicht überflüssig. Sie dienen dazu, den Rettungsbooten das Abkommen
vom Strande und die Überwindung der Brandung zu erleichtern. Man schießt
die Rakete über die Brandung hinaus, und dann ziehen einige Leute der Be¬
satzung das Boot an der Raletenleine durch die Brandung, während die andern
rudern.

Im Februar, März, April und Mai 1870 wurde durch Premierleutuant
Pietsch, Hauptmann Küster und Zeugfeuerwerksleutnant Kulbe eine kleinere
Rettnngsralete konstruiert, die der Rettungsgesellschaft für den Spider Strand
und für manche Ostseeküstenstrecken genügend und erwünscht erschien. Diese
zweizölligen Raketen trugen eine Leine von 0,30 Zoll Stärke durchschnittlich
300 Schritt weit. Im September 1870, wieder in einer großen Zeit, in der
man alle militärischen Kräfte auf ein Ziel konzentriert wühlte, wurden die ersten
fertig gestellt und abgeliefert -- wieder eine Widerlegung des Vorwurfs der
Unproduktivitüt unsrer Heereseinrichtungen.

Im Jahre 1871 wurde die Ankerrakete dadurch verbessert, daß der
Schraubenschaft an dem Stäbe verlängert und so das Abschrauben des Stabes
beim Anholen des Bootes verhindert wurde. Im Jahre 1887 wurde die
Brennlänge der Sicherheitszünder, die man zum Abfeuern der Rettungsraketen
verwendet, von acht auf zehn Sekunden erhöht, damit die Bedienungsmannschaft
weiter zurücktreten konnte. Zur Vermeidung von Krepierern wurden seit dem
Jahre 1888 anstatt schmiedeeiserner genieteter und gelöteter Hülsen geschweißte
stählerne verwandt. Seit dem Jahre 1890 werden die Raketen in luftdichten


Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens

des Raketenbetriebs, Hauptmann Schmölle, diese Aufgabe und schloß sie im
Februar 1866 ab. Von Hauptmann Schmölle rühren wahrscheinlich auch die
Zeichnungen des Transportkarrens, der Egge, der dreizölligen Rettungsrakete
und des Zubehörs dieser Rakete sowie der erste Entwurf der Instruktion her,
da diese Zeichnungen und Schriftstücke von ihm unterschrieben sind.

Seit dem Jahre 1869 werden die Raketen zur Abhaltung der Feuchtig¬
keit, durch die ein Aufquellen der Ladung und eine Zerreißung der Raketen¬
hülsen verursacht werden kann, mit einer Schellacklösung überzogen. Im Ok¬
tober 1869 fanden unter dem stellvertretenden Direktor Hauptmann Bauch auf
dem Schießplatz Tegel Versuche mit einer Ankerrakete statt, bei der die Vorder¬
beschwerung durch ein vierarmiges Untergeschoß gebildet wird. Premierleutnant
steinharte leitete diese Versuche. Die Ankerraketen erschienen dem General¬
sekretär der Deutschen Rettungsgesellschaft Dr. Schuhmacher geeignet, die Mit¬
wirkung der Schiffbrüchigen bei der Rettung überflüssig zu machen. Er sah
in diesem Geschoß ein Mittel, das Boot durch die Brandung an das Wrack
zu bringen. Das Geschoß sollte in der Nähe des Wracks im Meeresgrunde
haften, und an dem damit verbundnen Tau sollte die Bootsmannschaft sich mit
dem Fahrzeug an das Wrack ziehen. Im Spätherbst leiteten der Direktor des
Laboratoriums und Premierleutnant Steinhärte in Bremen Versuche mit Anker¬
raketen. Die Geschosse bestanden die Probe, doch machten sie die andern
Raketen nicht überflüssig. Sie dienen dazu, den Rettungsbooten das Abkommen
vom Strande und die Überwindung der Brandung zu erleichtern. Man schießt
die Rakete über die Brandung hinaus, und dann ziehen einige Leute der Be¬
satzung das Boot an der Raletenleine durch die Brandung, während die andern
rudern.

Im Februar, März, April und Mai 1870 wurde durch Premierleutuant
Pietsch, Hauptmann Küster und Zeugfeuerwerksleutnant Kulbe eine kleinere
Rettnngsralete konstruiert, die der Rettungsgesellschaft für den Spider Strand
und für manche Ostseeküstenstrecken genügend und erwünscht erschien. Diese
zweizölligen Raketen trugen eine Leine von 0,30 Zoll Stärke durchschnittlich
300 Schritt weit. Im September 1870, wieder in einer großen Zeit, in der
man alle militärischen Kräfte auf ein Ziel konzentriert wühlte, wurden die ersten
fertig gestellt und abgeliefert — wieder eine Widerlegung des Vorwurfs der
Unproduktivitüt unsrer Heereseinrichtungen.

Im Jahre 1871 wurde die Ankerrakete dadurch verbessert, daß der
Schraubenschaft an dem Stäbe verlängert und so das Abschrauben des Stabes
beim Anholen des Bootes verhindert wurde. Im Jahre 1887 wurde die
Brennlänge der Sicherheitszünder, die man zum Abfeuern der Rettungsraketen
verwendet, von acht auf zehn Sekunden erhöht, damit die Bedienungsmannschaft
weiter zurücktreten konnte. Zur Vermeidung von Krepierern wurden seit dem
Jahre 1888 anstatt schmiedeeiserner genieteter und gelöteter Hülsen geschweißte
stählerne verwandt. Seit dem Jahre 1890 werden die Raketen in luftdichten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0626" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312311"/>
          <fw type="header" place="top"> Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2463" prev="#ID_2462"> des Raketenbetriebs, Hauptmann Schmölle, diese Aufgabe und schloß sie im<lb/>
Februar 1866 ab. Von Hauptmann Schmölle rühren wahrscheinlich auch die<lb/>
Zeichnungen des Transportkarrens, der Egge, der dreizölligen Rettungsrakete<lb/>
und des Zubehörs dieser Rakete sowie der erste Entwurf der Instruktion her,<lb/>
da diese Zeichnungen und Schriftstücke von ihm unterschrieben sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2464"> Seit dem Jahre 1869 werden die Raketen zur Abhaltung der Feuchtig¬<lb/>
keit, durch die ein Aufquellen der Ladung und eine Zerreißung der Raketen¬<lb/>
hülsen verursacht werden kann, mit einer Schellacklösung überzogen. Im Ok¬<lb/>
tober 1869 fanden unter dem stellvertretenden Direktor Hauptmann Bauch auf<lb/>
dem Schießplatz Tegel Versuche mit einer Ankerrakete statt, bei der die Vorder¬<lb/>
beschwerung durch ein vierarmiges Untergeschoß gebildet wird. Premierleutnant<lb/>
steinharte leitete diese Versuche. Die Ankerraketen erschienen dem General¬<lb/>
sekretär der Deutschen Rettungsgesellschaft Dr. Schuhmacher geeignet, die Mit¬<lb/>
wirkung der Schiffbrüchigen bei der Rettung überflüssig zu machen. Er sah<lb/>
in diesem Geschoß ein Mittel, das Boot durch die Brandung an das Wrack<lb/>
zu bringen. Das Geschoß sollte in der Nähe des Wracks im Meeresgrunde<lb/>
haften, und an dem damit verbundnen Tau sollte die Bootsmannschaft sich mit<lb/>
dem Fahrzeug an das Wrack ziehen. Im Spätherbst leiteten der Direktor des<lb/>
Laboratoriums und Premierleutnant Steinhärte in Bremen Versuche mit Anker¬<lb/>
raketen. Die Geschosse bestanden die Probe, doch machten sie die andern<lb/>
Raketen nicht überflüssig. Sie dienen dazu, den Rettungsbooten das Abkommen<lb/>
vom Strande und die Überwindung der Brandung zu erleichtern. Man schießt<lb/>
die Rakete über die Brandung hinaus, und dann ziehen einige Leute der Be¬<lb/>
satzung das Boot an der Raletenleine durch die Brandung, während die andern<lb/>
rudern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2465"> Im Februar, März, April und Mai 1870 wurde durch Premierleutuant<lb/>
Pietsch, Hauptmann Küster und Zeugfeuerwerksleutnant Kulbe eine kleinere<lb/>
Rettnngsralete konstruiert, die der Rettungsgesellschaft für den Spider Strand<lb/>
und für manche Ostseeküstenstrecken genügend und erwünscht erschien. Diese<lb/>
zweizölligen Raketen trugen eine Leine von 0,30 Zoll Stärke durchschnittlich<lb/>
300 Schritt weit. Im September 1870, wieder in einer großen Zeit, in der<lb/>
man alle militärischen Kräfte auf ein Ziel konzentriert wühlte, wurden die ersten<lb/>
fertig gestellt und abgeliefert &#x2014; wieder eine Widerlegung des Vorwurfs der<lb/>
Unproduktivitüt unsrer Heereseinrichtungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2466" next="#ID_2467"> Im Jahre 1871 wurde die Ankerrakete dadurch verbessert, daß der<lb/>
Schraubenschaft an dem Stäbe verlängert und so das Abschrauben des Stabes<lb/>
beim Anholen des Bootes verhindert wurde. Im Jahre 1887 wurde die<lb/>
Brennlänge der Sicherheitszünder, die man zum Abfeuern der Rettungsraketen<lb/>
verwendet, von acht auf zehn Sekunden erhöht, damit die Bedienungsmannschaft<lb/>
weiter zurücktreten konnte. Zur Vermeidung von Krepierern wurden seit dem<lb/>
Jahre 1888 anstatt schmiedeeiserner genieteter und gelöteter Hülsen geschweißte<lb/>
stählerne verwandt.  Seit dem Jahre 1890 werden die Raketen in luftdichten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0626] Die preußische Artillerie im Dienste des Rüstenrettungswesens des Raketenbetriebs, Hauptmann Schmölle, diese Aufgabe und schloß sie im Februar 1866 ab. Von Hauptmann Schmölle rühren wahrscheinlich auch die Zeichnungen des Transportkarrens, der Egge, der dreizölligen Rettungsrakete und des Zubehörs dieser Rakete sowie der erste Entwurf der Instruktion her, da diese Zeichnungen und Schriftstücke von ihm unterschrieben sind. Seit dem Jahre 1869 werden die Raketen zur Abhaltung der Feuchtig¬ keit, durch die ein Aufquellen der Ladung und eine Zerreißung der Raketen¬ hülsen verursacht werden kann, mit einer Schellacklösung überzogen. Im Ok¬ tober 1869 fanden unter dem stellvertretenden Direktor Hauptmann Bauch auf dem Schießplatz Tegel Versuche mit einer Ankerrakete statt, bei der die Vorder¬ beschwerung durch ein vierarmiges Untergeschoß gebildet wird. Premierleutnant steinharte leitete diese Versuche. Die Ankerraketen erschienen dem General¬ sekretär der Deutschen Rettungsgesellschaft Dr. Schuhmacher geeignet, die Mit¬ wirkung der Schiffbrüchigen bei der Rettung überflüssig zu machen. Er sah in diesem Geschoß ein Mittel, das Boot durch die Brandung an das Wrack zu bringen. Das Geschoß sollte in der Nähe des Wracks im Meeresgrunde haften, und an dem damit verbundnen Tau sollte die Bootsmannschaft sich mit dem Fahrzeug an das Wrack ziehen. Im Spätherbst leiteten der Direktor des Laboratoriums und Premierleutnant Steinhärte in Bremen Versuche mit Anker¬ raketen. Die Geschosse bestanden die Probe, doch machten sie die andern Raketen nicht überflüssig. Sie dienen dazu, den Rettungsbooten das Abkommen vom Strande und die Überwindung der Brandung zu erleichtern. Man schießt die Rakete über die Brandung hinaus, und dann ziehen einige Leute der Be¬ satzung das Boot an der Raletenleine durch die Brandung, während die andern rudern. Im Februar, März, April und Mai 1870 wurde durch Premierleutuant Pietsch, Hauptmann Küster und Zeugfeuerwerksleutnant Kulbe eine kleinere Rettnngsralete konstruiert, die der Rettungsgesellschaft für den Spider Strand und für manche Ostseeküstenstrecken genügend und erwünscht erschien. Diese zweizölligen Raketen trugen eine Leine von 0,30 Zoll Stärke durchschnittlich 300 Schritt weit. Im September 1870, wieder in einer großen Zeit, in der man alle militärischen Kräfte auf ein Ziel konzentriert wühlte, wurden die ersten fertig gestellt und abgeliefert — wieder eine Widerlegung des Vorwurfs der Unproduktivitüt unsrer Heereseinrichtungen. Im Jahre 1871 wurde die Ankerrakete dadurch verbessert, daß der Schraubenschaft an dem Stäbe verlängert und so das Abschrauben des Stabes beim Anholen des Bootes verhindert wurde. Im Jahre 1887 wurde die Brennlänge der Sicherheitszünder, die man zum Abfeuern der Rettungsraketen verwendet, von acht auf zehn Sekunden erhöht, damit die Bedienungsmannschaft weiter zurücktreten konnte. Zur Vermeidung von Krepierern wurden seit dem Jahre 1888 anstatt schmiedeeiserner genieteter und gelöteter Hülsen geschweißte stählerne verwandt. Seit dem Jahre 1890 werden die Raketen in luftdichten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/626
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/626>, abgerufen am 21.06.2024.