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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Artillerie im Dienste des Mstenrettungswesens

Krieg zwischen Preußen und Österreich, zunächst der diplomatische, begann eigent¬
lich bereits in demselben Augenblicke, da Dänemark den beiden deutschen Gro߬
mächten die Herzogtümer zu gemeinsamer Hand abtrat."

Und in dieser Zeit der Rüstungen, der Mobilmachung, des Aufmarsches,
der ersten Zusammenstöße fand eine technische Militärbehörde, deren Produkte
die Feuerwaffen des Heeres erst wirksam machen und in Massen verbraucht
werde", Zeit und Ruhe, ein Kriegsgeschoß zu einem Rettungsmittel umzuschaffen
und damit den deutschen Küstenbewohnem eine Wehr zum Schutze der Küsten¬
schiffer in die Hand zu geben. Daraus spricht eine große, sichere Ruhe, so
groß und so sicher wie die Moltkes. Am 14. Juni 1866 vereinbarte der
geniale Heerführer mit Bismarck die Beschleunigung des Einmarsches in Sachsen,
Hannover und Hessen. Als er sich verabschiedete, fragte er, wie Bismarck in
seinen Gedanken und Erinnerungen erzählt: "Wissen Sie, daß die Sachsen die
Dresdner Brücke gesprengt haben?" und demaskierte den Scherz mit dem Zu¬
sätze: "Aber mit Wasser, wegen Staub." Ich habe die Briefe, worin die
Direktion des Feuerwerkslaboratoriums am 3. März und am 25. Juni 1866,
mit ihrem Werk zufrieden wie Wieland am Feierabend, ihrer vorgesetzten Be¬
hörde und dem Bremer Verein die Vollendung der Rettungsraketen mitteilt,
fast ungekürzt wiedergegeben, weil sie in ihrer idyllischen Breite ein schönes
Gegenstück zu dem Scherze des Generalstabschefs sind.

Die Leistungen der Spandauer Rettungsraketen "wurden in allen, dem
Meere und Strande naheliegenden, mit ihren Anforderungen vertrauten Kreisen ...
mit großer Freude begrüßt".

Die Bedeutung der Flugweite dieser Geschosse, die durchschnittlich 1375
Preußische Fuß betrug, kann man an den offiziellen Aufstellungen des englischen
Handelsamts messen, wonach ein Manbyscher Apparat das Geschoß durch¬
schnittlich 370 preußische Fuß weit schleuderte, eine gewöhnliche Dennettsche
Rakete 800, eine Boxersche 990 und eine doppelte Dennettsche 1050.

Am 28. August veranstaltete Korvettenkapitän Werner in Bremerhaven
Versuche mit den Spandauer Raketen. Dabei ergab es sich, daß die Egge der
Verbesserung und der Karren einer Vergrößerung bedürfte.

Aber die Geschosse bewährten sich. Ihre Feuerprobe bestanden sie im
Jahre 1867. In diesem Jahre wurden durch die Raketenstationen Stolp-
münde 6, Koppalm im Bezirk Danzig 3, Neufahrwasser 22, Pillau 6 -- zu¬
sammen 37 Menschenleben gerettet.

Trotzdem arbeitete das Feuerwerkslaboratorium unermüdlich an der Ver¬
besserung der Rettungsgeschosse weiter. Bis zum Oktober 1865 hatte unter der
Direktion des Kommandeurs der Feuerwerksabteilung, Majors Wille, Premier¬
leutnant Meute als stellvertretender Vorsteher des Betriebszweiges für Raketen¬
anfertigung die Versuche auf dem Tegeler Schießplatze bei Berlin geleitet. An
seiner Stelle setzte sie Premierleutnant Wenzel im Oktober und November
fort. Dann übernahm unter der Direktion des Majors Bartsch der Vorsteher


Grenzboten II 1908 79
Die preußische Artillerie im Dienste des Mstenrettungswesens

Krieg zwischen Preußen und Österreich, zunächst der diplomatische, begann eigent¬
lich bereits in demselben Augenblicke, da Dänemark den beiden deutschen Gro߬
mächten die Herzogtümer zu gemeinsamer Hand abtrat."

Und in dieser Zeit der Rüstungen, der Mobilmachung, des Aufmarsches,
der ersten Zusammenstöße fand eine technische Militärbehörde, deren Produkte
die Feuerwaffen des Heeres erst wirksam machen und in Massen verbraucht
werde», Zeit und Ruhe, ein Kriegsgeschoß zu einem Rettungsmittel umzuschaffen
und damit den deutschen Küstenbewohnem eine Wehr zum Schutze der Küsten¬
schiffer in die Hand zu geben. Daraus spricht eine große, sichere Ruhe, so
groß und so sicher wie die Moltkes. Am 14. Juni 1866 vereinbarte der
geniale Heerführer mit Bismarck die Beschleunigung des Einmarsches in Sachsen,
Hannover und Hessen. Als er sich verabschiedete, fragte er, wie Bismarck in
seinen Gedanken und Erinnerungen erzählt: „Wissen Sie, daß die Sachsen die
Dresdner Brücke gesprengt haben?" und demaskierte den Scherz mit dem Zu¬
sätze: „Aber mit Wasser, wegen Staub." Ich habe die Briefe, worin die
Direktion des Feuerwerkslaboratoriums am 3. März und am 25. Juni 1866,
mit ihrem Werk zufrieden wie Wieland am Feierabend, ihrer vorgesetzten Be¬
hörde und dem Bremer Verein die Vollendung der Rettungsraketen mitteilt,
fast ungekürzt wiedergegeben, weil sie in ihrer idyllischen Breite ein schönes
Gegenstück zu dem Scherze des Generalstabschefs sind.

Die Leistungen der Spandauer Rettungsraketen „wurden in allen, dem
Meere und Strande naheliegenden, mit ihren Anforderungen vertrauten Kreisen ...
mit großer Freude begrüßt".

Die Bedeutung der Flugweite dieser Geschosse, die durchschnittlich 1375
Preußische Fuß betrug, kann man an den offiziellen Aufstellungen des englischen
Handelsamts messen, wonach ein Manbyscher Apparat das Geschoß durch¬
schnittlich 370 preußische Fuß weit schleuderte, eine gewöhnliche Dennettsche
Rakete 800, eine Boxersche 990 und eine doppelte Dennettsche 1050.

Am 28. August veranstaltete Korvettenkapitän Werner in Bremerhaven
Versuche mit den Spandauer Raketen. Dabei ergab es sich, daß die Egge der
Verbesserung und der Karren einer Vergrößerung bedürfte.

Aber die Geschosse bewährten sich. Ihre Feuerprobe bestanden sie im
Jahre 1867. In diesem Jahre wurden durch die Raketenstationen Stolp-
münde 6, Koppalm im Bezirk Danzig 3, Neufahrwasser 22, Pillau 6 — zu¬
sammen 37 Menschenleben gerettet.

Trotzdem arbeitete das Feuerwerkslaboratorium unermüdlich an der Ver¬
besserung der Rettungsgeschosse weiter. Bis zum Oktober 1865 hatte unter der
Direktion des Kommandeurs der Feuerwerksabteilung, Majors Wille, Premier¬
leutnant Meute als stellvertretender Vorsteher des Betriebszweiges für Raketen¬
anfertigung die Versuche auf dem Tegeler Schießplatze bei Berlin geleitet. An
seiner Stelle setzte sie Premierleutnant Wenzel im Oktober und November
fort. Dann übernahm unter der Direktion des Majors Bartsch der Vorsteher


Grenzboten II 1908 79
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[0625] Die preußische Artillerie im Dienste des Mstenrettungswesens Krieg zwischen Preußen und Österreich, zunächst der diplomatische, begann eigent¬ lich bereits in demselben Augenblicke, da Dänemark den beiden deutschen Gro߬ mächten die Herzogtümer zu gemeinsamer Hand abtrat." Und in dieser Zeit der Rüstungen, der Mobilmachung, des Aufmarsches, der ersten Zusammenstöße fand eine technische Militärbehörde, deren Produkte die Feuerwaffen des Heeres erst wirksam machen und in Massen verbraucht werde», Zeit und Ruhe, ein Kriegsgeschoß zu einem Rettungsmittel umzuschaffen und damit den deutschen Küstenbewohnem eine Wehr zum Schutze der Küsten¬ schiffer in die Hand zu geben. Daraus spricht eine große, sichere Ruhe, so groß und so sicher wie die Moltkes. Am 14. Juni 1866 vereinbarte der geniale Heerführer mit Bismarck die Beschleunigung des Einmarsches in Sachsen, Hannover und Hessen. Als er sich verabschiedete, fragte er, wie Bismarck in seinen Gedanken und Erinnerungen erzählt: „Wissen Sie, daß die Sachsen die Dresdner Brücke gesprengt haben?" und demaskierte den Scherz mit dem Zu¬ sätze: „Aber mit Wasser, wegen Staub." Ich habe die Briefe, worin die Direktion des Feuerwerkslaboratoriums am 3. März und am 25. Juni 1866, mit ihrem Werk zufrieden wie Wieland am Feierabend, ihrer vorgesetzten Be¬ hörde und dem Bremer Verein die Vollendung der Rettungsraketen mitteilt, fast ungekürzt wiedergegeben, weil sie in ihrer idyllischen Breite ein schönes Gegenstück zu dem Scherze des Generalstabschefs sind. Die Leistungen der Spandauer Rettungsraketen „wurden in allen, dem Meere und Strande naheliegenden, mit ihren Anforderungen vertrauten Kreisen ... mit großer Freude begrüßt". Die Bedeutung der Flugweite dieser Geschosse, die durchschnittlich 1375 Preußische Fuß betrug, kann man an den offiziellen Aufstellungen des englischen Handelsamts messen, wonach ein Manbyscher Apparat das Geschoß durch¬ schnittlich 370 preußische Fuß weit schleuderte, eine gewöhnliche Dennettsche Rakete 800, eine Boxersche 990 und eine doppelte Dennettsche 1050. Am 28. August veranstaltete Korvettenkapitän Werner in Bremerhaven Versuche mit den Spandauer Raketen. Dabei ergab es sich, daß die Egge der Verbesserung und der Karren einer Vergrößerung bedürfte. Aber die Geschosse bewährten sich. Ihre Feuerprobe bestanden sie im Jahre 1867. In diesem Jahre wurden durch die Raketenstationen Stolp- münde 6, Koppalm im Bezirk Danzig 3, Neufahrwasser 22, Pillau 6 — zu¬ sammen 37 Menschenleben gerettet. Trotzdem arbeitete das Feuerwerkslaboratorium unermüdlich an der Ver¬ besserung der Rettungsgeschosse weiter. Bis zum Oktober 1865 hatte unter der Direktion des Kommandeurs der Feuerwerksabteilung, Majors Wille, Premier¬ leutnant Meute als stellvertretender Vorsteher des Betriebszweiges für Raketen¬ anfertigung die Versuche auf dem Tegeler Schießplatze bei Berlin geleitet. An seiner Stelle setzte sie Premierleutnant Wenzel im Oktober und November fort. Dann übernahm unter der Direktion des Majors Bartsch der Vorsteher Grenzboten II 1908 79

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/625>, abgerufen am 21.06.2024.