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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr.

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Die Schlacht bei j)avia

haben. Entscheidend dürfte aber doch sein, daß es der in Österreichs Geschichte
so glorreich bekannte Graf Salm war, der dem König das Pferd unter dem Leibe
niederstach und ihn so kampfunfähig machte. In der geschilderten Weise sieht
man auch den geschichtlichen Vorgang auf einem der Reliefs des herrlichen
Grabmonuments Salms in der Votivkirche zu Wien.

Spanier und Italiener haben in ihren Schlachtberichten und spätern Dar¬
stellungen den Ruhm des Tages von Pavia oft in einer Weise für sich reklamiert,
daß für die Deutschen nichts übrig blieb. Gewiß waren es die spanischen
Arkebusiere, die durch ihren Angriff auf die Komines ä'-irinss das Schicksal der
Schlacht wandten. Damit war diese aber noch nicht gewonnen. Man darf
nicht vergessen, daß zwei Drittel von Pescaras Heer und fünf Sechstel der
heldenmütigen Besatzung Pavias deutsch waren; daß deutsche zum großen
Teil in Österreich gewordne Landsknechte erst die Schwarze Bande vernichteten,
dann die Schweizer in die Flucht schlugen; daß endlich Salms Reisige, von
Erzherzog Ferdinand ausgerüstet, eine hervorragende Rolle gespielt haben.

Über die Verluste auf beiden Seiten gehen die Berichte weit anseinander.
Frundsberg bezifferte die der Franzosen auf 10000 Mann, andre Berichte auf
20000, Lcmoy gar auf 25000 Mann. Die Kaiserlichen scheinen kaum mehr
als etwa 500 Mann eingebüßt zu haben. Von ihren Anführern waren nur
wenige gefallen, Salm und Pescara verwundet. Der hochbegabte spanische
General starb übrigens noch im Dezember desselben Jahres an den Anstrengungen
des Feldzugs. Beide Teile hatten sich im großen und ganzen unstreitig mit
hohem Mute geschlagen. Freilich wenn man in einer neuern Darstellung liest:
"Gleichsam berauscht von heroischer Trunkenheit starb der Adel von Frankreich
mit Freuden und wetteifernd um seinen König", so ist das ein wenig Rhetorik.
Es zeigte, wie Thom sagt, die lange Liste der auf französischer Seite Gefallnen
und Gefangnen, daß diese bei weitem überwogen, besonders in der jüngern
Generation. Tot waren der fünfundsiebzigjührige Louis Seigneur de la Tremoille,
der vergeblich von der Schlacht abgeraten hatte, der Marschall von Chabannes,
Louis d'Ars, Bussy d'Amboise, Clermont-Tonnerre, Se. Pol, der Marschall
von Foix und manches andre Glied des vornehmsten französischen Adels.

Die Schlacht von Pavia hat nach dem Berichte Wintzerers und Politicmos
nicht länger als anderthalb Stunden gedauert. Der Sieg der Kaiserlichen
war vollständig. Militär- und weltgeschichtlich zählt der kurze Kampf aus
manchem Grunde zu den merkwürdigen. "Diese Schlacht, sagte Thom sehr
richtig, führte die deutschen Landsknechte ans die Höhe ihres Ruhmes. Es ist
die letzte glänzende Waffentat des alten Frundsberg. Die Schweizer haben
die führende Rolle ausgespielt. An ihre Stelle treten die Deutschen. Auch das
Ritterheer hat einen zu empfindlichen Stoß erhalten, als daß es sich wieder
zu erholen vermag."

Im übrigen hat die Schlacht aber weder das Schicksal Mailands, um das es
sich zunächst handelte, noch den Kampf um das "Jtalisch-Imperium", der dahinter


Die Schlacht bei j)avia

haben. Entscheidend dürfte aber doch sein, daß es der in Österreichs Geschichte
so glorreich bekannte Graf Salm war, der dem König das Pferd unter dem Leibe
niederstach und ihn so kampfunfähig machte. In der geschilderten Weise sieht
man auch den geschichtlichen Vorgang auf einem der Reliefs des herrlichen
Grabmonuments Salms in der Votivkirche zu Wien.

Spanier und Italiener haben in ihren Schlachtberichten und spätern Dar¬
stellungen den Ruhm des Tages von Pavia oft in einer Weise für sich reklamiert,
daß für die Deutschen nichts übrig blieb. Gewiß waren es die spanischen
Arkebusiere, die durch ihren Angriff auf die Komines ä'-irinss das Schicksal der
Schlacht wandten. Damit war diese aber noch nicht gewonnen. Man darf
nicht vergessen, daß zwei Drittel von Pescaras Heer und fünf Sechstel der
heldenmütigen Besatzung Pavias deutsch waren; daß deutsche zum großen
Teil in Österreich gewordne Landsknechte erst die Schwarze Bande vernichteten,
dann die Schweizer in die Flucht schlugen; daß endlich Salms Reisige, von
Erzherzog Ferdinand ausgerüstet, eine hervorragende Rolle gespielt haben.

Über die Verluste auf beiden Seiten gehen die Berichte weit anseinander.
Frundsberg bezifferte die der Franzosen auf 10000 Mann, andre Berichte auf
20000, Lcmoy gar auf 25000 Mann. Die Kaiserlichen scheinen kaum mehr
als etwa 500 Mann eingebüßt zu haben. Von ihren Anführern waren nur
wenige gefallen, Salm und Pescara verwundet. Der hochbegabte spanische
General starb übrigens noch im Dezember desselben Jahres an den Anstrengungen
des Feldzugs. Beide Teile hatten sich im großen und ganzen unstreitig mit
hohem Mute geschlagen. Freilich wenn man in einer neuern Darstellung liest:
„Gleichsam berauscht von heroischer Trunkenheit starb der Adel von Frankreich
mit Freuden und wetteifernd um seinen König", so ist das ein wenig Rhetorik.
Es zeigte, wie Thom sagt, die lange Liste der auf französischer Seite Gefallnen
und Gefangnen, daß diese bei weitem überwogen, besonders in der jüngern
Generation. Tot waren der fünfundsiebzigjührige Louis Seigneur de la Tremoille,
der vergeblich von der Schlacht abgeraten hatte, der Marschall von Chabannes,
Louis d'Ars, Bussy d'Amboise, Clermont-Tonnerre, Se. Pol, der Marschall
von Foix und manches andre Glied des vornehmsten französischen Adels.

Die Schlacht von Pavia hat nach dem Berichte Wintzerers und Politicmos
nicht länger als anderthalb Stunden gedauert. Der Sieg der Kaiserlichen
war vollständig. Militär- und weltgeschichtlich zählt der kurze Kampf aus
manchem Grunde zu den merkwürdigen. »Diese Schlacht, sagte Thom sehr
richtig, führte die deutschen Landsknechte ans die Höhe ihres Ruhmes. Es ist
die letzte glänzende Waffentat des alten Frundsberg. Die Schweizer haben
die führende Rolle ausgespielt. An ihre Stelle treten die Deutschen. Auch das
Ritterheer hat einen zu empfindlichen Stoß erhalten, als daß es sich wieder
zu erholen vermag."

Im übrigen hat die Schlacht aber weder das Schicksal Mailands, um das es
sich zunächst handelte, noch den Kampf um das „Jtalisch-Imperium", der dahinter


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[0618] Die Schlacht bei j)avia haben. Entscheidend dürfte aber doch sein, daß es der in Österreichs Geschichte so glorreich bekannte Graf Salm war, der dem König das Pferd unter dem Leibe niederstach und ihn so kampfunfähig machte. In der geschilderten Weise sieht man auch den geschichtlichen Vorgang auf einem der Reliefs des herrlichen Grabmonuments Salms in der Votivkirche zu Wien. Spanier und Italiener haben in ihren Schlachtberichten und spätern Dar¬ stellungen den Ruhm des Tages von Pavia oft in einer Weise für sich reklamiert, daß für die Deutschen nichts übrig blieb. Gewiß waren es die spanischen Arkebusiere, die durch ihren Angriff auf die Komines ä'-irinss das Schicksal der Schlacht wandten. Damit war diese aber noch nicht gewonnen. Man darf nicht vergessen, daß zwei Drittel von Pescaras Heer und fünf Sechstel der heldenmütigen Besatzung Pavias deutsch waren; daß deutsche zum großen Teil in Österreich gewordne Landsknechte erst die Schwarze Bande vernichteten, dann die Schweizer in die Flucht schlugen; daß endlich Salms Reisige, von Erzherzog Ferdinand ausgerüstet, eine hervorragende Rolle gespielt haben. Über die Verluste auf beiden Seiten gehen die Berichte weit anseinander. Frundsberg bezifferte die der Franzosen auf 10000 Mann, andre Berichte auf 20000, Lcmoy gar auf 25000 Mann. Die Kaiserlichen scheinen kaum mehr als etwa 500 Mann eingebüßt zu haben. Von ihren Anführern waren nur wenige gefallen, Salm und Pescara verwundet. Der hochbegabte spanische General starb übrigens noch im Dezember desselben Jahres an den Anstrengungen des Feldzugs. Beide Teile hatten sich im großen und ganzen unstreitig mit hohem Mute geschlagen. Freilich wenn man in einer neuern Darstellung liest: „Gleichsam berauscht von heroischer Trunkenheit starb der Adel von Frankreich mit Freuden und wetteifernd um seinen König", so ist das ein wenig Rhetorik. Es zeigte, wie Thom sagt, die lange Liste der auf französischer Seite Gefallnen und Gefangnen, daß diese bei weitem überwogen, besonders in der jüngern Generation. Tot waren der fünfundsiebzigjührige Louis Seigneur de la Tremoille, der vergeblich von der Schlacht abgeraten hatte, der Marschall von Chabannes, Louis d'Ars, Bussy d'Amboise, Clermont-Tonnerre, Se. Pol, der Marschall von Foix und manches andre Glied des vornehmsten französischen Adels. Die Schlacht von Pavia hat nach dem Berichte Wintzerers und Politicmos nicht länger als anderthalb Stunden gedauert. Der Sieg der Kaiserlichen war vollständig. Militär- und weltgeschichtlich zählt der kurze Kampf aus manchem Grunde zu den merkwürdigen. »Diese Schlacht, sagte Thom sehr richtig, führte die deutschen Landsknechte ans die Höhe ihres Ruhmes. Es ist die letzte glänzende Waffentat des alten Frundsberg. Die Schweizer haben die führende Rolle ausgespielt. An ihre Stelle treten die Deutschen. Auch das Ritterheer hat einen zu empfindlichen Stoß erhalten, als daß es sich wieder zu erholen vermag." Im übrigen hat die Schlacht aber weder das Schicksal Mailands, um das es sich zunächst handelte, noch den Kampf um das „Jtalisch-Imperium", der dahinter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311740/618>, abgerufen am 21.06.2024.